Vertriebsgebühren: Schröpfung der Privatanleger
Ausgabeaufschläge und Rückvergütungen, die nicht an den Anleger, sondern an die Fondsgesellschaft fließen, verteuern die Produkte. Rechtsanwalt Jens Graf aus Düsseldorf kämpft seit Jahren gegen eine Ungleichbehandlung von institutionellen und privaten Anlegern. Denn institutionelle Anleger zahlen diese Vertriebsgebühren nicht. Jetzt erzielte Rechtsanwalt Graf einen ersten Erfolg. Das Extra-Magazin sprach mit ihm über die Hintergründe.
In einem ersten Verfahren erreichten Sie die Rückzahlung der Vertriebsgebühren ohne eigentliches Gerichtsverfahren. Was sind die Gründe dafür?
Erstattet wurde der Ausgabeaufschlag nebst Zinsen. Das Amtsgericht München hat seine Entscheidung gegen die Fondsverwaltung damit begründet, sie wäre im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen. Eines unserer Argumente war, dass die Berechnung des Ausgabeaufschlags eine unfaire Bevorzugung professioneller Anleger war, denen man solche Vertriebsentgelte nicht abverlangt.
Würden Fondsgesellschaften bei einem Wegfall dieser Gebühren nicht anderswo versteckte Gebühren draufschlagen?
Unser Fall zeigt ja gerade, dass nicht jeder Aufwand einer Fondsgesellschaft bezahlt werden „muss“. Sollte eine Kapitalverwaltungsgesellschaft eine andere unfaire Gebühr berechnen, die der Profi , der das durchschaut, nicht akzeptiert und der Privatanleger nur nicht beanstandet, weil er getäuscht wird, müsste sie auch diesen Schaden ersetzen. Wenn diese Aussicht für Fondsbranche und Anlageberater bisher kein Hindernis war, unfaire Praktiken anzuwenden, wird sie das auch zukünftig kaum bremsen. Zumal die Schröpfung der Privatanleger mit Vertriebsentgelten, wie Ausgabeaufschlägen, bisher ein außerordentlich einträgliches Geschäft gewesen sein muss. Eine neue Geschäftemacherei wäre für den Privatanleger aber doch kein Grund, jetzt auf eine Wiedergutmachung hinsichtlich alter Sünden, wie Ausgabeaufschlägen und Bestandsprämien, zu verzichten. Im Gegenteil. Vielleicht versteht die Fondsbranche ein von der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen ausgehendes Signal eher als die aktuelle Gesetzeslage, in der manche wohl eine Ermunterung sehen, den Privatanleger auszunehmen.
Sie forderten die Anleger auf, ihre Verwaltungsgebühren von der Fondsgesellschaft zurückzufordern. Wie sollen sie dabei vorgehen?
Wir raten von eigenen Aktivitäten ab, weil sie aussichtslos sein dürften. Denn gäben die Fondsverwaltungen „freiwillig“ nach, müssten sie mit einem Ansturm von geprellten Anlegern rechnen. Muss die Sache aber ohnehin mal vor Gericht geklärt werden, ist es besser, gleich zu dem Anwalt zu gehen, der weiß, was zu tun ist. Insoweit bin ich derzeit wohl auch der einzige, der Mandate annimmt und Prozesse führt. Sie rechnen sich überwiegend für Anleger, die eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung haben. Der Anwalt verdient daran noch nicht.
Fondsmanager erzielen unter Abzug der Gebühren oftmals eine niedrigere Rendite als passive Instrumente. Wäre es aus Sicht der Fondsgesellschaften nicht sogar erfreulich, wenn diese Gebühren wegfallen würden?
Das sollte so sein, wäre die Qualität der Investmententscheidungen des Fondsmanagements endlich das allein entscheidende Verkaufskriterium. Bei der enormen Kostenbelastung – man muss es immer wieder betonen: nur des Privatanlegers – mit einmaligen und laufenden Vertriebsentgelten gibt es aber keinen objektiven Wettbewerb um die beste Anlageform. Sind „Provisionen“ drin, besteht immer die konkrete Gefahr, dass nur das Produkt mit dem höchsten Gewinn für Berater und Fondsverwaltung empfohlen und verkauft oder im Bestand gehalten wird. Das wird sich erst ändern, wenn diese bestechungsähnliche, allein umsatzabhängige Prämierung der Beraterschaft beendet wird und die dadurch unfair benachteiligte Honorarberatung ihren gebührenden Platz einnehmen und sich etablieren kann.
Sie vertreten auch andere Mandanten im gleichen Fall. Wie geht es weiter, führen Sie den Kampf gegebenenfalls durch sämtliche Instanzen?
Die Zahl der Privatanleger, die erkennen, wie unfair man mit ihnen umgegangen ist, und wieviel Geld ihnen wirklich nachweislich abgenommen und vorenthalten wurde und wird, nimmt stetig zu. Die erstmals erstellten Kostenausweise für 2018 sind oft entlarvend. Laufen die Verfahren von Beginn an positiv, wie in München, sind sie schnell zuende. Sonst gehen wir auch durch die Instanzen. Die Angst vor einem BGH – Urteil im Sinne unserer Mandanten dürfte die Branche elektrisieren. Am Ende des Kampfes sollte wieder ein wichtiger Erfolg für die Verbraucher stehen. Unsere aktiven Mandanten werden als Erste Zählbares davon haben, – nämlich eine auch rückwirkende signifikante Verbesserung ihrer Rendite. Leider wird es wieder viele Geschädigte geben, die trotz Rechtsschutzversicherung nicht handeln, bevor ihre Ansprüche verjährt sind und sich das „Geschäft“ der Gegenseite einmal mehr auf Dauer gelohnt hat.
In anderen Ländern sind solche Gebühren bereits verboten. Führt aus Ihrer Sicht diese Diskussion zu einem generellen Wegfall solcher Provisionen?
Stiftung Warentest bezeichnet Provisionen bei Fonds als skandalös. Abschlussprämien aus Ausgabeaufschlägen und Bestandsprovisionen sind gem. § 70 WpHG schon lange grundsätzlich verboten. Zivilrechtlich noch länger, worauf unser Erfolg beruht. Und trotzdem geht die Diskussion darüber weiter und der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck (welcher wirklich?) wird nicht erreicht oder tritt auf Kosten der schutzbedürftigen Privatanleger weiter als satter Gewinn der Fonds- und Beraterbranche ein. Wie beim Stichwort Verjährung zu sehen ist der für den privaten Anleger erfolgversprechendste Weg, seinen wirtschaftlichen Schaden effektiv zu verringern, seine Forderungen mit versierter Unterstützung durchzusetzen. Dazu muss er selbst erfreulich wenig Aufwand betreiben. Tun das genug Anleger konsequent und wird die Sache für die Fondsbranche „teuer“, kann das der Praxis zukünftig Einhalt gebieten. Dies zu bewirken ist aber nicht Aufgabe unserer Mandanten. Für uns als Rechtsanwälte zählt nur der bestmögliche wirtschaftliche Erfolg unser Klienten. Und da muss die Empfehlung lauten: Informieren, abwägen und bald aktiv werden. Auch hier gilt oft: Zeit ist Geld!
Zur Person:
Seit 1988 begleitet Rechtsanwalt Graf das Kapitalanlagerecht durch Publikationen, das Erstreiten wegweisender Urteile und seriöse Öffentlichkeitsarbeit und hat zahlreiche Mandanten erfolgreich vertreten. Seine Kanzlei bearbeitet Einzelmandate, wie Massen – und Serienschadensfälle. Graf hat Erfahrung mit bahnbrechenden Entscheidungen. Bei der Entwicklung der sog. Rückvergütungs – Rechtsprechung etwa war er seit 1996 von Beginn an beteiligt. Die hier relevanten Vertriebsentgelte, mit denen er seitdem befasst ist, bilden die Quelle dafür. Nach der Erhebung WiWo-Top-Kanzleien des angesehenen Magazins WirtschaftsWoche ist Rechtsanwalt Jens Graf einer der „besten deutschen Anlegeranwälte“.