17. November 2014
Anleihen klein

Spekulationsblase bei Euro-Anleihen kann jederzeit platzen

Der Preis, das wichtigste Signal in unserem Wirtschaftssystem, entsteht durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

Wird deren Wechselwirkung über längere Zeit gestört, können die Preise von Vermögenswerten höher steigen, als es die Realität erlaubt. Bei Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie ist das gerade der Fall – dank der EZB. Doch solche Marktverzerrungen werden oft drastisch und schmerzhaft korrigiert.

drtobiasspiess  

Dr. Tobias Spies

Huber, Reuss & Kollegen
Vermögensverwaltung GmbH

 

Wie irrational die aktuelle Situation ist, lässt sich am Beispiel Portugals sehr gut nachvollziehen. 2012 rentierten 10-jährige portugiesische Staatsanleihen bei über 17 Prozent, doch nur zwei Jahre später kann sich Lissabon für rund drei Prozent bei Investoren Geld leihen. Die Gläubiger gehen also davon aus, dass sich die Risiken innerhalb von 24 Monaten quasi in Luft aufgelöst haben. Allerdings deutet nicht nur der Zusammenbruch des größten portugiesischen Konglomerats, der Espirito Santo Gruppe, darauf hin, dass die langfristigen Ausfallrisiken portugiesischer Schuldtitel in Wahrheit eher gestiegen als gesunken sind.

Auch die Staatsverschuldung hat sich seit 2006 auf 129 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung verdoppelt; allein in den jüngsten zwei Jahren stieg die Schuldenquote um fast 30 Prozentpunkte. Zudem ist Portugal aktuell mit einem Haushaltsdefizit von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weit von der Erfüllung der Maastricht-Kriterien entfernt – kein Wunder bei einem realen BIP, das noch immer sechs Prozent unter dem Stand von 2007 notiert. Die geringe Wettbewerbsfähigkeit drückt sich auch in der Leistungsbilanz aus: Seit der Jahrtausendwende importiert das Land deutlich mehr als es exportiert; das Defizit wird über die Ausgabe von Schuldtiteln finanziert.

Das eigentliche Problem ist aber, dass sich dank der günstigen Finanzierungsmöglichkeiten nach dem EU-Beitritt nicht nur der Staat, sondern auch die Unternehmen und Haushalte extrem verschuldet haben. Von 1996 bis 2010 stiegen die Schulden der privaten Haushalte und der Firmen jeweils um das Sechsfache, während sich das BIP lediglich verdoppelte. Diese grundlegende Verschlechterung hat die Anleger aber nicht vor Investitionen in die Schulden Portugals und anderer Peripherieländer abgeschreckt. Und seit dem Sommer 2012, als EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner berühmten „Whatever it takes“-Rede der Eurokrise eine entscheidende Wende gab, nahm die Dynamik nochmals zu: Seither sind die Kurse dieser Anleihen geradezu explodiert.

Faktisch ist die Zentralbank damit eine Wette mit dem Kapitalmarkt eingegangen, die zu einem enormen Zufluss von spekulativem Geld geführt hat. Insbesondere Hedgefonds aus den angelsächsischen Ländern, die aufgrund des Quantitative Easings und der Nullzinspolitik in ihren Heimatländern in Liquidität quasi ertrinken, haben prächtig an den Kupons und den Kursgewinnen verdient.

Doch dieser Geldstrom kann jederzeit abrupt versiegen. Wenn dies geschieht, müssen die Peripherieländer für ihren gewachsenen Schuldenberg höhere Zinsen zahlen, was nur durch die Aufnahme neuer Schulden möglich wäre. Wie das ohne erneute Hilfe der EZB gehen soll, ist schleierhaft. Sehr konkret werden jedoch die herben Kursverluste der Staatsanleihen sein, die Investoren verbuchen müssen, wenn die Zinsen in den Peripheriestaaten nach oben ziehen.