27. April 2023
Experten: „Rezession ist kein schlechtes Umfeld für Anleihen guter Qualität“

Experten: „Rezession ist kein schlechtes Umfeld für Anleihen guter Qualität“

Die Rezession kann durchaus Realität werden. Die Experten von J.P. Morgan Asset Management halten sehen ein gute Möglichkeit für gute Anleihen.

Es ist ein harter Kampf zwischen Notenbanken und Inflation, und er dauert weiter an. Zwar beginnen die Inflationsraten allmählich zu sinken – in den USA sank die Rate im März auf 5,0 Prozent nach 6,0 Prozent im Februar und 6,4 Prozent im Januar; in Europa gingen die Preise im März auf 6,9 Prozent zurück nach 8,5 Prozent im Februar. Doch haben die Notenbanken klar signalisiert, dass sie diesen Kurs weiterhin strikt verfolgen werden, um die Inflationsraten stärker zu senken – auch auf Kosten der Wirtschaft. Eine Rezession bleibt mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent das Basisszenario der Experten von J.P. Morgan Asset Management. Gleichwohl nähern sich nach Ansicht von Iain Stealey, International Chief Investment Officer in der Fixed Income, Commodity and Commodities Gruppe bei J.P. Morgan Asset Management, die Notenbanken, allen voran die Fed, dem Ende des Zinserhöhungszyklus. Für Anleihen bedeute dies ein gutes Umfeld. Chancen sieht Stealey vor allem bei Anleihen hoher Qualität, etwa Investment-Grade-Unternehmensanleihen, aber auch bei Schwellenländer-Bonds. 

Rezession frühestens Mitte 2024?

Auf dem Weg von Fed-Zinserhöhungen bis zur endgültigen Rezession durchläuft die Wirtschaft nach Analyse von Iain Stealey eine Phase, die wie eine sanfte Landung aussieht. Seit 1981 betrug die durchschnittliche Zeit von der letzten Zinserhöhung bis zur Rezession durchschnittlich 13 Monate. „Dies deutet darauf hin, dass eine Pause der Fed im zweiten Quartal 2023 möglicherweise erst Mitte 2024 eine Rezession auslösen wird“, erklärt Stealey. „Für uns bedeutet der Kampf der Fed gegen die Inflation, dass eine Rezession bevorsteht“, fährt Stealey fort. Darauf gelte es, Portfolios vorzubereiten. Eine Unsicherheit sei allerdings, bis zu welcher Höhe die Notenbanken die Zinserhöhungen noch fortführen. „Während die Märkte viele Zinsanhebungen eingepreist haben, könnten sich eine Fed-Zinserhöhung auf 6 Prozent oder höher sowie eine EZB-Zinserhöhung auf 4 Prozent negativ auswirken und wahrscheinlich zu neuen Marktschwankungen führen“, erklärt Stealey. Verwerfungen wie im letzten Jahr, mit dem stärksten Rückgang der Anleihekurse seit 1994, seien aber sehr unwahrscheinlich, denn 2022 war ein Ausnahmejahr mit deutlichen Zinserhöhungen in einem selten zuvor gesehenen Tempo. 

Sobald sich das Wirtschaftswachstum abschwächt, ist dies laut Stealey ein positives Signal für die Zentralbanken: „Das belegt, dass sie mit ihrem Kampf gegen die Inflation erfolgreich waren. Das ist kein schlechtes Umfeld für Anleihen von guter Qualität.“

Chancen bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen in Europa

Neben klassischen Staatsanleihen sieht Iain Stealey deshalb Chancen bei Investment-Grade-Anleihen europäischer Unternehmen, wo er neben starken Fundamentaldaten auch attraktive Bewertungen positiv bewertet. „Die Unternehmen in Europa sind gut für einen Konjunkturabschwung gerüstet“, stellt Stealey fest. Das Umsatzwachstum liegt mit 14 Prozent und das Gewinnwachstum mit elf Prozent deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Auch habe sich die Bruttoverschuldung stabilisiert. „Viele Unternehmen haben die Verschuldung auf eines der niedrigsten Niveaus des letzten Jahrzehnts gesenkt. Eine konservative Bilanzverwaltung ist für uns als Anleiheninvestoren entscheidend“, stellt Stealey fest. 

Tipp: Hier kannst du alles Wesentliche zu Anleihen-ETFs nachlesen.

Per se halten sich nach Ansicht von Iain Stealey auch US-Unternehmen gut. „Die Bewertungen auf Basis der Risikoaufschläge sind in Europa letztendlich jedoch überzeugender als in den USA. Das ist der entscheidende Grund, warum wir den europäischen Unternehmensmarkt bevorzugen“, erklärt Stealey. Die Beimischung von Investment-Grade-Unternehmensanleihen, aber auch verbrieften Krediten, könne die Rendite auf 6 bis 7 Prozent bringen – ein Niveau, das nach Meinung von Iain Stealey ausreichen sollte, um über den Rest des Jahres eine positive Rendite nach Abzug der Inflation zu erzielen.

Schwellenländeranleihen im Aufwind

Chancen sieht Iain Stealey in diesem Jahr auch bei Anleihen aus Schwellenländern. Aus makroökonomischer Sicht wirkten Wachstum und Inflation unterstützend für die Emerging Markets. Die Experten von J.P. Morgan Asset Management rechnen für dieses Jahr mit einer Wachstumssteigerung auf vier Prozent, angeführt von China aufgrund der schnelleren Wiedereröffnung nach den Lockdowns. 

Auch wenn sich das Wachstum in den Industrieländern allmählich wieder positiv entwickeln sollte, erwartet Stealey, dass sich die Wachstumsdifferenz (Wachstums-Alpha) zwischen Schwellen- und Industrieländern auf über 2 Prozent verbessern dürfte. Gleichzeitig könnte nach Ansicht von Anleihenexperte Stealey die durchschnittliche Inflation in den Schwellenländern bis Ende dieses Jahres auf 5,5 Prozent sinken – im Vergleich zu 9,5 Prozent zu Beginn dieses Jahres. „Wir erwarten im zweiten Quartal eine stärkere Disinflation in den Schwellenländern, die von einer Kombination aus Basiseffekten, Rohstoffen und der restriktiven Geldpolitik angetrieben wird“, erklärt Iain Stealey. 

In vielen Schwellenländermärkten sind nach Einschätzung von Stealey immer noch Renditen zwischen 5,5 bis 7,5 Prozent möglich, selbst wenn Währungsrisiken abgesichert werden. Im Vergleich dazu würden etwa US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren mit weniger als vier Prozent gehandelt. Wichtig sei, in diesem Bereich sehr selektiv vorzugehen. 

Jenseits klassischer Benchmark-Ansätze

Orientiert sich ein Portfoliomanager an einer Benchmark, reduziert dies naturgemäß seine Anlagemöglichkeiten und es steht oft nicht das gesamte Risiko-Rendite-Spektrum zur Verfügung, das der Anleihenmarkt – vom risikoarmen Geldmarkt bis hin zu spekulativen Hochzins- und Schwellenmarktanleihen – bietet. 

Eine Abkehr der Anleiheportfolios von der Benchmark-Orientierung hin zu indexunabhängigen, flexiblen Ansätzen kann wiederum die Chance bieten, das gesamte globale Anleihespektrum auszunutzen und unterschiedliche Quellen festverzinslicher Erträge zugleich zu erschließen. Neben dem Ertrag ist auch der Diversifikationseffekt ein wichtiger Faktor, denn die Korrelationen verschiedener festverzinslicher Anlageklassen zueinander sind sehr unterschiedlich: Während der Zusammenhang zwischen Staatsanleihen und hypothekarisch besicherten Anleihen in der Regel sehr hoch ist, weisen beispielsweise Hochzinsanleihen eine relativ geringe bis teilweise negative Korrelation zu Staatsanleihen auf. Ein flexibler Ansatz berücksichtigt diesen Zusammenhang entsprechend.