Der Zinsgipfel ist womöglich erreicht – wie geht es weiter?
Die großen Notenbanken stehen vor dem Zinsgipfel oder haben ihn schon erreicht, meinen Experten von Moventum Am. Das sollten Anleger wissen.
Sehr viel weiter aufwärts dürfte es vorerst nicht gehen – in den USA aufgrund der tendenziell nachlassenden Inflation, in der Eurozone zusätzlich wegen des schwachen Wachstums. „Für Anleiheinvestoren eröffnet sich damit wieder die Aussicht auf Zinssenkungen, von denen insbesondere das lange Laufzeitende profitieren könnte“, sagt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM.
Der Zinsgipfel ist in Sicht
Die Notenbanken halten an ihrer restriktiven Geldpolitik weiter fest, auch wenn die Zinsgipfel (bald) erreicht sein dürften. Angesichts einer weiter hohen Inflation in der Eurozone von 5,2 Prozent im August hat die Europäische Zentralbank auf ihrer jüngsten Sitzung die Leitsätze um weitere 25 Basispunkte angehoben. Obwohl die EZB ihre Inflationsprognose erhöht hat und für 2024 ebenfalls mit einem Wert von über drei Prozent rechnet, dürfte der Zinsschritt vorerst der letzte gewesen sein, wie die Experten von Moventum AM glauben. Die Teuerung geht langsam zurück und die Konjunktur in der Eurozone ist nun so gedrosselt, dass ein überraschendes Anziehen der Inflation unwahrscheinlich ist.
In den USA hat die Zentralbank Fed die Leitzinsen im September unverändert gelassen. Zwar lag die Inflationsrate im August bei 3,7 Prozent und damit deutlich über dem Zielwert der Fed. Gleichzeitig lässt der Teuerungsdruck tendenziell nach. Für das kommende Jahr rechnen die US-Notenbanker mit einem Wert von 2,5 Prozent. Die Fed-Projektionen zeigen für dieses Jahr unverändert eine weitere Zinsanhebung und für die kommenden Jahre Zinssenkungen. „Ausschlaggebend wird unter anderem die zukünftige Entwicklung des Arbeitsmarktes sein“, sagt Gerlinger. „Zuletzt war dort eine leicht abnehmende Dynamik festzustellen.“ Neben höheren Anträgen auf Arbeitslosenunterstützung schwächte sich erfreulicherweise auch der Anstieg der Arbeitskosten leicht ab.
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Der US-Dollar profitiert davon, dass sich bislang noch keine signifikante Konjunkturabschwächung in den USA bemerkbar gemacht hat. Seine weitere Entwicklung hängt vom Konjunkturverlauf und der US-Geldpolitik ab. Von einer Zunahme geopolitischer Unsicherheiten könnte er ebenso profitieren. „Fundamental betrachtet bleibt der US-Dollar überwertet“, so Gerlinger, „aber so lange die Wachstumsdaten der USA deutlich besser als die der Eurozone bleiben, erwarten wir einen unverändert starken Dollar, der sich in einer engen Bandbreite von 1,05 bis 1,10 bewegen dürfte.“
Bei US-Staatsanleihen hatte im Vorfeld der Fed-Sitzung die Erwartung noch mindestens eines weiteren Zinsschrittes auch am langen Ende wieder zu einem vorübergehend deutlicheren Renditeanstieg geführt. „Aufgrund der sehr inversen Zinsstrukturkurve betrachten wir das kurze Laufzeitenende mit einer Rendite in Höhe von 5,48 Prozent als interessant“, so Gerlinger. Das lange Ende ist bedingt durch eine erwartete Rezession und rückläufige Inflationsraten ebenfalls aussichtsreich.
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Bei US-Unternehmenspapieren hatten sich in den vergangenen Wochen die Renditeabstände bei High Yields (HY) und im Segment Investment Grade (IG) sukzessive eingeengt. Im HY-Segment liegt der Spread aktuell bei rund 382 Basispunkten, im Juni 2023 waren es noch 450 Basispunkte. Weiterhin liegen die eingepreisten Ausfallraten immer noch über den tatsächlichen Ausfallraten. „Das aktuelle HY-Renditeniveau halten wir mit rund 8,5 Prozent zwar für interessant“, so Gerlinger, „jedoch spiegelt der Spread unserer Meinung nach die Rezessionsgefahr nach wie vor nicht wider.“ Das Renditeniveau von Unternehmensanleihen von 5,9 Prozent ist für Dollar-Anleger attraktiv.
Von der Entwicklung der US-Staatsanleihen werden die Renditen der Bundesanleihen beeinflusst. Im Zuge einer wirtschaftlichen Abschwächung ist eher mit fallenden Zinsen und Renditen zu rechnen. Bei europäischen Hochzinsanleihen bleibt das Renditeniveau mit rund 7,1 Prozent weiter interessant. „Allerdings spiegelt unserer Meinung nach auch hier der Spread die Rezessionsgefahr aktuell nicht wider“, mahnt Gerlinger. Angesichts der höheren Renditen auf Staatsanleihen ist dagegen das Renditeniveau von IG-Papieren (4,4 Prozent) nicht mehr wirklich attraktiv.
„Insgesamt sehen wir die Rentenseite weiterhin zweigeteilt“, so Gerlinger. „Im kurzen Laufzeitenbereich erwarten wir zunächst keine fallenden Renditen.“ Vor dem Hintergrund einer sich weiter eintrübenden Konjunktur baut Moventum in einem weiteren Schritt noch einmal High Yield ab – im Falle einer Rezession kann das Segment besonders stark unter Druck geraten. Das verbleibende HY-Exposure bewegt sich schwerpunktmäßig im kurzen Laufzeitbereich.
Vorteile für Staatsanleihen?
Aufgrund des geschmolzenen Renditevorsprungs von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen und vor dem Hintergrund einer möglichen Spreadausweitung im Zuge der steigenden Rezessionsgefahr wird das Segment der Staatsanleihen erhöht. „Zudem erhöhen wir noch einmal leicht die Duration, da das lange Laufzeitende von der Fantasie auf Leitzinssenkungen profitieren kann.“