Ausblick: Was können wir 2024 vom Finanzmarkt erwarten?
Experten Blicken verhalten positiv auf den Finanzmarkt. Trotz Rezessionsgefahr in den USA könnten die Aktienkurse 2024 wieder steigen.
Lass dich nicht von dem vermeintlich düsteren Einstieg in diesen Beitrag täuschen. Durch das nachlassende Wirtschaftswachstum in China und den chinesischen Anteil am Welt-BIP, wird wohl das globale Wachstum sinken. Auch das aktuelle Zinsniveau wird dazu beitragen, dass Investitionen verschoben werden und sich damit das Wirtschaftswachstum reduziert, wie die Experten der St. Galler Kantonalbank Deutschland meinen. Doch Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner und Reuschel, sieht den Zinsgipfel bereits im Kommen: „Mit Blick auf 2024 gehe ich auch von Zinssenkungen der Notenbanken aus. Die Diskussionen darüber werden wir in den USA und Europa schon in den kommenden Monaten erleben. Ich rechne mit einer ersten Leitzinssenkung in den USA im Frühjahr.“
Was bedeutet der Zinsgipfel für den Finanzmarkt?
Fallen die Zinsen wieder auf breiter Flur, so werden Aktien erneut attraktiver. Das Phänomen haben wir jahrelang beobachtet. „Trotz der geopolitischen Entwicklungen sehe ich diese seit der Zinswende Mitte 2022 als wichtigsten Faktor für die Börsen an. Das mögliche Erreichen des Zinsgipfels nährt die Hoffnung der Aktionäre“, so Mumm. Technologie sieht der Experte generell als den Schlüssel für die Zukunft und die Antwort auf die Herausforderungen der kommenden Jahre. „Wir brauchen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen viel mehr und effizientere Maschinen, die es uns ermöglichen, mit weniger menschlichem Input mehr Output zu generieren. Und das ist KI, das ist Blockchain“, führt Mumm aus. Hier pflichten ihm auch andere Experten bei.
Die Anlageprofis der St. Galler Kantonalbank Deutschland sehen das ähnlich und erklären ihre Präferenz für US-Tech-Werte. Gleichzeitig richte man den Fokus auf Qualitätswerte, also Unternehmen mit einer starken Marktstellung, einer hohen Eigenkapitalverzinsung, soliden Bilanzen, einer attraktiven Cashflow-Generierung und strukturellem Wachstum. In diesem Zusammenhang sei auf Burggraben-ETFs verwiesen. Gemeint sind damit starke Marken, die eine nahezu unantastbare Stellung haben.
Wie sieht es mit Deutschland aus?
Fehlende Innovationen, falsche Anreizsysteme, Überregulatorik und eine zu geringe Produktivität dazu, dass Deutschland weiter von Beobachtern als der „kranke Mann Europas“ angesehen wird. Dennoch sieht Mumm den Dax Ende 2024 bei 17.300 Punkten. Deutlich optimistischere Prognosen dürften auch eher die Ausnahme bleiben. Denn auch die Dynamik aus China fehlt, die der Exportnation Deutschland früher in die Karten spielte.
Was macht China?
Auch in China sehen Experten einige strukturelle Probleme. „Der Immobiliensektor wurde jahrelang dazu missbraucht, das Wachstum anzukurbeln. Heute haben wir Geisterstädte und das Platzen der Immobilienblase. Der Staat muss versuchen, Ansteckungseffekte zu vermeiden – etwa auf die Bankenbranche. Das bremst die Wachstumsdynamik in China, allein weil der Bausektor in den Jahren vor Evergrande der wichtigste Sektor war“, so Mumm. Aber auch die Demografie ist ein Problem sowie die zunehmend ideologisch geführte chinesische Politik dämpfen die Erwartungen.
Tipp: Im Rahmen des Treffens mit Carsten Mumm haben wir außerdem über die neue Weltordnung, die Rolle Deutschlands und Chancen für Anleger gesprochen. Diesen Teil des Interviews findest du ab Ende Januar in der Extra-Magazin-Ausgabe 2/2024. Schau also gleich zu unserem Shop. |
Ist Indien das neue China?
Indien hat China in Sachen Einwohner bereits eingeholt und strebt bereits Richtung 1,5 Milliarden Bürger. Kann das in Sachen Wirtschaftskraft auch passieren? „Indien wird China so schnell nicht überholen, aber es wird mit Sicherheit deutlich aufholen. Schon allein bei den Wachstumsraten wird China in den nächsten Jahren realistischerweise bei vier bis viereinhalb Prozent liegen und Indien eher im Bereich von sechs Prozent rangieren“, erklärt Mumm.
Die USA im Wahljahr
Im größten Kapitalmarkt der Welt stehen 2024 Präsidentschaftswahlen an. Dieses Ereignis hält Mumm gar nicht für so entscheidend. Viel wesentlicher sei die Zinspolitik der Notenbank. Und diese sollte nach seiner Einschätzung bereits im Frühjahr die Leitzinsen senken. Ein Grund dafür seien die mittlerweile deutlich sinkenden Inflationsraten zu sehen. „Daneben dürften wir in den USA eine konjunkturelle Abkühlung sehen. Bereits der letzte Arbeitsmarktbericht war klar schwächer. Außerdem sind die Einkaufsmanagerindizes mau ausgefallen“, meint Mumm. Ähnlich sehen das die Experten von Allianz Global Investors. Sie rechnen mit einer Rezession in den USA. So erwarten die meisten Ökonomen eine „weiche Landung“ der US-Wirtschaft.
„Das wiederum würde der US-Notenbank (Fed) Räume ermöglichen, eine Leitzinssenkung im Frühjahr vorzunehmen. Ich halte es für realistisch, dass wir bis zu zwei weitere im Sommer sehen. Dann dürfte erstmal eine Pause eintreten, da man nicht allzu nah am US-Wahltermin im November aktiv werden will. Die Fed könnte somit in Vorleistung gehen“, legt Mumm dar.
Wohin geht die Reise?
China ist nicht mehr der Wachstumsfaktor schlechthin, dafür ist Südostasien, allen voran Indien, im Kommen. Im bedeutendsten Kapitalmarkt, also in den USA stehen Wahlen an. Diese dürften aber weit weniger Einfluss auf die Märkte haben als die Zinspolitik. Die wohl wieder fallenden Zinsen dürften dem Aktienmarkt Luft geben. Das sollte jedoch hierzulande nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Wirtschaft derzeit im Vergleich zu anderen Industrieländern keine gute Figur macht. Experten sind sich einig, dass länderübergreifend Technologie die entscheidende Sparte für die Zukunft sein wird. Anleger können gezielt einen Tech-ETF, wie den iShares NASDAQ 100 UCITS ETF (WKN: A0YEDL) in ihr Depot aufnehmen.
Das ist aber nicht zwingend notwendig, da in breiten Welt-ETFs die Technologiebranche ohnehin einen relativ hohen Anteil einnimmt. Neben der Tech-Sparte hat Mumm auch zyklische Branchen im Visier, weil hier ein gewisses Aufholpotenzial läge. Der MDax ist im Übrigen deutlich zyklischer als der Dax. Doch Achtung vor zu viel Heimatliebe im Depot, Home-Bias zählt zu den häufigsten Anlegerfehlern.
Das rät die Expertin für 2024
„Anleger können sich ein gut ausgewogenes Aktienportfolio wie eine Pyramide vorstellen. Das Fundament könnten Multi-Faktor-, Low-Volatility-Strategien bilden. Die Ebene darüber könnte aus Quality Value-, Growth- und Dividenden-Aktien bestehen“, rät Virginie Maisonneuve, Global CIO Equity bei Allianz Global Investors. An der Spitze der Pyramide könnten laut Maisonneuve Bereiche stehen, die weiter Potenzial für Kapitalwachstum bieten würden, entweder über einen Mehrthemen-Ansatz oder durch eine Fokussierung auf einzelne Themen wie Cybersicherheit, KI, Klimawende, Ernährungssicherheit oder Wasser.“ Allerdings solltest du es mit solchen Themen-Investments nicht übertreiben, sie sind riskanter als breit streuende Welt-ETFs. Daher bietet sich hierfür die sogenannte Core-Satellite-Strategie an.