Aktienmärkte: Keine Jahresendrallye, aber Hoffnung für 2023?
Inflation, steigenden Zinsen, Energieknappheit, Rezession und der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Viel schlimmer kann es eigentlich kaum mehr kommen. Das ist die gute Nachricht. Die Aktienmärkte dürften nach den heftigen Kursverlusten der zurückliegenden Monate das Gros der negativen Nachrichten weitgehend eingepreist haben.
Beispiel VW und Porsche. Der Börsengang der Sportwagenmarke Porsche ist gelungen, der Kurs ist nach dem IPO erst einmal über den Ausgabepreis gestiegen. Die VW-Aktie ist gleichzeitig wie ein Stein gefallen, obwohl dem Konzern noch 75 Prozent an Porsche gehören. Erfahrungsgemäß übertreiben die Aktienmärkte irrational. Derzeit klar nach unten.
Druck auf Notenbanken lässt nach
Die größte Belastung stellt aktuell die hohe Inflation dar. Diese dürfte sich im kommenden Jahr zurückbilden. Der Ölpreis hat sich seit seinem Hoch im März um rund 30 Prozent verbilligt. Angesichts der Rezession scheint es eher unwahrscheinlich, dass 2023 ein erneuter Anstieg von rund 60 Prozent zu erwarten ist. Ähnliches gilt für Erdgas. Die gut gefüllten Speicher und die Einsparungen der Industrie könnten dafür sorgen, dass es im Winter nicht zu den befürchteten Engpässen kommt. Bei den Energiepreisen, die zu den wichtigsten Inflationstreibern zählen, könnte es also Entspannung geben. Das dürfte Spielräume für die Geldpolitik eröffnen. Wenn sich die Inflation stärker zurückbilden sollte als derzeit erwartet, könnten Fed und Co. den Fuß von der Bremse nehmen und die wirtschaftliche Entwicklung wieder in ihre Entscheidungen einbeziehen.
Gleichzeitig besteht die Hoffnung, dass die Rezession vergleichsweise mild ausfallen wird. Denn die Arbeitsmärkte zeigen sich in den USA und in Europa noch vergleichsweise robust. Angesichts des Mangels an geeignetem Personal in fast allen Bereichen der Wirtschaft halten sich die Unternehmen mit Entlassungen zurück, selbst wenn das Geschäft nicht rund läuft. Hinzu kommt, dass die Lage bei den Unternehmen bislang gar nicht so schlecht ist. Zwölf der 40 Dax-Konzerne haben zuletzt ihre Ausblicke für das Gesamtjahr angehoben. Doch die Börse reagiert derzeit vor allem auf Gewinnwarnungen. Positive Meldungen finden kaum Gehör.
Hohe Cashquoten
Der größte Hoffnungsschimmer für die Aktienmärkte geht von dieser negativen Stimmung aus. Die Cashquoten der Anleger sind hoch. Diejenigen, die für die Märkte negativ gestimmt sind, sollten sich mittlerweile von den Beständen getrennt haben. Der Dax hat schon ein neues Jahrestief markiert. Was noch fehlt, ist der finale Ausverkauf, die Kapitulation. Auf kürzere Sicht sieht es für die Aktienmärkte also eher düster aus. Im nächsten Jahr könnte es dann aber wieder aufwärtsgehen.
Vielleicht gibt es im Krieg in der Ukraine doch irgendwann einen Waffenstillstand und Verhandlungen. Zumindest scheinen Indien und China langsam etwas Druck auf Moskau aufzubauen.
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Wenn Anleger auf eine Erholung setzen, sollten sie nicht unbedingt den breiten Markt per ETF kaufen, auch wenn der insgesamt derzeit preiswert ist. Der Dax zum Beispiel kommt aktuell gerade einmal auf ein KGV von zehn. Doch letztendlich kauft man mit dem Indexfonds all die Aktien mit, die man eigentlich gar nicht besitzen will.
Als aussichtsreicher dürfte sich gut überlegtes Stock-Picking erweisen. Selbst im derzeitigen Bärenmarkt gibt es Titel, die sich relativ robust gehalten haben. Gesellschaften mit stabilem Geschäftsmodell und hoher Preissetzungsmacht dürften die schlimmsten Zeiten gut überstehen. Das wird sich 2023 nicht ändern.
Über den Autor: Thomas Buckard
Thomas Buckard ist Vorstand der Michael Pintarelli Finanzdienstleistungen AG in Wuppertal