5. August 2022
Absicherungsstrategien: So können Anleger ihr Vermögen sichern

Absicherungsstrategien: So können Anleger ihr Vermögen sichern

Klangvolle Begriffe gibt es in der Finanzbranche viele – und manche sind schon im Begriff selbst ihre eigene Erklärung. Der Begriff der Absicherungsstrategien fällt in diese Kategorie. Gerade im Privatkundengeschäft werden Kapitalanleger regelmäßig von Bankberatern mit diesem Begriffspaar konfrontiert.

Man würde ein Wertpapierdepot „absichern“ – ja wogegen denn überhaupt? Und womit? Gibt es überhaupt Absicherung – und wenn, dann in welchem Umfang, mit welchen Vehikeln und zu welchen Kosten? Der Begriff einer Absicherungsstrategie ist erst einmal inhaltsleer, ohne auf das, was abgesichert werden soll, zu schauen.

Seit Jahresbeginn haben wir es mit massivem Druck auf die Kapitalmärkte zu tun – und zwar auf die Finanzierungs- und Aktienmärkte gleichermaßen.

Vermögen absichern – aber wie?

Denken Anlegerinnen und Anleger über eine Absicherung ihres Vermögens nach, können sie sich dem Thema von mehreren Seiten nähern. Dabei spielen die Absicherungen von Kursverlusten zumeist die zentrale Rolle. Der wichtigste Aspekt ist, überhaupt erst einmal auszuschließen, wogegen er sich nicht absichern kann, nämlich gegen Inflation und die Marktzinsentwicklung aus Sicht eines Wertpapierdepots. Da der Einsatz von Zinsderivaten für Privatanleger zumeist nicht in Frage kommt, richtet sich der Blick auf die Kursentwicklung. Sie ist offensichtlich und kann tatsächlich auch von Privatanlegern zumindest teilweise beeinflusst werden.

Die wichtigste Frage dabei ist immer: Wie ist mein Depot überhaupt strukturiert, hat es das nötige Volumen und kann ich überhaupt teilweise oder insgesamt absichern? Hier muss von vornherein unterschieden werden, ob ein Wertpapierdepot als solches gegen Kursverluste abgesichert werden kann oder ob die Struktur des Depots nur Einzelfallabsicherungen zulässt. Ist ein Depot sehr kleinteilig aufgestellt, sei es durch eine üppige Länder- und Branchenallokation über ETFs oder aktiv gemanagte Fonds, kann es zumeist als solches nicht über eine Referenzinvestment wie zum Beispiel einen Future in seiner Gesamtheit abgesichert werden.

Besteht im Depot ein starker Indexbezug, weil der Investor sich beispielsweise auf hoch kapitalisierte DAX – Titel fokussiert, wird die Sache einfacher. Der versierte Privatanleger mit fokussiertem Blick auf die Kapitalmärkte wird sich mit einer Absicherung seiner Bestände leichter tun als klassische Privatanlegerinnen und -anleger, die dem zwanghaften Paradigma unbedingter Risikostreuung über Assetklassen und Länder in der Vergangenheit folgten.

Verschiedene Absicherungsstrategien

Nehmen wir also einen Anleger, der ein Wertpapierdepot von 500.000 Euro aufgebaut hat und darin überwiegend in ausgewählten und gut recherchierten Einzelaktien aus dem DAX und S&P 500 investiert ist. Dieser Anleger verfügt außerdem über eine zusätzliche, frei verfügbare Liquidität von 500.000 Euro, sodass mit dieser Ausgangslage die Partizipation seines Depots an den Kapitalmärkten 50 Prozent beträgt. Für so einen Anleger gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, sein Depot zumindest teilweise gegen Kursverluste abzusichern:

Dynamische Handelsstrategie

Er verfolgt eine dynamische Handelsstrategie, durch Liquiditätsmanagement einzelne Positionen im Depot zu verstärken, indem er fallweise und marktnah nachkauft, also seinen Einstandskurs verbilligt. Diese Vorgehensweise muss dem Volumen der Position angemessen sein, wodurch ratierliches Nachkaufen hier blanker Unsinn wäre. Hat der Anleger zum Beispiel eine Position von 20.000 Euro in der Deutschen Post AG und will mit Blick auf die aktuelle Bewertung des Titels seinen Einstandskurs absenken, muss er diese Entscheidung situativ und angemessen treffen.

Mit Hilfe von Kursmarken, die sich aus charttechnischen Betrachtungen ableiten lassen, kann er dann zum Beispiel entscheiden, welchen Kurs er als Einstand haben will und wieviel Liquidität er dafür nachinvestieren soll. Über eine Watchlist kann er dann Kursmarken definieren und beim Erreichen entscheiden, ob er verkaufen wird oder die Position halten möchte

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Short-ETFs

Eine weitere dynamische Strategie ist die über den Einsatz von Short – ETFs auf einen Aktienbestand: Der Anleger hat ausschließlich DAX – Titel im Wert von 100.000 Euro im Depot und mit diesen Titeln eine Korrelation von 0,9 an der Indexentwicklung vom DAX. Diese hat er auf der Basis einer Korrelationsmatrix zum Beispiel für die letzten 30 Tage festgestellt und in der Gesamtheit seines Bestandes berechnet. Nun kann er einen Short ETF gegen seine Aktien in Höhe von 110.000 Euro kaufen, um eine Korrelation von möglichst eins zu erhalten. Bei dieser long/ short Strategie erwirbt der Anleger eine Indexposition, die er nun auch getrennt vom Basisbestand seiner Aktien handeln kann.

Auch bei dieser Absicherung handelt der Anleger wie im ersten Fall mit der Wahrscheinlichkeit, dass der Markt nach einer Abwärtsphase im Short Term Bereich weniger Monate drehen und dann wieder ins plus dreht. Im zweiten Fall wird der Anleger seinen Short ETF mit Gewinn verkaufen, den Gewinn separieren und das eingesetzte Kapital von 110.000 Euro in seinen Aktienbestand investieren. Im nächsten Schritt verfährt er wie im ersten Fall beschrieben.

Einsatz von Derivaten

Wenn der Anleger Derivate einsetzen möchte, kann er dies beispielsweise über einen Delta Hedge machen. Der Anleger setzt seiner abzusichernden Position ein Derivat entgegen, welches im Wert steigt, wenn der Basiswert fällt. Hierbei ist eine profunde Sachkenntnis derivativer Instrumente unbedingt erforderlich, um die erheblichen- und damit verbundenen Risiken abschätzen zu können.

Delta Hedge auf einen Einzeltitel:

Delta Hedging bedeutet eine Absicherung („Hedging“) über die Optionspreissensitivitätskennziffer „Delta“. Dabei ist das Delta eine der wichtigsten Kennziffern bei der Preisbildung einer Option überhaupt. Es beschreibt die Wertveränderung einer Option, wenn der Basiswert beispielsweise um einen EURO variiert. Ziel ist es dabei, dass sich im Falle des Einsatzes einer Put-Option der Ausübungspreis über dem Kurs des Basiswerts, hier der Deutschen Post AG, befindet. Die Option befindet sich im Geld, der Anleger hat einen Gewinn gemacht. Vorausgesetzt wird, dass das Bezugsverhältnis zwischen der Aktie und dem Optionsschein 1:1 beträgt. Liegt es 0,1, benötigt der Anleger für eine Aktie das Äquivalent von zehn Optionsscheinen.

Einsatz von Call – Optionen bei gedeckten Geschäften

Dass klassische Stillhaltergeschäft über den Verkauf von Call – Optionen ist eine Teilabsicherungsstrategie, die einen Aktienbestand von mindestens 100 Aktien durch ein Gegengeschäft, nämlich den Erhalt einer Prämie bis zu dessen Höhe absichert. Bei Privatanlegern wird der direkte Handel von Optionen über die EUREX eher selten eingesetzt, denn die Kontraktgröße von 100-er Schritten bedarf eines signifikanten Aktienbestandes. Auch ist hier erneut profunde Sachkenntnis erforderlich. Meist wird diese Strategie auch nicht für eine Teilabsicherung gegen Kursverluste angewendet, sondern, um über die Prämie einen Zusatzertrag neben der Dividende auf die zugrunde liegende Aktie zu generieren.

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Einsatz von Aktienanleihen

Mit Aktienanleihen werden hohe, oft zweistellige Jahreszinsen auf den sogenannten Basiswert ausgezahlt – eine Aktie oder einen Index. Je nach Entwicklung des Basiswerts kann der Emittent am Laufzeitende wählen, ob er bei Fälligkeit den Nennbetrag oder eine vorher festgelegte Anzahl von Aktien liefern wird. Aktienanleihen sind eine Kombination aus einem Zero Strike Call auf einen Basiswert mit einem Short Put. Sie werden zumeist in Nominalstückelungen von 1000 Euro emittiert und sind mit einem fixen Zinscoupon ausgestattet. Dieser Zins *, angegeben als Jahreszins, wird anteilig der Haltedauer dem Anleger immer zu Laufzeitende ausgezahlt.

Wie sich Aktien- bzw. Indexanleihen entwickeln, hängt wesentlich von der Entwicklung des Basiswerts ab. Abgebildet wird allerdings nicht der Wert des zugrunde liegenden Basiswertes, sondern des Short Puts.

Bei Aktienanleihen muss der Anleger eine eigene Position aufbauen, denn er kann damit keinen Bestand teilabsichern und auch keine Handelsstrategie eingehen. Das dürfte ein Grund sein, warum Aktienanleihen (…wie auch Discountzertifikate) im Privatkundengeschäft zumeist als eigene Anlageklasse gehandhabt werden und nicht als Sicherungsinstrument eines Bestandes Verwendung finden. Gelegentlich werden Aktienanleihen, soweit sie signifikant hohe Coupons haben, parallel zu bereits bestehenden Aktienpositionen gekauft.

Fazit:

Manche Absicherungsstrategien, die im institutionellen Bereich angewendet werden, können auch von Privatanlegern gemacht werden, soweit sie mit Produkten verbunden werden, die für Privatanleger zugelassen und reguliert sind. Der Einsatz solcher Instrumente setzt aber stets profunde Fachkenntnis, eine unbeirrte Markterwartung des Anlegers, Mut und nicht zuletzt auch das entsprechend strukturierte Depot mit taktisch einsetzbarer Liquidität voraus. Das gilt für dynamische und statische Strategien gleichermaßen. Sind diese Basisvoraussetzungen gegeben, wird der Einsatz von Absicherungsstrategien auch für Privatanleger sinnvoll.

Über den Autor: Henning Kirsch

Henning Kirsch, Vermögensverwalter bei der Hansen & Heinrich AG, Frankfurt/ Main