Zeiten ändern sich: Hat der US-Dollar als Weltwährung ausgedient?
Immer wieder werden Stimmen laut, dass dem US-Dollar seine Funktion als Weltleitwährung abhandenkommen würde. Die Ablösung durch ein anderes Zahlungsmittel sei nur eine Frage der Zeit. Ein Blick auf die potenziellen Nachfolger schafft Klarheit.
Was haben der portugiesische und spanische Real, der niederländische Gulden, die französische Livre, das britische Pfund und der US-Dollar gemeinsam? Seit Anfang der Globalisierung im 16. Jahrhundert waren sie alle eine führende Weltwährung. Weltwährung bedeutet, die Währung zu sein, in der die meisten internationalen Transaktionen durchgeführt und die meisten Währungsreserven von Ländern gehalten werden.
Weitere wesentliche Bedingungen sind unter anderem eine hohe institutionelle Qualität des Landes der Weltwährung, freier Kapitalfreiverkehr, tiefe, liquide Märkte für risikofreie Assets, Stabilität in ökonomischen und Finanzmarkt-bedingten Stresssituationen und die Bereitschaft des Weltwährungslandes, mit Leistungsbilanzdefiziten zu leben. Wer über die Ablösung des US-Dollars diskutiert, muss prüfen, inwiefern der Greenback die genannten Kriterien (noch) erfüllt. Zum anderen ist die Frage zu stellen, ob sich Herausforderer tatsächlich aufdrängen.
Mögliche Konkurrenten für US-Dollar
Grundsätzlich erfüllt der Euro fast alle Bedingungen, um dem US-Dollar den Status streitig zu machen. Das einzige wesentliche Manko der europäischen Gemeinschaftswährung ist das Fehlen tiefer liquider Märkte für quasi risikofreie Assets. So gibt es praktisch keine von den Staaten der Eurozone gemeinsam emittierten und garantierten Staatsanleihen („Eurobonds“). Deutsche Bundesanleihen gelten zwar als risikofreies Asset, machen aber nur 3,6 Prozent des weltweiten Marktes für Staatsanleihen aus. Der Markt für US-Staatsanleihen ist um das Zehnfache größer. Ohne Fiskalunion der Euro-Staaten wird der Euro weiterhin der kleine Bruder des US-Dollar bleiben.
Der chinesische Renminbi spielt in der Weltwirtschaft eine nur sehr untergeordnete Rolle. Damit der Renminbi überhaupt eine Chance hätte, zur dominanten Weltwährung zu werden, müsste China den Kapitalverkehr liberalisieren. Dies würde bedeuten, dass die Regierung die Kontrolle über den Wechselkurs aufgeben müsste.
Gleichzeitig müsste die Qualität der Institutionen wesentlich verbessert werden. Ein transparentes politisches System sowie politisch unabhängige Aufsichtsbehörden und ein freies Justizsystem wären die absoluten Grundvoraussetzungen. Dies erscheint äußerst unwahrscheinlich und würde viele Jahre in Anspruch nehmen.
Sind Kryptos eine Alternative?
Bliebe der Bitcoin, der von vielen Kryptoanhängern als künftige Weltleitwährung gesehen wird. Es hat sich gerade erst wieder gezeigt, dass er in Krisensituationen genau das Gegenteil eines sicheren Assets ist. Außerdem würde seine stark begrenzte Vermehrung deflationäre Effekte verursachen und die globale Volkswirtschaft nicht mit hinreichender Liquidität versorgen können. Diese Eigenschaften des Bitcoin machten ihn zu einer potenziellen Alternative zu Gold, keinesfalls aber zu einer möglichen Weltwährung.
Wer also das Lied auf den Tod des Dollar jetzt anstimmt, singt deutlich zu früh.
Rui Soares ist Investment Professional bei der FAM Frankfurt Asset Management AG in Frankfurt am Main
Autor Redaktion
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Zuletzt sank der Euro kurzfristig unter die Ein-Dollar-Marke. Die weltwirtschaftlichen und politischen Verwerfungen und die ewig lange Untätigkeit der EZB führten zu einem Vertrauensverlust und begünstigten den Anstieg des US-Dollars.
Verglichen mit dem US-Dollar ist der Euro derzeit so schwach wie seit Anfang des Jahrtausends nicht mehr. Was bedeutet das für die Geldanlage mit ETFs?
Die Parität zwischen dem Euro und Dollar war absehbar. Jüngst trat sie dann auch ein. Im Vergleich zum Greenback ist die europäische Gemeinschaftswährung so schwach wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Für die Unternehmen, den Aktienmarkt und die Anleger muss ein schwacher Euro nicht nachteilig sein.