
Renten-Streit in der Bundesregierung: Experten fordern das Altersvorsorgedepot
Die Junge Union sperrt sich gegen das Rentenpaket der Bundesregierung. Experten und Verbraucher fordern längst das Altersvorsorgedepot.
„Ich hätte auch nicht geahnt, dass ich bei der Süddeutschen Zeitung mal freundlicher begrüßt werde als bei der Jungen Union“, sagte jüngst Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Es knirscht in der Union und beim Koalitionspartner SPD. Zankapfel ist das Rentenpaket. Die Koalition könnte sogar daran zerbrechen. Der zentrale Begriff ist die sogenannte Haltelinie, also wie hoch die per Gesetz versprochene Rente in Zukunft sein soll. Grundsätzlich besagt das Rentenniveau, wie hoch die Rente eines Ruheständlers, der 45 Jahre lang zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn ausfällt, das sind derzeit weiterhin 48 Prozent. Strittig ist nun die Frage, wie sehr jetzt schon festgeschrieben werden soll, wie es nach 2031 weitergeht. Beziehungsweise wie die Steigerungen der Rente dann genau berechnet werden sollen.
Kritik wird vor allem aus den Reihen junger Unionspolitiker laut. So moniert die Junge Union, dass die Vorhaben der Bundesregierung für die Rente nach 2031 extrem teuer würden. Sie stören sich vor allem an der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent über das Jahr 2031 hinaus – dies gehe zulasten der jungen Menschen. Zahlreiche Experten sehen im Wesentlichen einen Ausweg: die Einführung des Altersvorsorgedepots. Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits zu „Ampel-Zeiten“ hat FDP-Politiker Florian Toncar für dieses Modell geworben. Dazu siehst du unten ein Youtube-Interview.
Warum wäre ein Altersvorsorgedepot so wichtig?
Der demographische Wandel wirkt sich bereits seit Jahrzehnten negativ auf die Rente aus. So lag das Rentenniveau 1990 noch bei 55 Prozent, heute müssen sich Rentner mit 48 Prozent begnügen. „Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente ist deutlich gesunken“, stellt Claudio de Sanctis, Leiter der Privatkundenbank und Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank, fest. Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland bezweifelt, dass das System langfristig verlässlich ist. Das ist das zentrale Ergebnis des neuen „Altersvorsorge-Report 2025“ von Deutsche Bank und DWS. Aktuelle staatlich geförderte private Altersvorsorgeprodukte wie die Riesterrente sind wegen der enthaltenen Garantien als alleiniges Vorsorgeprodukt nicht ausreichend, wie die Experten des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) feststellen.
| Tipp: Warte nicht auf die Politik. Lege dir einen Sparplan zu und nutze vorher unseren ETF-Sparplan-Vergleich. |
Das Ausland zeigt, wie es geht
Ob es am Ende Altersvorsorgedepot oder Anlagesparkonto heißt, ist zweitrangig. Vielmehr ist es aus Sicht vieler Fachleute unverzichtbar, einer breiten Bevölkerungsschicht den Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. Als ETF-Fan weißt du schließlich, dass mit dem globalen Aktienmarkt auf lange Sicht durchaus sieben bis acht Prozent Jahresrendite drin sind – bei überschaubarem Risiko, wenn man auf Buy-and-Hold setzt.
| Tipp: Erfahre jetzt, wie ein entsprechendes Altersvorsorgedepot in Deutschland aussehen könnte. |
Die Bundesregierung müsste nicht einmal ein vages Experiment machen. Andere Staaten in Europa, wie Schweden, Frankreich oder Italien machen es vor. Seit August gibt es auch in Polen ein staatlich gefördertes Depot. „Viele unserer europäischen Nachbarländer haben ihre Altersvorsorge-Systeme bereits auf ein breiteres Fundament gestellt, indem sie umlagefinanzierte mit kapitalgedeckten Elementen kombinieren“, sagt Björn Deyer, Leiter Altersvorsorge, Versicherungen, IFA, bei der DWS. Ins gleiche Horn blasen auch andere Fachleute: „Andere EU-Länder machen uns vor, wie man mit einfachen Lösungen die Aktien- und Wertpapieranlage stärkt“, meint Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Das verbessere die Teilhabe der Bevölkerung an den Erfolgen der Unternehmen und stärke gleichzeitig die Anlegerbasis für die Unternehmen.
Die EU-Kommission fordert zum Anlagesparkonto auf
Die Bundesregierung könnte sich nicht nur an Nachbarnationen orientieren, vielmehr empfiehlt sogar die EU-Kommission die flächendeckende Einführung eines Anlagesparkontos, was de facto das Altersvorsorgedepot wäre. Gemeint sind letztlich steuerlich geförderte Wertpapierdepots basierend auf Aktien, Aktienfonds, ETFs und andere Wertpapiere. Das Angebot erfolgt privat durch lizenzierte Finanzdienstleister. Zusätzliche Anforderungen wie zum Beispiel Wertgarantien auf den Depotbestand, Haltefristen oder besondere Beratungspflichten gibt es nicht. Das macht nach Einschätzung Peuckers die Anlagesparkonten flexibel in der Handhabung, einfach verständlich und erhöhe den Spielraum für ertragreiche Aktienanlagen. „Wir fordern die Bundesregierung auf, die Initiative der EU-Kommission umzusetzen und auch in Deutschland Anlagesparkonten einzuführen“, so Peucker.
Es führt kein Weg am Kapitalmarkt vorbei
Das Vertrauen in die staatliche Rente geht zurück. „Den Menschen wird immer klarer, dass sie ihren gewohnten Lebensstandard im Alter nur durch zusätzliche private Vorsorge sichern können“, so de Sanctis. Da bist du als ETF-Anhänger bereits auf dem richtigen Trichter. „Ein zentraler Schlüssel für eine auskömmliche Altersvorsorge bleibt der Kapitalmarkt, der einen langfristigen Vermögensaufbau ermöglicht“, fährt de Sanctis fort. Diese Erkenntnis und Erfahrungen anderer Staaten könnten die Bundesregierung zu entsprechenden Änderungen drängen. „Vielversprechend sind deshalb die kommende Reform der Riester-Rente mit einem Altersvorsorgedepot und die geplante Frühstart-Rente. Diese Instrumente könnten nicht nur die Altersvorsorge langfristig sichern helfen, sondern auch der Kapitalmarktkultur in Deutschland einen starken Impuls geben“, meint Deyer.