Nachhaltigkeit mal anders? Dieser Fonds verzichtet gezielt auf ESG-Kriterien
Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren auch in der Geldanlage zu einem wichtigen Thema geworden, immer mehr Fonds- und ETF-Anbieter setzen auf ESG und andere Kriterien. Dass es auch bewusst anders geht, zeigt ein neuer Fonds.
Eine konkrete Vereinheitlichung bezüglich Nachhaltigkeitskriterien in der Geldanlage fehlt bislang, doch die EU arbeitet intensiv an einer Definition, die keine Fragen mehr offenlässt – somit soll auch Green Washing für Unternehmer und Emittenten schwieriger werden.
Dass nachhaltige Geldanlage ebenso erfolgversprechend ist, wie traditionelle Produkte, ist längst keine Frage mehr. ETFs und Fonds, die auf ESG, SRI und andere Nachhaltigkeitskriterien bauen, bieten oft dieselbe Rendite wie andere. Ein neues Produkt setzt nun dennoch gezielt auf „finanzielle Nachhaltigkeit“ – und verzichtet auf eine konkrete Auswahl gemäß ESG.
Hard Value statt Nachhaltigkeit
„Van Grunsteyn“ ist der Markenname der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank, die seit Anfang 2023 den Hard Value Fund anbietet. Das Unternehmen möchte sich nicht von zu engen Kriterien einschränken lassen und erläutert, eine Anlage sei sicherer und würde mehr Rendite abwerfen, wenn sie breit diversifiziert ist.
Tipp: Falls du lieber nachhaltig investieren möchtest, findest du hier eine Auflistung zu Nachhaltigkeits-ETFs.
Als Grund für den neuen Fonds findet sich auf der Website der Hinweis, durch die Einschränkungen stünden „Billionen von Geldern privater und institutioneller Investoren nicht für Anlagen in Unternehmen zur Verfügung“. Der Fonds baut deshalb anstatt auf Nachhaltigkeit auf „Unternehmen mit Substanz, gesundem Cashflow und hohen und stetigen Dividenden“.
Nachhaltige ETFs und Fonds verzichten meist auf Unternehmen, die etwa in Alkohol, Glücksspiel oder Waffen angesiedelt sind. Nicht so der Hard Value Fund. Laut einer Analyse von fondsprofessionell.de enthält der Fonds derzeit 24 Prozent Unternehmen aus dem Bereich Atom und fossile Energien, 21 Prozent Aktien von Rüstungsfirmen und 13 Prozent Anteile von Unternehmen, die ihre Umsätze mit Tabak- und Cannabis-Produkten generieren. So soll ein diverses Portfolio garantiert werden.
Rendite trotz ESG
Für erfahrene Anlegerinnen und Anleger ist es keine Neuigkeit, dass ein gutes Anlagekonzept auf breiter Streuung beruht. Das schließt Nachhaltigkeit jedoch nicht automatisch aus. 2021 schnitt etwa der nachhaltige iShares MSCI World SRI Select UCITS ETF (WKN: A2DVB9) mit einem Zuwachs von 34,57 Prozent besser ab als das nicht-nachhaltige Pendant, der iShares Core MSCI World UCITS ETF (Acc) (WKN: A0RPWH), der 31,16 Prozent dazu gewann. Auch im aktuellen Jahr liegt der nachhaltige ETF (Stand: Mitte März) leicht vor dem Pendant. Die Annahme, dass eine stärkere Selektion von Unternehmen also automatisch zu geringerer Rendite führt, ist ein Trugschluss.
Anlegerinnen und Anleger, die bislang aufgrund einer vermeintlich höheren Renditechance auf nachhaltige Anlageprodukte verzichtet haben, können diese Sorge also getrost vergessen. Dennoch sollten nachhaltige ETFs und Fonds immer gründlich betrachtet werden – denn noch sind die Kriterien, nach denen Nachhaltigkeit definiert wird, nicht vereinheitlicht. Nicht jedes Produkt, dass ein ESG- oder SRI-Label hat, hat tatsächlich keine problematischen Unternehmen im Portfolio. Im als nachhaltig geltenden iShares MSCI Europe ESG Screened ETF (WKN: A2N48D) ist etwa Nestlé enthalten – ein Unternehmen, welches immer wieder stark wegen unethischer Geschäftspraktiken in der Kritik steht. Wer diese Art Firmen also nicht im Depot haben möchte, muss derzeit noch zwei Mal hinschauen. Dies sollte sich mit einer gesetzlich festgelegten Definition ändern.
Autor Katja Brauchle
Katja Brauchle ist eine erfahrene Online-Redakteurin mit einem Schwerpunkt auf Finanzthemen. Nach zwei Jahren Festanstellung bei extraETF ist sie nun nebenberuflich als freie Redakteurin tätig. Sie arbeitet derzeit als Content Strategy Managerin bei der Augsburger Allgemeinen.