Experten: Jahresendrallye beim Dax historisch „wahrscheinlicher“ als bei anderen Indizes
Die Jahresendrallye ist beim Dax besonders ausgeprägt. Die Experten des Online-Brokers XTB blicken dabei auf Zahlen der vergangenen 20 Jahre.
Spekulierst du auf die Jahresendrallye? Setzt man auf die Statistik, so ist diese beim Dax besonders wahrscheinlich. Der deutsche Aktienindex Dax zieht in den letzten beiden Monaten des Jahres im Durchschnitt stärker an als andere Indizes. Das ist eine der Erkenntnisse einer Analyse des Online-Brokers XTB zum Thema Jahresendrally.
Die Jahresendrallye beim Dax
Der Dax hat in den vergangenen 20 Jahren im Durchschnitt im Zeitraum von Anfang November bis Ende Dezember eine Wertentwicklung von rund 2,08 Prozent erzielt und damit teilweise deutlich mehr als der Dow Jones und der Euro Stoxx 50, die auf 1,67 Prozent bzw. auf 0,87 Prozent kommen. „Auf den ersten Blick sind das marginale Unterschiede, aber wenn man berücksichtigt, dass der Dax über 20 Jahre im besagten Zeitraum in jedem Jahr verglichen mit dem Euro Stoxx 50 mehr als das Doppelte an Performance erzielt, ist das schon zumindest bemerkenswert“, so Altan Cantürk, Analyst bei XTB.
Interessant ist bei der Auswertung von XTB auch der Blick auf die Entwicklung einzelner Werte im besagten Zeitraum. So weist von allen aktuellen 40 Werten des Dax mit der Commerzbank (minus 0,84 Prozent) nur ein Titel ein Minus auf. „Man sieht, dass die Jahresendrally, auch wenn sie nicht in jedem Jahr zwingend ein Thema sein muss, grundsätzlich ein Faktor für Anlageentscheidungen sein kann“, so Cantürk.
Und auch der Jahresendrally-Gewinner der vergangenen 20 Jahre ist vergleichsweise überraschend: die Aktie des Technologiekonzerns Siemens – mit einem Plus von 4,25 Prozent liegt sie an der Spitze des Performance-Rankings.
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Was Anleger sich sicher fragen dürften: Wiederholt sich das Schema auch in diesem Jahr? Die aktuelle Situation passt zumindest ins Bild des Ergebnisses des 20-Jahre-Vergleichs. So hat der Dax seit Ende Oktober kontinuierlich zugelegt und Mitte November an Dynamik sogar zugenommen, seitdem die Entwicklung der US-Verbraucherpreise darauf schließen lässt, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen vorerst nicht mehr erhöht. „Während die US-Indizes nach den ersten Impulsen wieder auf der Bremse stehen, da die Investoren offenbar skeptisch sind in Bezug auf die weitere Entwicklung, setzt der Dax eine Aufwärtsbewegung fort, die man wohl mit Fug und Recht als Jahresendrally bezeichnen kann“, erläutert Cantürk.
Der Dax übertraf häufig andere große Indizes
Zu viel Angst trotz deutscher Endrallye?
Die Aussichten für deutsche Aktien sind nicht schlecht. Doch die immer wieder beschriebene „Deutsche Angst“ hält auch die Banken im Griff. Zumindest wenn es um die Prognosen der zukünftigen Börsenentwicklungen geht. „In den vergangenen 20 Jahren unterschätzten die Analysten der Geldhäuser 14 Mal die Entwicklung des Dax, nur 6 Mal waren sie zu optimistisch“, sagt Mathias Beil auf Basis einer Auswertung von Jahresprognosen und Dax-Jahresendständen. „Das wird sich 2023 wiederholen. Anleger können optimistischer sein als die Banken.“
Wir liegen jetzt schon über der Prognose
Die bisherigen Prognosen gehen von einem Dax-Jahresendstand von durchschnittlich 15.047 Punkten aus (Recherche FAZ, Angaben Banken und Vermögensverwalter). „Mittlerweile liegen wir glatte 1.000 Punkte darüber“, so Beil. „Und ein gewaltiger Absturz ist nicht zu sehen.“ Im Gegenteil sprechen viele Faktoren für ein positives Jahresende. Mit dem Überwinden der 16.000-Punkte-Marke im Dax könnte der endgültige Startschuss zur Jahresendrallye gegeben worden sein. Das wird auch befeuert dadurch, dass die Bundesregierung die Schuldenbremse für 2023 aussetzen möchte und somit der Haushalt neu und rechtssicher aufgestellt wird. „Unsicherheit belastet die Börsen, diese Unsicherheit wird jetzt gelöst“, sagt Beil. Zumindest sollten von dieser Seite keine Belastungen ausgehen.
Jahresendrallye mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit
„Dazu kommt, dass die Historie für einen guten Jahresausklang spricht“, so Beil. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Dax im Dezember eine positive Entwicklung hinlegt, liegt im historischen Rückblick bei rund 70 Prozent.“ Das liegt auch am sogenannten „Window Dressing“, bei dem Vermögensverwalter und Banken das Ergebnis ihrer Produkte zum Jahresende ausrichten. „Zumal man immer noch die Wunden aus dem schlechten Jahr 2022 leckt und dem Kunden nicht im zweiten Jahr aufeinander ein ernüchterndes Ergebnis präsentieren möchte“, so Beil.
Denn die – in den Prognosen feststellbare – „Deutsche Angst“ vor dem Optimismus hat bisher dafür gesorgt, dass viele namhafte Vermögensverwalter der Benchmark hinterherlaufen. „Um zum Jahresende nicht mit zu geringen Aktienquoten ein relativ schlechtes Ergebnis kommentieren zu müssen, erwarte ich, dass die Aktienquoten jetzt bis ans Limit hochgefahren werden“, sagt Beil. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Umsätze am Aktienmarkt beflügeln und die Kurse treiben.
Die Jahresendrallye ist robust
Die ersten Nachweise einer beobachteten Jahresendrally lassen sich auf das Jahr 1942 datieren, als S. B. Wachtel seine Erkenntnisse im Journal of Business of the University of Chicago vorstellte. Die Analyse zeigte, dass der Aktienindex Dow Jones Industrial Average in den Jahren 1927 bis 1942 zwischen Dezember und Januar jedes Mal angestiegen war. Auch in der jüngeren Vergangenheit zeigt sich dieser Effekt. So stieg der S&P 500 in 75 Prozent der Fälle zum Jahresausklang.
Was sind die Ursachen für die Jahresendrallye?
Die Jahresendrally ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. „Steuerlich motivierte Verlustrealisierungen und Portfolioanpassungen durch institutionelle Anleger spielen eine Rolle“, sagt Jens Chrzanowski, Chef von XTB Deutschland. Chrzanowski verweist in diesem Zusammenhang auf den bereits thematisierten „Fensterschmuck“-Effekt (Window Dressing). Institutionelle Anleger versuchen, ihre Portfolios zum Jahresende aufzuhübschen. Auch Börsenprofis bei Banken und Fonds werden in Zeiträumen gemessen und bewertet.
„Zum Jahresende hin werden letzte Positionen aufgeräumt oder man möchte unbedingt Aktie X oder Y noch im Jahresabschluss haben, da diese bisher sehr erfolgreich gelaufen sind. So wie Privatanleger zum Jahresende einen Jahresrückblick im Fernsehen und in Zeitungen anschauen, so nehmen dies auch die Profis wahr. Deshalb passiert traditionell oft noch einiges zu einem Jahresende“, so Chrzanowski.
Es ranken sich jedoch etliche Erklärungsversuche um die Jahresendrallye. Eine andere Theorie besagt, dass viele Akteure im Urlaub sind und es so weniger aktive Short Seller im Markt gibt. Am Ende könnte es sich jedoch schlicht um eine selbsterfüllende Prophezeiung handeln. Klar ist aber: Der Effekt ist meßbar, Garantien gibt es aber an der Börse nie.