Unzuverlässiger Schutz vor Inflation
Etwas Gold im Portfolio ist gut – erst recht, wenn sein Preis wie in den vergangenen Wochen endlich wieder steigt. Mit dem Edelmetall fühlt sich die finanzielle Zukunft einfach sicherer an als ohne. Doch ist es vernünftig, Gold zu halten, um sich vor Inflation zu schützen?
Freunde des Edelmetalls verweisen gern darauf, dass im Alten Rom eine Tunika kaufkraftbereinigt so viel Gold kostete wie ein hochwertiger Anzug heute. Solche und ähnliche Vergleiche dienen als Grundlage für eine brisante Schlussfolgerung: Wenn Gold über zwei Jahrtausende hinweg vor Geldentwertung geschützt hat, dann wird dies über fünf oder 20 Jahre erst recht so sein. Doch genau das trifft nicht zu.
Dass Gold ein unzuverlässiger Inflationsschutz ist, weist Finanzprofessor Andrew Ang von der Columbia Business School in seinem Beitrag „Real Assets“ (2012) empirisch nach – zumindest für den Zeitraum, für den wir Daten über Gold und Inflation haben. So entwickelte sich der Goldpreis zwischen 1875 und 1970 über weite Strecken deutlich schwächer als die Inflation, wie sie durch den Verbraucher-Preisindex ermittelt wird. Folglich war das Edelmetall rund 100 Jahre lang nicht im Entfernten in der Lage, die Kaufkraftverluste auszugleichen.
Das änderte sich erst Ende der 1970er-Jahre, als das System der festen Wechselkurse (Bretton Woods) unter US-Präsident Richard Nixon zusammenbrach. Im Zuge der Freigabe der internationalen Wechselkurse und dem hohen Wertverlust des US-Dollars stieg der Goldpreis weitaus stärker an als die Geldentwertung – das bescherte Goldhaltern einen kräftigen realen Vermögenszuwachs. Nach dem Hoch der frühen 1980er-Jahre fiel das Edelmetall dann über zwei Jahrzehnte auf ein Niveau zurück, bei dem von Inflationsschutz keine Rede mehr sein konnte. Seit dem Jahr 2001 indes steigt der reale Wert des Edelmetalls wieder deutlich stärker als die Geldentwertung.
Wie soll man diese hohen Schwankungen des realen Goldpreises – also des nominalen Goldpreises abzüglich der Inflationsrate – interpretieren? Wenn Gold permanent ein angemessener Inflationsschutz wäre, dann müsste der reale Goldpreis weit weniger starke Schwankungen aufweisen, als er es tut – in diesem Punkt hat Ang recht. Doch Gold deshalb als untauglichen Schutz vor Kaufkraftverlusten zu deklarieren, halte ich für überzogen.
Vielmehr scheint es so, dass Gold seine Stärken vor allem in Zeiten (sehr) hoher Inflation, wie in den 1970er Jahren, oder negativer bzw. sehr niedriger Nominalzinsen, wie derzeit, ausspielt. Beide Konstellationen setzen ein ungedecktes Geldsystem voraus, in dem sich theoretisch beliebig Geld schöpfen lässt. Der Motor dahinter dürfte ein- und derselbe sein: eine negative oder (stark) sinkende Realrendite. Enden solche Phasen, legt der Blick auf die Geschichte nahe, dass Gold sich anschließend schwächer entwickelt als die Inflation.
Was heißt das nun für Anleger? Können sie Gold als Schutzschild gegen negative Realrenditen nutzen, ohne im Anschluss deutliche Verluste mit ihrem kompletten Edelmetall-Anteil zu erleiden? Durchaus! Gerade die sehr hohe Volatilität von Gold macht das Edelmetall zu einem wertvollen Element in einem Portfolio – allerdings nur für disziplinierte Anleger mit systematischem, regelbasiertem Ansatz.
Die simple, aber keinesfalls einfache Lösung besteht darin, nach Phasen starker Zugewinne Goldanteile zu verkaufen und die ursprüngliche Verteilung des Vermögens auf Aktien, Anleihen, Gold etc. wiederherzustellen. Doch diesen Schritt muss man gerade dann tun, wenn Gold der Highflyer der vergangenen Monate und der Liebling aller Medien ist. Erfahrungsgemäß gelingt dies nur wenigen Anlegern. Wer jedoch seine Impulse mit klaren Regeln in den Griff bekommt, profitiert von dieser Schwäche der anderen Marktteilnehmer – und löst das Goldrätsel auf seine Weise.
Stephan Albrech ist Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung AG in Köln.