10. Juli 2021

Keine Chance dem Greenwashing

Wo Nachhaltigkeit draufsteht, soll Nachhaltigkeit drin sein. Doch das ist in der Finanzindustrie nicht immer der Fall. Die EU möchte dem sogenannten Greenwashing jetzt einen Riegel vorschieben. Dazu hat sie die Offenlegungsverordnung ins Leben gerufen. Wie das Konzept funktioniert.

53 Billionen US-Dollar. Das ist laut Prognosen von Bloomberg der Betrag, der im Jahr 2025 in nachhaltig verwalteten Investments angelegt sein wird. Aktuell sind es noch etwa 38 Billionen. Die Zahlen zeigen: Nachhaltigkeit bei der Geldanlage ist auf dem besten Weg, zum neuen Standard zu werden.

Kein ETF- und Fondsanbieter, Robo-Advisor oder Vermögensverwalter kann sich dem Thema entziehen. Jeder zweite ETF, der aktuell auf den Markt kommt, trägt mittlerweile das Kürzel ESG oder SRI im Namen. Es ist ein regelrechter Wettlauf um die Marktführerschaft beim nachhaltigen Investieren entbrannt. Blackrock hat Nachhaltigkeit als neuen Investmentstandard ausgerufen, Amundi hat sich zum Ziel gesetzt, „die ESG-Transformation anzuführen“, und auch bei BNP Paribas Asset Management steht das Thema ganz oben auf der Prioritätenliste. „Das zeigt sich unter anderem daran, dass wir seit zwei Jahren nur noch ETFs auf nachhaltige Indizes emittieren“, sagt Claus Hecher, Leiter der Geschäftsenwicklung ETF & Index Solutions bei BNP Paribas Asset Management.

Tipp: Hier erfahren Sie alles, was Sie über das Investieren in Nachhaltigkeits-ETFs wissen müssen.

ESG auch für Robos wichtig

Bei den Robo-Advisors ist der Trend ebenfalls angekommen. Im März hat beispielsweise Fintego * von Ebase die nachhaltige Strategie „Fintego green“ gestartet. „Unsere aktuelle Vermittler-Fokus-Umfrage unter 120 Finanzprofis zeigt deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit aus der Geldanlage nicht mehr wegzudenken ist“, sagt Kai Friedrich, Geschäftsführer von Ebase. „90 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Relevanz von nachhaltigen Investments im Privatkundengeschäft steigen oder sogar stark steigen wird“, so Friedrich. Der Robo-Advisor Quirion *, der bereits seit Ende 2019 mit seinem nachhaltigen Angebot auf dem Markt ist, meldet, dass rund elf Prozent des insgesamt verwalteten Vermögens bereits in nachhaltigen Produkten investiert ist. „Bei den Neukunden entscheiden sich schon ein Viertel für das nachhaltige Angebot“, so Quirion. Es zeigt sich: Das Thema Nachhaltigkeit ist der Megatrend schlechthin in der Finanzindustrie.

EU will Greenwashing verhindern

Bis dato fehlten jedoch einheitliche Definitionen und Standards dafür, was nachhaltige Fonds genau auszeichnet. Das bedeutet: In Finanzprodukten, auf denen Nachhaltigkeit draufsteht, musste nicht zwingend auch Nachhaltigkeit drin sein. Das ermöglichte die Gefahr des sogenannten „Greenwashing“. Also sich nachhaltig zu präsentieren, aber nicht entsprechend zu handeln. Daher hat sich die EU des Themas angenommen. Seit dem 10. März dieses Jahres ist die EU-Offenlegungsverordnung in Kraft. Fondsanbieter müssen seither in den Prospekten ausweisen, ob ein Fonds nachhaltig ist oder nicht. Dafür existieren nun feste Definitionen. Dies soll eine bessere Vergleichbarkeit von nachhaltigen Investmentprodukten, den Aufbau eines Benchmarking-Systems sowie die Beseitigung von Greenwashing ermöglichen und fordern. Es gibt ab sofort drei unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Emittenten ihre Produkte klassifizieren können. Unter Artikel 6 fallen „normale“ Fonds, die keinen expliziten Wert auf Umwelt- oder Ethikaspekte legen. Artikel 8 bezeichnet „hellgrüne“ Fonds, die bestimmte Mindest-ESG-Faktoren integrieren. Dies beinhaltet unter anderem den Ausschluss von Rüstungsgütern oder Verstöße gegen Menschenrechte.

Zum Beispiel ist das nachhaltige Portfolio des Robo-Advisors Quirion ein „Artikel-8-Produkt“. Artikel 9 ist „dunkelgrünen“ Fonds vorbehalten, die messbare Nachhaltigkeitsziele verfolgen und somit einen sogenannten „Impact“ haben, zum Beispiel die Reduktion des Ausstoßes von CO2.

So sind zum Beispiel sämtliche Klima-ETFs, welche den Kriterien der Paris-Aligned Benchmark (PAB) oder der „Climate Transition Benchmark“ (CTB) genügen, konform mit Artikel 9. Dazu zählt zum Beispiel der BNP Paribas Easy Low Carbon 100 Europe PAB UCITS ETF (WKN: A2DPX9). Denn bei der PAB werden eine Halbierung der Kohlenstoffintensität gegenüber dem Standardindex sowie weitere jährliche Senkungen der CO2-Intensität von sieben Prozent gefordert. Damit wird die Forderung nach einem messbaren Nachhaltigkeitsziel vollständig erfüllt.

Verbändekonzept ist noch strenger als die EU-Vorgabe

Das Thema ist der Branche offenbar ernst. In Deutschland haben der Fondsverband BVI, die Kreditwirtschaft und der Deutsche Derivate Verband für die Anlageberatung ein Konzept erarbeitet, das sogar über die EU-Verordnung hinausgehen soll. In dem Verbändekonzept sind die nachhaltigen Produktkategorien – ESG-Integration und Impact – sogar noch etwas strenger gefasst als die Produkte nach Artikel 8 oder 9 der EU-Verordnung.  

Dies ist zwar noch nicht verabschiedet, soll aber wahrscheinlich ab dem 1. Januar 2022 gelten. Dies ist für die Anbieter, zum Beispiel die ETF-Emittenten, hochrelevant. So ist zum Beispiel denkbar, dass ein ETF, der die Regeln gemäß Artikel 8 bzw. Artikel 9 der EU-Verordnung erfüllt, nicht den Kriterien des Verbändekonzepts für ESG- oder Impact-Produkte entspricht. Die Folge: Obwohl das Produkt theoretisch EU-konform wäre, dürfte es in Deutschland trotzdem nicht als nachhaltige Geldanlage verkauft werden. Das wäre für die Anbieter der sogenannte „Worst Case“.

Auswirkungen für Anbieter

Die wichtigste Aufgabe der ETF-Emittenten und Robo-Advisors bestand zunächst darin, ihre Produktpalette zu durchforsten. „Wir haben unser Produktsortiment einer objektiven Selbstanalyse unterzogen und dabei geprüft, welche unserer ETFs den Kriterien für Nachhaltigkeit gemäß der EU-Offenlegungsverordnung bzw. des Verbändekonzepts genügen“, sagt Hecher. Dabei ging es vor allem auch darum, zu prüfen, ob die Indizes, auf die sich die entsprechenden ETFs beziehen, den Regelungen Folge leisten. Die ETF-Emittenten haben dies in Abstimmung mit den jeweiligen Indexanbietern wie MSCI, FTSE oder Solactive geprüft.

LGIM gab auf Anfrage bekannt, das Unternehmen habe zudem ein gründliches Rahmenwerk für die Kategorisierung seiner Produkte entwickelt. Im nächsten Schritt ging es um die transparente Offenlegung gegenüber Kunden und Vertriebspartnern in den Prospekten und Homepages. Amundi hat dazu beispielsweise Leitfäden für Investoren und Vertriebspartner entwickelt und entsprechende Webinare durchgeführt. Bei den Robo-Advisors sieht es ähnlich aus. „In erster Linie mussten wir einzelne Webseiten und Dokumente anpassen“, gab zum Beispiel der Robo-Advisor Quirion bekannt.

Folgen für Banken und Berater

Auch auf Vermögensverwalter und Banken hat die Offenlegungsverordnung Auswirkungen. Bislang müssen Finanzdienstleister, die Anlageberatung- oder Portfolio-Management anbieten, von ihren Kunden nur ökonomische Informationen wie etwa Erfahrung mit Finanzinstrumenten, Risikoprofil, Anlageziele und finanzielle Verhältnisse einholen. Voraussichtlich ab 2022 müssen die Vermögensverwalter ihre Kunden zusätzlich aktiv danach fragen, ob ihre Kunden „eine Nachhaltigkeitspräferenz haben“. Falls ja, müssen sie ein für den Kunden geeignetes Produkt auswählen. Eine Regelung, die ebenfalls erst ab 2022 gilt, betriff t regelmäßige Berichte der Unternehmen über die ökologischen Merkmale ihrer Investitionsentscheidungen und Produkte.

Das erzeugt zusätzliche Bürokratie und stößt zum Teil auf Kritik bei den Vermögensverwaltern. „Sicherlich ist es sinnvoll, dieses Thema in der Finanzbranche zu etablieren. Die Umsetzungsvorgaben sind aber in vielen Teilen schwammig formuliert. Dies zeigt auch etwas die Ratlosigkeit des Gesetzgebers zu diesem Thema“, so Bernd Heimburger, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Gies & Heimburger. Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP, sieht dies ähnlich. „Der Verbraucher wird mangels eines einheitlichen Verständnisses des Begriffes Nachhaltigkeit in der Regel den Überblick verlieren und sich schlussendlich dann doch wieder mit seinem Vermögensverwalter individuell beraten. Die Gefahr ist, dass die Zwangsinformationen für den Verbraucher immer mehr werden und sich diese keiner mehr durchliest, wie dies auch bei den AGBs der Fall ist“, sagt Vermögensverwalter Wieser.

Ausblick: Level 2

Die EU-Offenlegungsverordnung verfolgt eine vernünftige Intention. Sie soll die Transparenz in der Finanzbranche erhöhen. Das ist letztlich zum Vorteil der Anleger. Allerdings müssen die Anbieter selbst ihre Produkte entsprechend eingruppieren und die Angaben vornehmen. Jedoch sind wichtige Punkte in der Offenlegungsverordnung noch unklar, was auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin bemängelt. Denn die Verordnung verweist an einigen Stellen auf sogenannte delegierte Rechtsakte, welche die Verordnung konkretisieren sollen. Diese seien aber „noch nicht unter Dach und Fach“. Die EU muss also noch einmal nacharbeiten.

Für nachhaltige Fonds gibt es voraussichtlich Ende 2022 weitere Regeln. Sie werden dann an verbindlichen Nachhaltigkeitsdefinitionen gemessen, im Fachjargon werden diese Regeln „EU-Taxonomie“ genannt. Mit Level 2 der Offenlegungsverordnung werden weitreichende Anforderungen der EU-Taxonomie in Kraft treten. Ziel ist es, ein EU-weites Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten zu schaffen. Die Taxonomie, das Herzstück der ESG-Regulierung, ist ein Kriterienkatalog, mit dem Nachhaltigkeit messbar gemacht werden soll.

Spannend wird ebenfalls sein, wie Privatanleger darauf reagieren, dass ihnen künftig in jedem Beratungsgespräch verpflichtend die Frage gestellt werden muss, ob sie sich für ein nachhaltiges Investmentprodukt interessieren. Mancher Kritiker wittert hier bereits planwirtschaftliche Regulierungswut.

Fazit

Ob ein ETF nachhaltigen Mindestkriterien genügt, wird nun für Anleger transparent. Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob damit tatsächlich eine bessere Vergleichbarkeit der Produkte einhergeht. Zudem bestehen laut Bafin noch zahlreiche Unklarheiten. Detailregelungen und Berichtspflichten der Unternehmen gelten frühestens ab dem 1. Januar 2022.

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