Die Investmentsteuerreform 2018 im Überblick
So erfolgt die Besteuerung von ETFs im Depot
Ein wichtiger Aspekt bei der Anlage in ETFs ist die Besteuerung der Erträge. Hier gibt es verschiedene Regelungen und Vorschriften zu beachten. Mit der Einführung der Investmentsteuerreform 2018 hat sich für Fondsanlegerinnen und Fondsanleger bei der Besteuerung einiges geändert.
Was Anlegende in Bezug auf Steuern bei ETFs zu beachten haben, erläutern wir in diesem Beitrag.
Das Wichtigste in Kürze: Alles zur Investmentsteuerreform 2018
Zielsetzung: Ziel der Investmentsteuerreform ist die steuerliche Gleichbehandlung aller Investmentfonds und ETFs sowie die Vereinfachung der Steuererklärung.
Teilfreistellung: Die Teilfreistellung ist je nach Fondskategorie unterschiedlich hoch. Für ETF-Anlegende sind hier vor allem Mischfonds mit mindestens 25 Prozent Aktienanteil (15 Prozent) und Aktienfonds mit mindestens 51 Prozent Aktienanteil (30 Prozent) relevant.
Altbestände: Um eine Vermischung von altem und neuem Recht bei der Besteuerung der Fondserträge auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine Veräußerungs- und Rückgabefiktion für alle Fondsanteile eingeführt.
Steuern: Wird das Depot bei einer inländischen Bank geführt, wird die Kapitalertragssteuer automatisch an das Finanzamt abgeführt.
Einführung in die Investmentsteuerreform 2018
Das deutsche Steuerrecht hat den Ruf, nicht nur zu kompliziert, sondern auch abschreckend zu sein. Für Investoren sollte das aber kein Grund sein, sich nicht mit der Materie zu beschäftigen. Schließlich wirken sich Steuern letztlich auf die Rendite aus.
Ziel der Investmentsteuerreform 2018 war es, die Besteuerung von Investmentfonds zu vereinheitlichen. Bisher wurden inländische und ausländische Fonds steuerlich unterschiedlich behandelt. In anderen EU-Ländern aufgelegte Fonds steuerlich schlechter zu stellen, widersprach europäischem Recht. Außerdem sollte der steuerliche Aufwand für Privatanleger reduziert werden. Künftig werden viele Besteuerungsaufgaben von den Depotbanken der Anleger übernommen.
Die wichtigsten steuerlichen Begriffe kurz erklärt
Bevor wir uns der Besteuerung zuwenden, klären wir zunächst einige Grundbegriffe der Besteuerung von Investmentfonds.
Wie werden ETFs künftig besteuert?
Die Neuregelung des Investmentsteuergesetzes verfolgt zwei Ziele: die steuerliche Gleichbehandlung aller Investmentfonds und ETFs sowie die Vereinfachung der Steuererklärung.
Nachdem wir die wichtigsten Begriffe erläutert haben, schauen wir uns im nächsten Schritt zwei Beispiele für die Besteuerung von ausschüttenden und thesaurierenden Investmentfonds an.
Steuerliche Behandlung ausschüttender Investmentfonds
In diesem Beispiel hat ein Anleger Fondsanteile im Wert von 10.000 Euro in seinem Depot. Für unser Beispiel verwenden wir einen ETF auf den MSCI World Index. Dieser ETF wird als Aktienfonds eingestuft und genießt daher eine Teilfreistellung von 30 Prozent. Die Erträge sind also nur zu 70 Prozent steuerpflichtig. Am Jahresende wird die ETF-Position zu 10.500 Euro verkauft. Unterjährig erhält der Anleger eine Ausschüttung in Höhe von 200 Euro. Wie viel muss der Anleger nun insgesamt versteuern?
Wert am 01.01.2023 | 10.000 Euro |
Wert am 31.12.2023 | 10.500 Euro |
Ausschüttung: | 200 Euro |
Kursgewinn: | 500 Euro |
Gesamtertrag: | 700 Euro |
Basiszins 2023: | 2,55 % |
Steuerpflicht (Teilfreistellung) | 70 % |
Im ersten Schritt wird der Basisertrag (178,50 Euro) berechnet und davon die erhaltene Ausschüttung (200 Euro) abgezogen. Das Ergebnis beträgt in diesem Fall -21,50 Euro. Da die Vorabpauschale nicht negativ sein kann, wird sie mit 0 Euro angesetzt.
Formel: Wert 1.1.2023 x 70 % x Basiszins = Basisertrag – Ausschüttung
Berechnung: 10.000 Euro x 70 % x 2,55 % = 178,50 Euro – 200 Euro = – 21,50 Euro
=> Vorabpauschale 0,00 Euro
Im zweiten Schritt wird die Steuer auf die Ausschüttung berechnet. Diese beträgt 36,93 Euro, da nur ein Teil der Ausschüttung steuerpflichtig ist (Teilfreistellung). Im dritten Schritt wird die Steuer auf die Vorabpauschale berechnet. Diese beträgt in unserem Beispiel 0 Euro. Ein Wert größer Null würde sich nur dann ergeben, wenn die Ausschüttung geringer wäre als der Basisertrag.
Formel: Ausschüttung x Steuerpflicht % x 26,375 %
Berechnung: 200 Euro x 70 % x 26,375 % = 36,93 Euro
=> Steuer auf Ausschüttung 36,93 Euro
Im letzten Schritt wird der Veräußerungsgewinn des Anlegers besteuert. Auch dieser ist nur teilweise steuerpflichtig (Teilfreistellung). Im Beispiel beträgt der Steuerbetrag 92,31 Euro.
Formel: Kursgewinn x 70 % x 26,375 %
Berechnung: 10.500 Euro – 10.000 Euro x 70 % x 26,375 % = 92,31 Euro
=> Steuer auf Kursgewinn 92,31 Euro
Insgesamt wird der Anleger mit 129,24 Euro besteuert. Der Anleger muss also sowohl die Ausschüttung als auch den Kursgewinn versteuern. Allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Formel: St. Vorabpauschale + St. Ausschüttung + St. Verkauf
Berechnung: 0,00 Euro + 36,93 Euro + 92,31 Euro = 129,24 Euro
=> Gesamtsteuer 129,24 Euro
So wird die Steuer auf Ausschüttung und Veräußerung bei Zufluss fällig, die Steuer auf eine eventuelle Vorabpauschale fließt jedoch erst im Januar des folgenden Kalenderjahres zu und wird auch erst dann versteuert. Hat der Anleger einen Freistellungsauftrag bei seiner Bank hinterlegt, kann er seinen Sparerpauschbetrag (1.000 Euro bzw. 2.000 Euro) damit nutzen und erhält die Erträge sogar ohne Steuerabzug gutgeschrieben.
Steuerliche Behandlung thesaurierender Investmentfonds
Das folgende Beispiel macht deutlich, dass es keinen Unterschied mehr zwischen der Besteuerung von ausschüttenden und thesaurierenden Fonds gibt.
Wert am 01.01.2023 | 10.000 Euro |
Verkauf am 31.12.2023 | 10.700 Euro |
Ausschüttung: | 0 Euro |
Kursgewinn: | 700 Euro |
Gesamtertrag: | 700 Euro |
Basiszins 2023: | 2,55 % |
Steuerpflicht (Teilfreistellung) | 70 % |
Auch wenn die Steuer etwas anders berechnet wird, ist das Endergebnis mit 129,24 Euro identisch.
Berechnung der Vorabpauschale
Formel: Wert 1.1. x 70 % x Basiszins = Basisertrag – Ausschüttung
Berechnung: 10.000 Euro x 70 % x 2,55 % = 178,50 Euro – 0 Euro = 178,50 Euro
=> Vorabpauschale 178,50 Euro
Besteuerung der Vorabpauschale
Formel: Vorabpauschale x 70 % x 26,375 %
Berechnung: 178,55 Euro x 70 % x 26,375 % = 32,96 Euro
=> Steuer auf Vorabpauschale 32,96 Euro
Besteuerung Kursgewinn
Formel: Gewinn x 70 % x 26,375 % – Vorabpauschale
Berechnung: 700 Euro x 70 % x 26,375 % – 32,96 Euro = 96,28 Euro
=> Steuer auf Kursgewinn 96,28 Euro
Summe Steuer
Formel: St. Vorabpauschale + St. Ausschüttung + St. Verkauf
Berechnung: 32,96 Euro + 0,00 Euro + 96,28 Euro = 129,24 Euro
=> Gesamtsteuer 129,24 Euro
Bei thesaurierenden Fonds müssen Anlegerinnen und Anleger allerdings eine Besonderheit beachten: Wenn kein Sparerpauschbetrag zur Verfügung steht oder bereits anderweitig geltend gemacht wurde, muss der Anleger ausreichend Guthaben auf seinem Konto haben, da die Bank die Steuer auf die Vorabpauschale direkt vom Konto des Kunden einzieht. Ist dies mangels Deckung nicht möglich, erfolgt eine entsprechende Mitteilung an das Finanzamt.
Wie erfolgt die Besteuerung von Altbeständen?
Um eine Vermischung von altem und neuem Recht bei der Besteuerung der Fondserträge auf Anlegerebene auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine Veräußerungs- und Rückgabefiktion für alle Fondsanteile eingeführt. Dies bedeutet, dass alle Fondsanteile, die vor dem 1. Januar 2018 angeschafft wurden, zum 31. Dezember 2017 als veräußert und zum 1. Januar 2018 als wieder angeschafft gelten.
Die durch die fiktive Veräußerung ermittelten steuerlich relevanten Veräußerungsgewinne werden dann tatsächlich besteuert, wenn der Anleger seine Fondsanteile veräußert. Zu diesem Zweck müssen die Banken den steuerlich relevanten Betrag zum 31. Dezember 2017 festhalten und dürfen diesen erst bei einer tatsächlichen Veräußerung der Fondsanteile abrechnen.
Bestandsschutz für Altanteile entfällt
Mit dieser Veräußerungs- und Rückgabefiktion entfällt ab dem 1. Januar 2018 faktisch der Bestandsschutz für Altanteile (die vor Einführung der Abgeltungssteuer am 1. Januar 2009 erworben wurden). Die bis zum 31. Dezember 2017 eingetretene Wertentwicklung ist jedoch steuerfrei.
Als Ausgleich für den Verlust des Bestandsschutzes wird ein Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro (pro Anleger) gewährt. Dieser Freibetrag gilt für Wertveränderungen ab dem 1. Januar 2018 und nur für Fondsanteile, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden. Die Berücksichtigung dieses Freibetrages erfolgt durch das Finanzamt. Das bedeutet, dass die Steuer, die auf die ab dem 1. Januar 2018 eintretende Wertsteigerung entfällt, bei der tatsächlichen Veräußerung der Anteile zunächst von der depotführenden Stelle einbehalten wird. Sie kann jedoch vom Anleger im Rahmen seiner Einkommenssteuerveranlagung geltend gemacht werden. Die Steuer wird dann erstattet.
Was ist bei der Steuererklärung zu beachten?
Wer ein Depot bei einer inländischen Bank hat, für den wird die Kapitalertragssteuer automatisch an das Finanzamt abgeführt. Diese Erträge müssen also nicht extra in der Steuererklärung angegeben werden. Anders sieht es bei Geringverdienern aus: Liegt der Einkommenssteuersatz unter 25 Prozent, also unter dem Kapitalertragssteuersatz, kann man die gezahlte Steuer in der Steuererklärung geltend machen und sich die Differenz vom Finanzamt zurückholen.
Nur Gewinne werden versteuert
Grundsätzlich gilt: Ist der Kurswert im Depot vom Jahresanfang bis zum Jahresende gestiegen, fallen Steuern an. Hat man im Jahr 2022 nur einen thesaurierenden ETF im Depot gehabt, dessen Kurswert bis zum Jahresende gesunken ist, fallen Anfang 2023 keine Steuern an, da nur Gewinne steuerpflichtig sind. Die Vorabpauschale entfällt. Bei thesaurierenden ETFs wird die Abgeltungssteuer ohnehin erst beim Verkauf fällig. Wenn der ETF eines Anlegers ausschüttet, zieht die depotführende Bank automatisch die Abgeltungssteuer ein und führt sie an den Fiskus ab. Dies geschieht natürlich nur, wenn der Anleger seinen Freistellungsauftrag (Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro bzw. 2.000 Euro) bereits ausgeschöpft oder noch nicht erteilt hat.
Besteuerung von Verlusten
Auf Verluste zahlt der Anleger keine Steuern, aber es gibt Sonderfälle, z.B. wenn der Depotwert in einem Jahr sinkt, man aber trotzdem Ausschüttungen erhalten hat. In diesem Fall muss die Ausschüttung natürlich höher sein als der Verlust, dann muss die Differenz versteuert werden. Generell gilt: ETF-Verluste können mit ETF-Gewinnen verrechnet werden. Aber: Nicht jeder „Topf“ kann mit jedem „Topf“ verrechnet werden. Die Details klärt man am besten mit einem Steuerexperten.
Fazit: Schlussfolgerung über die Besteuerung der ETFs
Mit der Investmentsteuerreform hat der Gesetzgeber die Besteuerung ausländischer und inländischer Fonds harmonisiert. Die neuen Besteuerungsregeln erscheinen auf den ersten Blick kompliziert, haben aber einen entscheidenden Vorteil. Ausschüttende und thesaurierende Fonds werden nicht mehr unterschiedlich besteuert.
Mit dem ETF-Steuerrechner von extraETF.com lässt sich die Steuer auf Erträge und Kursgewinne von Fonds und ETFs berechnen.
Hinweis: Steuergesetze ändern sich regelmäßig. Mal kommen neue Feinheiten oder Ausnahmeregelungen hinzu, mal fallen sie wieder weg. Im schlimmsten Fall können sich Gesetzesnovellen rückwirkend nachteilig auf deine ETF‑, Aktien‑ oder sonstige Anlagen auswirken. Deshalb kann die Redaktion von extraETF.com an dieser Stelle keine Garantie geben, dass hier alle steuerlichen Aspekte und Feinheiten berücksichtigt wurden. Natürlich bemühen wir uns um maximale Transparenz und Vollständigkeit, aber nichtsdestotrotz kann und will dieser Beitrag keine Beratung in steuerlichen Fragen bieten. Wer sich kompetent zum Thema Steuern bei ETFs (oder anderen Geldanlagen) beraten lassen möchte, dem empfehlen wir dringend, eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater (oder ähnlich qualifizierte Fachleute) aufzusuchen.
Wichtige Fragen zur Investmentsteuerreform 2018
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