24. September 2022

Kaufen und vergessen: Ist Buy-and-Hold immer noch zeitgemäß?

Einmal kaufen und sich dann auf die faule Haut legen oder doch lieber die Geldanlage der aktuellen Marktsituation anpassen? Speziell in diesem Jahr ploppt diese Frage unter Anlegern wieder vermehrt auf. Kein Wunder: Inflation, Corona und der Ukraine-Krieg sorgen für holprige Börsen. Was ist jetzt ratsam?

Privatanleger gehen sehr unterschiedlich an das Thema Geldanlage heran. Die einen kaufen und lehnen sich zurück. Dieser Ansatz wird als Buy-and- Hold bezeichnet. Übersetzt bedeutet das: Kaufen und halten!

Wieder andere verfolgen eifrig die aktuellen Marktberichte, um rasch eingreifen zu können. Das erscheint auch intuitiv. Schließlich gilt im Leben sonst auch immer: Treten Probleme auf, muss ich handeln, vom Nichtstun wird es schließlich nicht besser.

Was ist Buy-and-Hold?

Wie Buy-and-Hold funktioniert, steckt im Prinzip schon im Namen der Anlagestrategie. Die Grundidee lässt sich am besten mit einer Abgrenzung zu Market-Timing und Stock-Picking-Strategien erklären. Während Market-Timing-Strategen versuchen, den Markt durch die Auswahl des „optimalen“ Einstiegszeitpunkts zu schlagen, fokussieren sich Anleger beim Stock-Picking auf die Suche nach Aktien, die eine Überperformance gegenüber dem Markt versprechen. Einen ETF kaufen sie daher nicht, sondern investieren lieber in einzelne Unternehmen im Index.

Ist Buy-and- Hold noch zeitgemäß?

Was unter Buy- and-Hold zu verstehen ist, dürfte nach diesen einführenden Zeilen nun klar sein. Die Kernfrage unseres „Pro und Contra“ lautet: Passt diese Investment-Philosophie noch in die heutige Zeit?

Egal ob Benjamin Graham, Warren Buffett oder André Kostolany, alle großen Investorenlegenden schworren auf diese Strategie in der Vergangenheit. Der Satz „Kaufen Sie Aktien und nehmen Sie Schlaftabletten“ von Kostolany hat ganze Anlegergenerationen nachhaltig geprägt. Lange Zeit hielt sich auch Warren Buffett mit seinem Investmentunternehmen Berkshire Hathaway stoisch an diese Strategie. Doch inzwischen konnte man in der letzten Zeit häufiger Bewegung im Depot der Investmentlegende feststellen. Das lässt viele Anleger aufhorchen und ist somit natürlich ein relevantes Thema für uns.

Auch diesmal sich Thomas Brummer mit Timo Baudzus. Thomas legt los mit der Pro-Seite und zeigt, weshalb aus aeiner Sicht Buy-and- Hold nie aus der Mode sein kann. In der anderen Ecke: Timo Baudzus. Er steht dem aktiven Handeln offener gegenüber und räumt auf mit dem bekannten Ausspruch von André Kostolany: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“

Also lies beide Kommentare aufmerksam durch und entscheide, welche Argumente dich mehr überzeugen. Viel Vergnügen mit unserem Schlagabtausch.

Pro Buy-and-Hold: Kaufen und Halten kommt nie aus der Mode

Bist du ein Hellseher, der Höchst- und Tiefststände treffsicher vorhersehen kann? Nein? Dann ist einmal kaufen und gelegentlich nachkaufen, aber nie verkaufen, genau die richtige Marschroute. Buy-and-Hold ist nie aus der Mode – und für jeden Anleger ratsam.

Passiv ist bei der Geldanlage gleich zweifach Trumpf: Zum einen bei der Produktauswahl selbst. ETFs sind die erste und für mich auch die einzig vernünftige Wahl. Und ein breit streuender ETF schreit geradezu danach, möglichst lange gehalten zu werden. Damit wären wir bereits bei der zweiten passiven Komponente. Denn die Grundaussage dieses Kommentars lautet: Buy-and-Hold ist nie aus der Mode und damit immer aktuell. Es gibt eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Du besitzt hellseherische Fähigkeiten. In diesem Fall sage es keinem weiter und setze voll auf den aktiven Handel mit Einzelaktien oder ETFs. Doch Spaß beiseite, es folgen ein paar Gedanken zur Buy-and-Hold-Strategie.

Das jüngste Gegenbeispiel

Blicken wir nur wenige Wochen zurück. Russische Truppen greifen die Ukraine an. Ein Horrorszenario tritt ein. Ein allzu forscher Anleger hätte am 24. Februar also einen Großteil seines Depots verkauft bzw. ordentlich umgeschichtet in defensivere Titel. Profitiert hätte nur die Depot-Bank, die jede Transaktion in Rechnung stellt. Denn nur wenige Wochen später waren die Aktienkurse schon wieder auf dem gleichen Niveau wie zuvor. Schade, wenn du dann nicht mehr am Ball bist. Oder nimm den Ausbruch der Corona-Pandemie vor mittlerweile mehr als zwei Jahren. Nur wenige Wochen später erklommen die Börsen schon neue Allzeithochs. Sehr oft findet diese Party dann ohne die aktiven Anleger statt, schließlich glaubten diese, sie müssten sich von ihren vermeintlich riskanten Aktien trennen. Diese Sorge mag bei Einzeltiteln oder vielleicht auch bei eng gefassten Themen-ETFs berechtigt sein, nicht aber bei einem breiten Welt-ETF, welche wir nicht müde werden, immer wieder zu empfehlen.

Tipp: ETF-Empfehlungslisten – hier findest du die besten ETFs zu allen wichtigen Anlageklassen.

Verpasse nie die besten Tage

Was bereits der Blick auf die Charts zeigt, untermauern auch harte Zahlen. Eine Analyse der Sutor Bank ergab: Bei einem Anleger, der im Dax zwischen 1988 und 2018 die besten 13 Tage versäumt hat, schrumpft die Rendite auf die Hälfte. Verpasst er die besten 33 Tage, hätte er sogar Geld verloren. Solche Untersuchungen gibt es zur Genüge. Und gerade diese tollen Börsentage verpasst du nicht, wenn du ruhig bleibst und im Sinne des Buy- and-Hold-Ansatzes die Lage aussitzen. Noch besser: Du erhöhst vielleicht sogar die Sparplanrate. Zugegeben, der Spruch „Hin und her macht Taschen leer“ klingt etwas abgedroschen. Doch das ändert nichts daran, dass sich Privatanleger an dieses Prinzip halten sollten. Wenn du nicht gerade Kunde eines Neobrokers bist, ist dieser Spruch oft zutreffend. Die Banken kassieren hohe Gebühren – und zwar immer, wenn du in deinem Depot Transaktionen tätigst.

Bleibe also bescheiden

Natürlich neigen wir Menschen dazu, auf neue Umstände reagieren zu wollen, um Unglück abzuwenden oder schlicht das Beste aus einer Situation zu machen. Das weltweite Börsengeschehen haben wir aber nicht in der Hand. Auch gibt es keine Gewissheit, dass Aktie A plötzlich besonders attraktiv sein soll. Nicht einmal professionelle Fondslenker, von denen erwartet wird, dass sie die Kundendepots regelmäßig umschichten, schaffen es, langfristig ein vergleichbares ETF-Depot zu schlagen. Warum soll das also – außer aus Zufall – einem ambitionierten Privatanleger gelingen, dem heute jene Aktie und morgen diese Aktie angepriesen wird? Rational spricht nichts dafür, doch leider neigen wir Menschen in Bezug auf Geld nicht immer zur Vernunft. Bleibe vernünftig und halte deinem ETF-Welt-Portfolio langfristig die Treue.

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Contra Buy-and-Hold: Warum Kostolany sich definitiv geirrt hat

„Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ Dieses berühmte Zitat von André Kostolany kennt sicherlich jeder. Warum die Börsenlegende damit allerdings zum Teil falsch lag.

Der oben genannte Ausspruch Kostolanys kommt immer wieder zum Einsatz, wenn die Vorzüge einer Buy-and-Hold- Strategie gepriesen werden sollen. Meiner Meinung nach lag Kostolany jedoch nur zur Hälfte richtig. In der Interpretation des Zitats wird oftmals einzig und allein auf die „Schlaftabletten“ rekurriert. Ich allerdings halte den Satzteil „nach vielen Jahren“ für viel wichtiger. Kostolany hatte recht hinsichtlich der Langfristigkeit von Geldanlagen, nicht hinsichtlich der Passivität.

Vermögensaufbau vs. -anlage

An dieser Stelle ist eine wichtige Unterscheidung zwischen den Bereichen Vermögensaufbau und Vermögensanlage vonnöten. Dies sind – um es umgangssprachlich zu sagen – zwei Paar Schuhe. Unter Vermögensaufbau fasse ich jede Art von Sparplan, egal ob mit ETFs, Aktien oder sonstigen Investmentprodukten. Hier ist die Buy-and- Hold-Strategie definitiv ratsam. Wer über breit diversifizierte Aktien-ETFs Vermögen bildet, ist gut beraten, diese langfristig laufen zu lassen, ohne aktiv in diese einzugreifen. Sparplan abschließen, Schlaftablette rein – und zu einem festgelegten Zeitpunkt, idealerweise einige wenige Jahre vor dem Renteneintritt – erst wieder ins Depot schauen. Die Freude dürfte groß sein.

Doch das gilt für die Vermögensanlage nur bedingt. Unter Vermögensanlage verstehe ich im Gegensatz zum Vermögensaufbau jede Einzelinvestition, egal wie hoch die Summe auch sein mag. Denn in diesem Fall machst du dir nicht den sogenannten Cost-Average-Effekt zunutze. Hier bist du abhängig vom Faktor Timing.

Natürlich kenne ich die Statistiken, die besagen, dass jede Aktieninvestition nach einer gewissen Laufzeit X ins Plus gelaufen ist, auch wenn man zum ungünstigsten Zeitpunkt investiert hätte. Kurz gesagt: Du kaufst zu einem Allzeithoch, kurz bevor der Aktienmarkt zusammenbricht. Spätestens nach zwölf Jahren wärst du dennoch im Plus. Doch ist das wirklich realistisch, dass ein Anleger seine Minusposition im Depot über einen solchen Zeitraum aufrechterhält, nur um nach einer vollen Dekade seinen Einstandswert wiederzusehen? Ich hege da meine Zweifel.

Insbesondere weil bei der Vermögensanlage immer auch der Faktor Vermögenserhalt eine gewichtige Rolle spielt. Wer sich einmal mühselig 10.000, 50.000 oder auch 100.000 Euro zusammengespart hat, dürfte nur schwerlich bereit sein, tatenlos dabei zuzuschauen, wie diese Summe in einem Crash in sich zusammenfällt. Was sich in der Theorie großartig an- hört – einmal kaufen, Schlaftabletten nehmen und reich aufwachen –, wird sich in der Praxis ziemlich mies anfühlen. Über Buy-and-Hold theoretisieren ist leicht, die Umsetzung in der Praxis bringt sogar hartgesottene Vollprofis an ihre Grenzen.

Buy-and-Hold-and-Check

Das bedeutet allerdings nicht, dass ich eine langfristige, relativ passive Anlagestrategie verteufele. Im Gegenteil, den Faktor Langfristigkeit finde ich immens wichtig. Man sollte sich jedoch auch um seine Investments kümmern und diese zumindest unter Kontrolle behalten. Kostolanys Schlaftabletten sind nicht schlecht, doch gegen einen wachsamen Blick ist auch nichts einzuwenden, oder? Insofern ist – egal ob in guten oder in schlechten Börsenzeiten – die Strategie Buy-and-Hold- and-Check die empfehlenswerteste Strategie. Von Gewinnmitnahmen und Verlustbegrenzungen ist noch niemand gestorben. Man sollte nur das richtige Maß finden.