Diversifikation: Welche Rolle Einzelaktien in deinem Depot spielen sollten
Die bekannten US-Konzerne und ein paar deutsche Klassiker – das war´s. So sehen hierzulande viele Depots aus. Einzelaktien werden häufig falsch eingesetzt.
Als ich zur Jahrtausendwende in die Börsenwelt einstieg, habe ich so gut wie alle Fehler gemacht. Zunächst habe ich nur deutsche Einzelaktien gekauft, man kennt sie ja schließlich oder glaubt es zumindest. Danach habe ich mich von der Euphorie des Neuen Marktes anstecken lassen und blind eine Neuemission nach der anderen gezeichnet. Und im Anschluss habe ich mich nahezu wahllos auf vermeintlich verheißungsvolle US-Titel konzentriert. Das kann aufgehen, mit einem planvollen Vermögensaufbau hat das jedoch reichlich wenig zu tun. Stichwort: Diversifikation, also Streuung. Doch allzu viele deutsche Depots sind immer noch so aufgebaut.
Auf diese Einzelaktien setzen die Deutschen
12,3 Millionen Bundesbürger setzen auf Aktien, wie aus Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) hervorgeht. Das ist zunächst eine erfreuliche Nachricht. Doch viele dieser Privatanleger setzen vermehrt auf heimische Unternehmen, man spricht vom sogenannten Home-Bias. Die Consorsbank hat hierzu interessante Einblicke in die von ihr betreuten Depots gegeben. Demnach entfielen 58,3 Prozent des Kaufvolumens im ersten Halbjahr 2023 auf deutsche Aktien. In den ersten sechs Monaten 2018 traf das mit 67,6 Prozent noch auf mehr als zwei Drittel des gesamten Kaufvolumens zu. Betrachtet man indes die Kauftransaktionen, entfiel davon im ersten Halbjahr 2023 tatsächlich „nur“ etwas weniger als die Hälfte auf deutsche Aktien. Dass der Anteil des Kaufvolumens deutlich höher ausfiel, liegt schlicht an der investierten Summe je Transaktion. So legten die Consorsbank-Kunden im ersten Halbjahr 2023 im Durchschnitt 6.232 Euro je Kauf in deutschen Aktien an. In US-Aktien und sonstige europäische Werte flossen indes lediglich 4.684 bzw. 3.811 Euro im Mittel.
Top-10-Aktien nach Depotvolumen (Consorsbank-Kunden)
ETF-Name | WKN |
---|---|
Apple | 865985 |
Allianz | 840400 |
Microsoft | 870747 |
Siemens | 723610 |
BASF | BASF11 |
SAP | 716460 |
Mercedes-Benz | 710000 |
Amazon | 906866 |
Deutsche Telekom | 555750 |
Münchner Rück | 843002 |
Quelle: Consorsbank (Stand: 30.11.2023) |
In der Rangliste der 40-Top-Aktien nach ihrem Anlagevolumen zum Stichtag 30. Juni hat sich 2023 die Anzahl der US-Titel in der vorderen Hälfte mehr als verdoppelt gegenüber 2018. So standen die US-Tech-Riesen Apple und Microsoft auf Platz eins und drei. Die deutschen Klassiker Allianz, Siemens, BASF, SAP und Mercedes-Benz landen ebenfalls ganz vorne. Deutsche Depots sind also nach der Devise gestrickt: Heimische Klassiker plus ein paar US-Tech-Giganten. In der Rückschau lief ein solches Depot sicher nicht schlecht, doch aus Chance-Risiko-Erwägungen ist davon abzuraten. Wir dröseln die einzelnen Aspekte auf und beginnen zunächst mit der Streuung.
Reichen 20 Einzelaktien?
Neulich war in einer großen deutschen Tageszeitung ein Bericht mit einer steilen These zu lesen: 20 einzelne Aktien genügen für Einsteiger, um breit gestreut und damit mit einem optimierten Chance-Risiko-Verhältnis zu investieren. Diese Behauptung ist aus meiner Sicht auf sämtlichen Ebenen falsch und sogar gefährlich. Mit 20 Titeln streust du nur breit genug, wenn du die Aktien zufällig auswählst. Und selbst dafür bräuchte es wohl noch deutlich mehr Unternehmen. Sobald du bewusste Entscheidungen triffst, werden sich gewisse Schwerpunkt ergeben – etwa auf deutsche Unternehmen oder US-Tech-Konzerne.
Tipp: Erfahre gleich, was eine Aktien ist und was der Unterschied zwischen ETFs und Aktien ist. |
Zwar sind die „Magnificent 7“, also die sieben großen amerikanischen Tech-Unternehmen (Apple, Nvidia, Alphabet [Google], Meta [Facebook], Amazon, Tesla und Microsoft), der Garant für den starken US-Aktienmarkt gewesen, doch das birgt gefahren. Denn dein Investment hängt dann vom Erfolg weniger Unternehmen ab, die möglicherweise ohnehin bereits teuer bewertet sind und sich obendrein ähnlich entwickeln. „Die „Magnificent 7“ stehen vor spezifischen Risiken, die ihre dominante Stellung im Markt und zukünftige Performance beeinflussen könnten“, gibt Konrad Kleinfeld, Leiter des Bereichs Fixed Income Sales EMEA für SPDR, zu bedenken. Du gehst ein wesentlich geringeres Risiko ein, wenn du weltweit anlegst – und die Renditeaussichten können sich dennoch sehen lassen. „Auf lange Sicht erwirtschaftet eine breit gestreute Aktienanlage durchschnittlich sechs bis neun Prozent Rendite pro Jahr“, sagt Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (DAI).
Zum anderen weiß niemand, ob sich der Siegeszug der Magnificent 7 so fortsetzen wird, keiner kennt die Gewinner von morgen. Langfristiger Vermögensaufbau beruht auf breite Streuung und nicht auf Wetten auf Branchen oder Länder. Wenn du denkst, die soliden deutschen Großkonzerne sind nicht so eine Wette, dann irrst du dich. Du setzt damit zwar nicht übermäßig auf die Tech-Sparte, wohl aber übermäßig auf den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Schwierige Informationsbeschaffung
Nun kommst du vielleicht auf die Idee: Dann erstelle ich mir einfach ein auseklügeltes Portfolio, das nach Branchen und Ländern ausgewogen ist. Das ist sicher möglich, aber sehr zeitintensiv. Du müsstest dir dann die entsprechenden Informationen selbst beschaffen, möglicherweise in einer anderen Sprache. Diese Infos müsstest du noch auswerten. Bewertungszahlen müssen her und diese ins Verhältnis gesetzt werden. Das werden wohl lange Excel-Listen.
Der Aufwand ist damit aber noch nicht zu Ende. Denn ein weiterer Aspekt, der gerade gegen ausländische Einzelwerte spricht, ist die Steuer auf Dividenden. Hier kommt die sogenannte Quellensteuer ins Spiel. Das ist eine Steuer auf Kapitalerträge (Dividenden und Zinsen), die ausländische Investoren an das Quellenland (also an das Land, in dem die Erträge angefallen sind) entrichten müssen. Diese Steuern sind somit auch von Deutschen zu zahlen, die im Ausland Kapitalerträge erwirtschaften. Diese Steuer kann entfallen, wenn es zwischen Deutschland und dem jeweils anderen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen gibt. Das ist jedoch nicht für alles Staaten der Fall. Grundsätzlich gilt in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen, dass eine Quellensteuer auf Dividenden bei höchstens 15 Prozent liegt. Wurde dir der Steuerbetrag bereits an der Quelle abgezogen, reduziert das die Ertragssteuern in Deutschland.
Einzelaktien treiben die Kosten
Neben all dem Aufwand und der Gefahr, sich bei einem solch umfangreichen Einzelwerte-Depot zu verzetteln, spricht ein ganz banaler Grund dagegen: die ausufernden Kosten. Die gekauften Aktien werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Jahr ganz andere Gewichte im Depot einnehmen. Um das Chance-Risiko-Verhältnis zu bewahren, müsstest du also von Zeit zu Zeit Anpassungen vornehmen (Rebalancing). Das wiederum kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Einzige Ausnahme: Du bist Kunde eines günstigen Neobrokers.
Am besten gleich ETFs kaufen
Wer sich besonders viel Mühe gibt, erhält ein besseres Ergebnis. Diese Losung gilt zwar im Leben sehr oft, leider platzt diese Hoffnung an der Börse jedoch zu häufig. So gelingt es nicht einmal Profis, langfristig höhere Renditen als der Gesamtmarkt zu erwirtschaften. Das zeigen Studien immer wieder sehr deutlich. Einzelaktien sind deswegen sehr oft vergebene Liebesmühe. Das bedeutet allerdings nicht, dass Einzelwerte zu verteufeln sind. Sie können als Depotergänzung dienen. Dazu solltest du allerdings bereits ein ausdifferenziertes Portolio aufgestellt haben – wenn es um den langfristigen strategischen Vermögensaufbau geht. Unternehmen, die du als chancenreich erachtest – oder die dir einfach am Herzen liegen – kannst du dann ergänzen.
Tipp: Hier findest du unsere ETF-Empfehlungen für den globalen Aktienmarkt. |
Besonders effizient gehst du vor, wenn du dir Chancen der Weltwirtschaft in dein Depot holst. Dazu genügt bereits ein Welt-ETF. Solltest du es etwas feiner haben wollen, dann sehe dir gleich unsere ETF-Musterportfolios an und ermittle mit dem Risikokapazitätsrechner deinen idealen Depot-Mix. Bevor du loslegst, solltest du einen günstigen ETF-Broker wählen.
Dir ist das zu viel Arbeit? Macht nichts, dann beauftrage einfachen digitalen Vermögensverwalter und nutze gleich unseren Robo-Advisors-Vergleich. Die Anbieter übernehmen dann die Verwaltung deiner globalen Geldanlage nach Lehrbuch – natürlich passend zu deiner Lebenssituation und Risikoneigung.