31. März 2023
J.P. Morgan AM: Eine Rezession macht noch keinen Bärenmarkt

Thomas Metzger (Bankhaus Bauer) über Inflation, Anleihen und Bitcoin

Hohe Inflation, Comeback der AnleihenGold oder Bitcoin? Thomas Metzger, Leiter Portfolio Management beim Bankhaus Bauer, im Interview.

Die Inflation ist weiter hoch. Wie sollten Anleger darauf reagieren?

In diesem Zusammenhang wird ja immer wieder geraten, Anleger sollten in Sachwerte investieren. Also in Gold, Kunst, Immobilien oder Aktien, insbesondere von Unternehmen, die über eine gewisse Preissetzungsmacht verfügen. Grundsätzlich sind hier Renditen, welche über der Inflationsrate liegen möglich, aber nicht garantiert. Insbesondere wenn die Teuerung extreme Werte wie derzeit aufweist. Man sollte sich aber auch nicht durch eine temporär hohe Inflation zu verrückt machen lassen. Betrachtet man bspw. die vergangenen zehn Jahre, hatten wir im Schnitt eine nicht hohe Preissteigerung.

Thomas Metzger, Leiter Portfolio Management beim Stuttgarter Bankhaus Bauer.
Thomas Metzger, Leiter Portfolio Management beim Stuttgarter Bankhaus Bauer.

Im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Inflation sowohl in den USA als auch in Europa sind wir seit Herbst letzten Jahres bereits deutlich optimistischer als der Großteil der Marktteilnehmer. Wobei sich mittlerweile die Konsens-Meinung diesbezüglich näher an unsere Schätzung geschoben hat. Insbesondere rückläufige Preise bei Energie sowie die konjunkturell bremsende Wirkung der restriktiven Notenbankpolitik sowohl der amerikanischen Fed als auch der europäischen EZB dürften im weiteren Jahresverlauf dafür sorgen, dass die Teuerung nachlässt. Wir rechnen nach wie vor mit über fünf Prozent Inflation für Deutschland und Europa sowie etwa vier Prozent für die USA. Wir werden mittelfristig jedoch auf Grund struktureller Faktoren wie bspw. dem Mangel an Arbeitskräften nicht mehr so schnell auf die tiefen Inflations-Niveaus der vergangenen zehn Jahre zurückkommen.  

Der Anleihen-Sektor scheint aufgrund der gegenwärtigen Notenbanken-Politik wieder attraktiver zu sein. Sehen wir derzeit das Comeback der Bonds?

In der Tat! Die Welt hat sich hier innerhalb weniger Monate komplett geändert. War es vor ein oder zwei Jahren kaum möglich auf Endfälligkeit eines Bonds etwas zu verdienen, bieten nun selbst extrem sichere deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zwei oder fünf Jahren interessante Perspektiven, obwohl die Renditen durch die Verwerfungen im amerikanischen Bankensektor zuletzt deutlich gefallen sind. Noch spannender schätzen wir den Bereich der Unternehmensanleihen ein, wo es bspw. möglich ist mit Dax-Titeln als Schuldner eine Rendite von deutlich über drei Prozent zu erzielen.

Wie würden Sie derzeit ein Portfolio mit 20.000 Euro bestücken?

Unter Chance-Risiko-Aspekten führt für einen langfristig denkenden Investor wohl auch in Zukunft kein Weg an Aktien vorbei. Zusammen mit den bereits erwähnten Unternehmensanleihen sollten diese meines Erachtens den mit Abstand größten Anteil am Portfolio ausmachen. Regional bilden unsere Schwerpunkte derzeit die USA und Europa, wir halten in einem unserer beiden Portfoliomodelle bspw. aber auch eine Position japanischer Titel. Konstruktiv sind wir im Hinblick auf die Branchenauswahl für die Themen Infrastruktur, Automation und Robotics sowie Healthcare. Im Segment Alternativer Investments sind für uns Themen wie Mikro-Finanz und Gold einen Blick wert. Discount-Zertifikate mit denen z.B. ein Aktienindex mit einem Risikopuffer gekauft werden kann und die eine positive Rendite auch bei einem seitwärts laufenden Markt ermöglichen, sind aktuell möglicherweise für viele Investoren auch interessant, da sie durch die höhere Volatilität der Aktienmärkte attraktiver wurden.

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Warum gerade diese Auswahl?

Mit den dargestellten Alternativen kann ein breit gestreutes Depot aufgebaut werden. Wichtig ist immer, auf eine ausreichende Diversifikation im Portfolio zu achten. Allerdings sollte die Gewichtung der Asset Klassen nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen, sondern ganz bewusst gewählt werden. Hier spielen individuelle Faktoren wie Alter, Vermögen, Risikobereitschaft, Verlusttragfähigkeit und Nachhaltigkeitspräferenzen des Investors sowie dessen Einschätzung der Märkte eine große Rolle.

Und wie sieht es bei einer Depotgröße von 200.000 Euro aus?

Grundsätzlich kann hier eine identische Aufstellung implementiert werden. Während bei 20.000 Euro Investitionssumme Einzeltitel wahrscheinlich keinen Sinn machen, bietet es sich hier für erfahrene Anleger jedoch an, einzelne Aktien oder Renten mit aufzunehmen.

In schwierigen Marktphasen ist der Ruf nach „sicheren Häfen“ immer groß. Ist das Gold oder eher Bitcoin?

Wir bevorzugen momentan Gold, was ja seiner Funktion als Stabilisator im Portfolio zuletzt während der Schwankungen der Märkte rund um die Bankenkrise in den USA gerecht wurde. Leider haben Kryptowährungen in der Vergangenheit den gewünschten Diversifikationseffekt gerade in schwierigen Zeiten oft nicht gezeigt und kamen bei Risk-Off-Phasen stärker unter Druck als bspw. Aktien.

Wie sehen Sie die Aktienmärkte im restlichen Jahresverlauf?

Die wirtschaftliche Dynamik wird in 2023 abnehmen. Lichtblicke sind jedoch vorhanden: der Ifo-Index, eine Umfrage zur Unternehmensstimmung in Deutschland, und das GfK-Konsumklima, eine Verbraucherbefragung für Deutschland, haben sich erholt. In den USA ist der Arbeitsmarkt nach wie vor in einer überraschend guten Verfassung. Insofern kann momentan eine schwere Rezession sowohl für die USA als auch für Europa ausgeschlossen werden. Auch China dürfte nach Beendigung der Covid-Maßnahmen neuen Schwung aufnehmen. Dieses sich aufhellende wirtschaftliche Bild wurde allerdings in den letzten Monaten von den Aktienmärkten zu einem guten Teil bereits antizipiert. Viel Luft nach oben dürfte es also nicht mehr geben bis Jahresende. Für die Entwicklung der Börsen in den nächsten zwölf Monaten und darüber hinaus sind wir allerdings vorsichtig optimistisch. Ein großer Teil des Zinserhöhungspfads, vor allem in den USA, scheint hinter uns zu liegen. Mit anderen Worten: Der geldpolitische Gegenwind sollte sukzessive abflauen, was Aktien attraktiv macht.