Konrad Kleinfeld (SPDR): "Anleihen sind relativ attraktiver als Aktien"
Welche Anleihen-Bereiche sind aus Ihrer Sicht im zweiten Halbjahr 2024 aussichtsreich? Was spricht gerade für diese Bereiche?
Der Markt für festverzinsliche Wertpapiere zeigt im Jahr 2024 ein durchaus differenziertes Bild. Während High-Yield-Segmente und Schwellenländeranleihen in Hartwährung eine positive YTD-Performance verzeichnen, belastet die Reduktion der Zinssenkungserwartungen im bisherigen Jahresverlauf das Potenzial langer Durationen. Grundsätzlich erwarten wir jedoch ein Szenario moderaten Wachstums, fortschreitender Disinflation und erster Zinssenkungen, was die Rentenmärkte relativ attraktiver erscheinen, lässt als Aktienmärkte.
In diesem Kontext sehen wir Chancen für eine sogenannte Barbell-Strategie, die kurzlaufende Investment-Grade-Unternehmensanleihen und langlaufende Staatsanleihen kombiniert, um ein optimales Rendite-Duration-Profil zu erzielen. Eine Versteilerung der Zinskurve (vom kurzen Ende der Kurve durch die Notenbanken) könnte die Performance kurzlaufender IG-Corporate-Durationen verbessern und interessante Roll-Down-Effekte erzeugen. Zusätzlich könnte das Thema Konvexität durch Wandelanleihen adressiert werden.
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Taktisch sind wir nach den starken letzten Monaten bei Hochzinsanleihen kurzfristig weiter positiv gestimmt, jedoch sehen wir mittelfristig größere Refinanzierungsbedarfe (gerade in Europa) bei weiterhin relativ hohen Zinsniveaus (und steigenden Ausfallraten) auf die Unternehmen zukommen. Diese Entwicklung betrachten wir mit Vorsicht. Die aktuell höheren Realrenditen, der hohe Carry und die insgesamt kürzeren Durationen im HY-Segment dürften die Performance jedoch weiterhin erstmal unterstützen. In einem globalen Portfolio sollten auch Schwellenländeranleihen nicht fehlen. Hartwährungsanleihen in Schwellenländern bieten hier aufgrund hoher Kupons und teilweise kürzerer Duration strategische Vorteile, insbesondere in einem Umfeld, in dem die Fed ihre Zinsen anpasst.
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Wie positionieren sich Anleger derzeit in Bezug auf den Anleihe-Sektor?
Im bisherigen Jahresverlauf zeigen Anleger ein insgesamt verstärktes Interesse an UCITS-Anleihe-Strategien, und im Besonderen in den Bereichen Staatsanleihen, geldmarktnahen Strategien und Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Dabei dominieren Kurzläufer, was die Unsicherheit der Anleger hinsichtlich der zukünftigen Zinsentwicklung widerspiegelt. Gleichzeitig verzeichnen auch ETFs auf Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten sowie breit diversifizierte Anleihe-ETFs, wie beispielsweise das Global Aggregate-Universum, deutliche Zuflüsse.
Werfen wir nun einen Blick auf den Aktienmarkt. Welche Branchen, Stil-Faktoren und welche Länder könnten sich ETF-Anleger in der zweiten Jahreshälfte näher ansehen? Sehen Sie irgendwo Comeback-Möglichkeiten?
In der zweiten Jahreshälfte 2024 könnten ETF-Anleger sektoral verstärkt auf Technologie-, Gesundheitswesen- und Energiebranchen setzen, die weiterhin erhebliches strukturelles Wachstumspotenzial bieten in unseren Augen. Stil-Faktoren wie Qualität und Dividendenrendite sind ebenfalls attraktiv, da sie stabile Erträge versprechen und attraktiv bei steigenden Realrenditen (in einem disinflationären Umfeld) erscheinen.
US-Aktien sind zudem aufgrund ihrer hohen Resilienz und Wettbewerbsvorteilen bei uns immer noch bevorzugt, wobei der Fokus auf Qualitätsaktien mit soliden Bilanzen liegt, um den Druck durch eine straffe respektive restriktive Geldpolitik zu bewältigen. Europäische Aktien stehen vor Herausforderungen durch immer noch hohe Verbraucherpreise und steigende Rezessionsrisiken. In Schwellenländermärkten hat der Optimismus, trotz der diesjährigen Performance von chinesischen Aktien, nachgelassen, jedoch bieten strukturell wachsende Sektoren selektive immer noch Chancen. Japanische Aktien haben dagegen einen weiterhin positiven Ausblick bei uns dank steigender Inflation, höherer Löhne und Staatsausgaben sowie Verbesserungen in der Unternehmensführung, Aktienrückkäufe und Kapitaleffizienz, anstoßen durch die Regierung sowie die Tokioter Börse.
Können Sie bitte näher auf die Chancen und Risiken dieser Bereiche eingehen? Was gibt es zudem zu beachten?
Neben den bereits angesprochenen Chancen in US-Large-Caps, Japan sowie selektiven Möglichkeiten in Europa und Schwellenländern wird dieses Jahr stark von geopolitischen Ereignissen geprägt. Dazu gehören nicht nur die kürzlich stattgefundenen Wahlen in Mexiko und Indien, sondern auch die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl im vierten Quartal 2024.
Historisch gesehen haben sich Sektoren während und nach US-Präsidentschaftswahlen als besonders dynamisch erwiesen. Ein Beispiel hierfür ist die Wahl 2016, bei der die Renditedifferenz zwischen dem besten (Finanzsektor) und dem schlechtesten (Versorgersektor) US-Sektor nach der Wahl 17 Prozent betrug. Bei der Wahl 2020 sprang der Energiesektor um 27 Prozent an und übertraf damit den Versorgersektor deutlich. Man könnte also zusammenfassen, dass in US-Wahljahren sich tendenziell größere Unterschiede in den Sektor-Renditen zeigen als in Nichtwahljahren. So stieg der S&P 500 Index im November 2016 um nur drei Prozent, während der Finanzsektor aufgrund der Deregulierungserwartungen stark zulegte. Im November 2020 stieg der S&P 500 Index um acht Prozent, wobei der Energiesektor aufgrund von Bidens erneuerbarer Energieagenda besonders hervortrat.
Auch wenn die politischen Programme der Kandidaten unterschiedlich sind, glauben wir, dass die Implikationen für einzelne Politikmaßnahmen in diesem Jahr nur bedingt stark voneinander abweichen, auch weil der fiskale Rahmen dafür kaum da ist. Ein republikanischer Sieg könnte Deregulierungen und fiskalische Expansionen fördern, was insbesondere den Finanz- und Energiesektoren zugutekäme. Der Steueraufwand für Unternehmen (durch Steuersenkungen) würde jedoch nur marginal sinken, was die fiskalische Expansion weniger unterstützend für den Aktienmarkt macht. Bei einer Wiederwahl Bidens wird erwartet, dass der Fokus auf Infrastruktur und erneuerbare Energien bestehen bleibt, was den Industriebereich und den grünen Energiesektor weiter unterstützen würde.