Das bedeutet der EZB-Zinsentscheid für dein Anleihen-Investment
Tut sie es oder tut sie es nicht? Senkt die EZB am Donnerstag tatsächlich die Zinsen, sind das die Folgen für Anleihen und Anleihen-ETFs.
Ob Ludwig Wittgenstein sich eingehend mit Zentralbanken beschäftigt hat, darf bezweifelt werden. Der Philosoph ist bekannt für sein Zitat ‚Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt‘. Bei Wordings von Fed-Präsident Jerome Powell oder EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte er eine krasse Grenzerfahrung machen. Gern halten sich die Währungshüter kryptisch: Lohndynamik, Inflationsdruck und Zinspfad sind da noch die verständlichsten Ausdrücke. Vergleichsweise klar positionierte sich in der vergangenen Woche hingegen EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, der in einem Interview mit der Financial Times sagte, dass es genug Anzeichen gebe, um „Restriktionen“ zu entfernen „wenn es keine großen Überraschungen gibt“. Kommt es also zu einer Zinssenkung am Donnerstag (06. Juni)? Schön und gut, doch was bedeutet das jetzt für deine Geldanlage im Allgemeinen und Anleihen im Speziellen?
Losgelöst vom Für und Wider einer aktuellen Zinssenkung: Der Zins ist der Preis des Geldes und das wichtigste Barometer ist der Leitzins der jeweiligen Zentralbank. In Europa wacht darüber die Europäische Zentralbank (EZB). Seit September 2023 beläuft sich die Notiz auf 4,5 Prozent. Im Raum steht nun eine Senkung um 0,25 Prozentpunkte. Die US-amerikanische Federal Reserve Bank (Fed) berät übrigens in der Folgewoche über ihr weiteres Vorgehen. Erwartet wird, dass sich in den USA erst einmal nichts ändert. Ausschlaggebend für Zinserhöhung oder -senkung ist die Geldwertstabilität. Sie wird gemessen an der Inflationsrate. Auf dem Höhepunkt lag diese in der Eurozone im Herbst 2022 bei mehr als zehn Prozent. In Deutschland erreichte sie ihr Hoch im Oktober 2022 bei 8,8 Prozent. Seither ist sie auf 2,4 Prozent gefallen (per Ende Mai). In Europa beträgt die auch Teuerung genannte Inflation ebenfalls 2,4 Prozent. Das lässt der EZB Freiraum für eine Zinssenkung. Denn das Inflationsziel liegt langfristig bei zwei Prozent.
Was passiert mit den Anleihen?
Warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Am Leitzins orientieren sich nicht nur die Zinsen der Banken – beispielsweise beim Dispo-Kredit oder dem Tagesgeldkonto – sondern auch die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen. Kommen sie günstiger an Geld, können sie ihre Wachstumspläne auch günstiger finanzieren. Zudem reduziert sich der Schuldendienst für bisher aufgenommene Kredite. Was passiert? Bei börsennotierten Unternehmen steigt der Aktienkurs. Bei Anleihen ist der Fall etwas anders. Hier besteht eine Wechselwirkung. Wenn die Zinsen am Markt steigen, fallen die Preise der Anleihen – und umgekehrt. Fallen die Zinsen am Markt, dann steigen die Kurse der Anleihen. Wir haben dazu in unserem Wissensbereich weitere Artikel zusammengefasst.
Alles zu Anleihen: Du möchtest tiefer in das Thema Anleihen einsteigen? Kein Problem. In unserem Wissensbereich klären wir die Frage: Was sind Anleihen?
Nehmen wir an, Anlegerinnen und Anleger halten eine Anleihe mit einer jährlichen Verzinsung von einem Prozent. Sie werden diese verkaufen, wenn eine ähnliche Anleihe mit einer höheren Zinszahlung auf den Markt kommt. In der Folge fällt der Preis der „alten“ Anleihe. Wie sieht es für den anderen Fall aus? Wer eine „alte“ Anleihe von 1,5 Prozent hält, während es am Markt nur Papiere mit niedrigen jährlichen Zinszahlungen (Kupon) gibt, steigt der Wert der „alten“ Anleihen bei fallenden Zinsen, da diese attraktiver sind. Diese Mechanik sollten sich Anlegerinnen und Anleger auf jeden Fall vor Augen führen.
Das ist bei Anleihen ETFs nun zu beachten
In einem Wertpapier-Portfolio sollten Anleihen zur Diversifikation nicht fehlen. Sie sorgen aufgrund ihrer geringeren Schwankungsbreite – hier hauptsächlich Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Bonität – für Stabilität. Wer nicht direkt in Anleihen investieren möchte, kann den Anleihenanteil im Depot auch mit entsprechenden ETFs abbilden. Dabei gibt es allerdings zwei wichtige Punkte zu beachten.
Ruhe bewahren: Das klingt einfacher, als es ist. Anlegerinnen und Anleger dürfen sich nichts vormachen, denn auch Anleihen-ETFs können an Wert verlieren – auch zweistellig. Gemessen am Kurswert hat der iShares Core € Govt Bond (WKN: A0RL83) zu Zeiten der jüngsten Zinserhöhungen der Jahre 2022 und 2023 mehr als ein Fünftel an Anteilswert verloren. Seit dem aktuellsten Tief im Herbst 2023 befindet er sich wieder auf Erholungskurs und konnte etwa fünf Prozent auf knapp 110 Euro aufholen.
Was ist drin? Anleihen-ETFs haben gegenüber Einzelinvestments einen wichtigen Vorteil: die Diversifikation. Mit nur einem Produkt investieren Anlegerinnen und Anleger gleich in mehrere Anleihen. Dennoch sollten immer darauf geschaut werden, was drin ist. Beim oben genannten ETF nimmt Italien mit knapp 22 Prozent einen größeren Anteil ein als Deutschland mit knapp 20 Prozent. Dabei hat Italien ein Rating von „BBB“. Deutschland hält ein „AAA“-Rating. Bedeutet: Aufgrund der geringeren Bonität bringt das italienische Staatspapier zwar mehr Rendite, weist aber grundsätzlich mehr Risiko auf. Auch wenn uns allen noch Ex-EZB-Chef Mario Draghis „Whatever it takes“-Rede in den Ohren hallt.
Wie du von fallenden Zinsen profitieren kannst, haben wir dir in diesem Video einmal zusammengefasst.
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Anleihen anders gedacht – mit Laufzeiten ETFs
Neben klassischen Anleihen ETFs können Anlegerinnen und Anleger auch zu sogenannten Laufzeiten-ETFs greifen. Sie erfuhren zuletzt einen großen Hype. Im Gegensatz zu den konventionellen Anleihen-ETFs beinhalten sie Anleihen, die nahezu alle dieselbe Fälligkeit besitzen. Somit wissen Anlegerinnen und Anleger bereits am Tag des Kaufs, mit welcher Rendite sie in etwas rechnen können. Gleichzeitig sinkt die Hürde für eine Investition. Während viele Anleihen meist nur ein hoher Stückelung von mehreren Tausend bis Zehntausend Euro möglich sind, können in Laufzeiten-ETFs bereits mit wenigen Euro investiert werden. Auch für Laufzeiten ETFs haben wir alle Informationen in unserem Wissensbereich zusammengetragen.
Laufzeiten-ETFs unter der Lupe: Wenn du mehr über Laufzeiten-ETFs erfahren möchtest, haben wir dir alle Fakten im Wissensbereich zusammengetragen.
Sie sind auch Teil unserer neuen Magazin-Ausgabe. Denn neben den bisherigen Anbietern iShares und Xtrackers ist mit Amundi nun ein weiterer Emittent am Markt tätig. Wir haben uns das Angebot einmal näher angeschaut.
Fazit:
Die Geldpolitik der Zentralbanken ist ein elementarer Treiber von Aktien- und Anleihen-Kursen. Auch wenn sie nicht immer zeitnah Einfluss nehmen. Anlegerinnen und Anleger sollten daher ein Auge auf mögliche Zinssenkungen und-erhöhungen haben und regelmäßig ihr Portfolio überprüfen. Dabei kann ein Portfolio-Tracker wie der Finanzmanager von extraETF helfen.
Der Portfoliotracker für Profis: Teste den extraETF Finanzmanager und hole mit hilfreichen Tools und übersichtlichen Visualisierungen mehr aus deiner Geldanlage heraus.
Autor Jens Jüttner
Jens Jüttner arbeitet seit 2022 als Redakteur bei extraETF. Durch seine Stationen bei der Funke Mediengruppe, Focus-Money und verschiedenen PR-Agenturen kennt er alle Seiten der Kommunikationsbranche. Er hat ein gutes Gespür für relevante Nachrichten und Geschichten aus der Finanzbranche.
2022 verloren Anleihen und Aktien gleichermaßen, nun sind Bonds gefragt. Warum das so ist und welche Rolle sie im Depot spielen, beantwortet Sara Devereux.