Wann kann China wieder Wirtschaft?
Die Wirtschaft in China lahmt. Die Verbraucher werden immer vorsichtiger. Der Immobilienmarkt wird unberechenbarer. Wie geht es weiter?
Für große Investitionen in Infrastruktur wie in den vergangenen Jahren fehlt den Kommunen das Geld. Die Spuren an der Börse werden sichtbarer. Ein schwacher Immobilienmarkt. Verbraucher, die vorsichtig sind. Eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, immer weniger direkte Investitionen aus dem Ausland, ein Technologiestreit mit den USA um Chips und Waffen – dazu Deflation, schwaches Wirtschaftswachstum und ein schwacher Außenhandel – Chinas wirtschaftliche Probleme sind vielfältig.
Die Regierung versucht, mit Steuersenkungen und Förderungen für Haushaltsgeräte und Elektro-Autos, die Bevölkerung zum Konsum anzuregen. Zugleich halbierte sie die Börsentransaktionssteuer, die Notenbank senkte die Zinsen. Banken wurden angewiesen, mehr Kredite auszugeben. Der Internationale Währungsfonds rät China, vor allem die Binnennachfrage anzukurbeln, den Immobilien-Sektor zu sanieren und die Verschuldung der regionalen Regierungen in den Griff zu bekommen. Das ist nichts, was über Nacht funktionieren kann, über Nacht lösbar wäre.
Die Neue Seidenstraße – Symbol für die schwierige Lage
Will man verstehen, was Chinas Probleme für die Welt bedeuten, reicht ein Blick auf die Neue Seidenstraße. 2013 hatte China angekündigt, den einstiegen Mythos neu zu beleben. „One Belt and road“ sollte eine Route für Handel und Zusammenarbeit durch die ganze Welt werden. Entsprechend verabredete China mit vielen Staaten und Regionen Infrastruktur-Projekte. Die alle nur zu gern die chinesische Hand ergriffen: So würde in Straßen, Industrieparks, Häfen, Eisenbahnlinien und vieles mehr investiert. China sicherte sich neue Partner, Rohstoffe und Absatzmärkte.
Tipp: Hier findest du sämtliche ETFs auf den chinesischen Aktienmarkt. Übertreibe es allerdings nicht und setze auf weltweite Streuung. |
Doch in den vergangenen fünf Jahren vergab China immer weniger Kredite an die Länder, die Partner sein wollten, es sich finanziell aber nicht leisten konnten. Und so wurden immer weniger geplante Projekte umgesetzt. Ein Problem gerade für die finanzschwachen Länder: 60 Prozent von Chinas Krediten im Ausland sind ausfallgefährdet, ergab eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft vom Stand Ende 2022. 2010 waren es nach Angaben des Instituts fünf Prozent. Um Ausfälle zu vermeiden, vergibt China immer mehr Rettungskredite: Ende 2021 waren es bereits 128, im Wert von 240 Milliarden US-Dollar.
Riskantes Geschäft mit Rettungskrediten
„Chinesische Banken haben ein Interesse daran sicherzustellen, dass ihre größten ausländischen Kreditnehmer ausreichend liquide sind, um die ausstehenden Schulden für Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraße weiter zu bedienen. Peking versucht letztlich, seine eigenen Banken zu retten. Deshalb hat es sich auf das riskante Geschäft der internationalen Rettungskredite eingelassen“, hatte Carmen Reinhart, ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank und Mit-Autorin der Studie dazu gesagt.
Die Folgen von Chinas wirtschaftlichen Schwierigkeiten spürt die ganze Welt. Auch Deutschland. „Die abgelaufene Berichtssaison deutscher Unternehmen für das zweite Quartal zeigt, dass die weltweite konjunkturelle Abschwächung und die gestiegenen Zinsen immer mehr Wirkung zeigen“, beschreibt Markus Wallner von der Commerzbank die Lage. Im zweiten Quartal hätten eine überdurchschnittliche Anzahl Unternehmen Gewinnwarnungen veröffentlicht. Zwar gäbe es immer noch eine hohe Anzahl derer, die ihre Ertragsziele anheben. Aber: Die Absatzmärkte außerhalb Deutschlands würden zunehmend schwächeln. Das zeige die Entwicklung der Exporte dem zweiten Quartal des vergangenen Jahres. „Dabei ist der größte Rückgang bei den Exporten nach China und den USA zu beobachten.“
Enorme Folgen in Deutschland
Und so erwarten Ökonomen wie das Ifo-Institut, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, dass Deutschlands Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4 Prozent sinkt. Das Institut der deutschen Wirtschaft und das Institut für Weltwirtschaft sind mit -0,5 Prozent noch pessimistischer.
Dabei waren die Hoffnungen nach der Pandemie groß. Zu Jahresbeginn legten Chinas Börsen deshalb ordentlich zu. Der CSI 300 gewann allein im ersten Monat gut 10 Prozent an Wert, der Hang Seng noch etwas mehr. Seitdem geht es überwiegend abwärts.
Geld aus Chinas Aktienmarkt fließt ab
Im August wurden allein bis zur Monatsmitte rund 10 Milliarden US-Dollar aus dem chinesischen Aktienmarkt abgezogen, berichtet Goldman Sachs. Internationale Investoren hatten vor allen in den US-Markt umgeschichtet. Die Angst vor der Wirtschaftsflaute und vor allem vor einem Einbruch des Immobilienmarktes war größer geworden.
Allein der Immobilien-Entwickler Country Garden erhielt von seinen Gläubigern den zweiten Zahlungsaufschub für Anleihen seit zwei Wochen. Neben Country Garden in massiven Schwierigkeiten. Die Schulden des Konzerns sind mit 300 Milliarden US-Dollar fast so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz.
Doch in China sind viele Menschen in Immobilien investiert. Schon in jungen Jahren verschulden sie sich hoch für eine Wohnung oder ein Haus. 70 Prozent der chinesischen Vermögen liegen in Immobilien, weil es in China nicht so einfach ist, in viele verschiedene Anlage-Klassen zu investieren und eine eigene Immobilie einen hohen Stellenwert hat. Inzwischen haben seit der Immobilien-Krise 2021 viele Menschen ihr Kapital verloren. Auch das belastet die Wirtschaft.
Ermutigende Signale aus der Wirtschaft
Diese Ängste sind auch nicht vom Tisch. Doch immerhin – zuletzt zeigten sich ermutigende konjunkturelle Signale: Die Industrie produzierte im August mehr als erwartet, der Einzelhandel erzielte viel mehr Umsätze als gedacht. Im August war die Deflation wieder gewichen. Ökonomen halten das Phänomen sinkender Preise für noch gefährlicher als stete Preissteigerungen wie wir sie in Deutschland seit über einem Jahr erleben. Verbraucher zahlen zwar weniger für Waren und Dienstleistungen, aber Unternehmen halten sich auch hier mit Investitionen zurück: Es könnte ja künftig noch billiger werden. Außerdem drückt Deflation auf ihre Gewinn-Margen. Im schlimmsten Fall drohen Insolvenzen. Experten wie JP Morgan gehen aber nun davon aus, dass fünf Prozent Wirtschaftswachstum in China in diesem Jahr zu machen sind.
Chinas Schwäche – Indiens Stärke?
Nutznießer sind andere: Nicht erst seit China für seine Staatsangestellten und einige Staatsunternehmen das iPhone von Apple verboten hat, sind ausländische Unternehmen alarmiert. Auch die politischen Muskelspiele gegenüber Taiwan erhöhen die Sorgen. So verlagern Unternehmen wie Apple ihre Produktion nach Vietnam und Indien. Indien gilt ohnehin längst als neue, austrebende Supermacht. Nochmal der Internationale Währungsfonds (IWF): Er erwartet, dass die Wirtschaft Indiens in diesem Jahr um 6,1 Prozent wächst und 2024 sogar um 6,8 Prozent. In dem Tempo könne das Land Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt im Jahr 2025/26 ablösen, prognostiziert der IWF. China hofft auf fünf Prozent.
Der einstige Hoffnungsträger der Welt, China, ist nun das neue Sorgenkind. Und die Börse ist sein Spiegel. Der Hang Seng hat in diesem Jahr rund zehn Prozent eingebüßt. Zum Vergleich: Der Dax hat indessen 13 Prozent zugelegt, der MSCI World rund 15 Prozent.
Investieren in China? Vorsicht, Risiko!
Eine monatliche Umfrage der Bank of America unter Fondsmanagern ergab: Ein Drittel der Umfrageteilnehmer erwartet, dass der chinesische Immobiliensektor die wahrscheinlichste Ursache für ein „systemisches Kreditereignis“ sein könnte. Ihre Strategie sei vornehmlich „Avoid China“: China meiden. Wer in China investieren möchte, muss sich der aktuellen Risiken bewusst sein. Wer China in sein Depot als kleine Beimischung nehmen möchte, kann sich überlegen, ETFs auszuwählen. Das Angebot ist vielfältig, nahezu alle Emittenten haben Produkte für den chinesischen Markt aufgelegt.
Wählt man aber ETFs mit mindestens 100 Millionen Euro Fondskapital, einem Alter von mindestens drei Jahren und denen über fünf Jahre eine positive Entwicklung gelungen ist, findet bei extraETF lediglich zwei Produkte: den iShares MSCI China A UCITS ETF (WKN: A12DPT) und den Lyxor Hwabao WP MSCI China A (DR) UCITS ETF (WKN: LYX0SL) mit einer Performance von je 36 Prozent. Wenn man den Zeitraum auf drei Jahre oder gar eins verkürzt, war auch bei diesen Produkten die Performance nicht positiv – der Lyxor Hwabao rutscht auf Sicht eines Jahres sogar ans Ende der Peformance-Tabelle aller neun infrage kommender ETFs.
Etwas breiter gestreut: Emerging Markets in Erwägung ziehen
Wer das Risiko etwas breiter streuen möchte, könnte einen Emerging Markets ETF beimischen. Auch hier ist die Auswahl groß, der China-Anteil aber je nach Produkt deutlich geringer. Unter den vorgegeben Parametern nach Größe, Alter und Performance performt der SPDR MSCI Emerging Markets Small Cap UCITS ETF (WKN: A1JJTF) mit knapp 50 Prozent über fünf Jahre am besten, gefolgt vom iShares MSCI Emerging Markets Islamic UCITS ETF (WKN: A0NA47 ) (23 Prozent) und dem iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF (Acc) (WKN: A111X9) des gleichen Emittenten (22 Prozent). Über drei Jahre dominiert ebenfalls das SPDR-Produkt, gefolgt vom Lyxor MSCI Emerging Markets ex China UCITS ETF (31 Prozent) und dem Amundi MSCI Emerging Markets SRI UCITS ETF (Acc) (WKN: A2JSDD) (knapp 11 Prozent).