ETF-Kritik: Die Argumente dieser "Experten" sind grober Unfug
Einige Fondsmanager und Professoren warnen bereits seit Jahren vor ETFs. Die ETF-Kritik ist oftmals jedoch unterkomplex und im schlimmsten Fall sogar grob falsch. Wir machen den Faktencheck.
Die Liste der Befürworter von ETFs ist lang – und prominent besetzt! Neben Anlageexperten und Finanzwissenschaftlern wie Dr. Andreas Beck, Dr. Gerd Kommer oder Prof. Martin Weber sprechen sich beispielsweise auch die Bestsellerautorinnen Jessica Schwarzer, Margarethe Honisch (Fortunalista) oder Natascha Wegelin (Madame Moneypenny) für die Indexprodukte aus. Sogar Börsenikone Warren Buffett hat sich als ETF-Fan geoutet. Der US-Milliardär sagte vor einigen Jahren, er würde seiner Frau empfehlen, nach seinem Tod in ETFs zu investieren.
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ETF-Kritik: Dirk Müller und das „dumme Geld“
Sämtliche oben genannten ETF-Befürworter bieten sachlich nachvollziehbare Argumente auf. Im Kern lautet die Argumentation: ETFs sind einfach zu verstehende, kostengünstige Produkte, mit denen sich ohne viel Aufwand ein breit gestreutes Portfolio darstellen lässt.
Im Gegensatz zur Befürworter-Riege mutete die Liste der ETF-Kritiker jahrelang relativ dürftig an. Bekanntester Name war und ist Fondsmanager Dirk Müller, der regelmäßig darauf hinweist, er halte ETFs für „dummes Geld“. Während ETF-Experten für diese Schmähung angesichts ihrer offenkundigen Unterkomplexität lediglich ein müdes Lächeln übrig hatten, wurde Dirk Müller in den sozialen Netzwerken dafür mit Häme und Spott übergossen. Denn während der „Dirk Müller Premium Aktien“-Fonds (WKN: A111ZF) binnen fünf Jahren lediglich 5,5 Prozent erwirtschaftete, schaffte der MSCI World im gleichen Zeitraum satte 92 Prozent.
Zudem mussten Anleger, die 100.000 Euro in den Müller-Fonds investierten, in diesen fünf Jahren etwa 7.750 Euro an Gebühren dafür aufbringen. In einem ETF auf den MSCI World waren es je nach ETF nur zwischen 1.000 und 2.500 Euro. Insofern konnte man sich die Motive, die sich hinter Müllers ETF-Kritik verbargen, relativ schnell zusammenreimen.
Nun aber kommen fast wöchentlich neue Argumente auf, die vor den angeblichen Nachteilen und Gefahren von ETFs warnen sollen. Insofern erscheint es angebracht, die neuesten Contra-Argumente einem gründlichen Faktencheck zu unterziehen und die gängigsten Kritikpunkte an den passiven Indexprodukten noch einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen.
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Edouard Carmignac: „ETFs =sozialistische Buchhaltung“
Edouard Carmignac ist Gründer der Fondsgesellschaft Carmignac, die aktuell weltweit ca. 41 Milliarden Euro verwaltet. In einem Interview mit der FAZ spottete der Fondsprofi kürzlich über das Investieren mit ETFs: „Ich persönlich nenne das ja sozialistische Buchhaltung. Jeder verdient das Gleiche.“ Carmignac spielt darauf an, dass ETFs einen Index abbilden und entsprechend die Marktrendite verdienen.
Allerdings muss man ihm entgegnen, dass dies definitiv vorteilhaft ist. Zumindest wenn man dies mit den Ergebnissen der Zunft der aktiven Fondsmanager vergleicht. Eine aktuelle Studie der Ratingagentur Scope zeigt, dass 72 Prozent aller aktiven Fonds in der Vergleichsgruppe „Aktien Welt“ den MSCI World als Vergleichsindex im ersten Halbjahr 2021 nicht (!) geschlagen haben. Der Indexanbieter S&P Dow Jones kommt sogar zu dem Ergebnis, dass nach zehn Jahren 99 Prozent aller aktiven Fondsmanager in der Kategorie „Aktien Welt“ schlechter abschneiden als der MSCI World. Insofern scheint sich die „sozialistische Buchhaltung“ für Anleger als das überlegene Modell zu erweisen.
Prof. Elhauge: „ETFs schaden der Volkswirtschaft“
Das nächste Argument ist schon ernster zu nehmen. Es kommt von dem Harvard-Professor Einer Elhauge. Dieser kritisiert, dass die großen ETF-Anbieter oft dominante Anteilseigner von mehreren Unternehmen der gleichen Branche seien. Dies schwäche tendenziell das Konkurrenzverhalten von Firmen, die in der gleichen Branche tätig sind. Ergo: ETFs würden damit indirekt Innovationen behindern – und im Endeffekt der gesamten Volkswirtschaft schaden.
Diese ETF-Kritik mutet zunächst schlüssig an. In klassischen ETF-Produkten fließt das Geld tatsächlich in der Regeldenjenigen Aktien mit dem höchsten Börsenwert zu. Dass dies allein schon Innovationen behindert und eine Wettbewerbsverzerrung darstellt, scheint jedoch arg an den Haaren herbeigezogen zu sein. Denn vielfach haben selbst die großen ETF-Emittenten wie Blackrock, Vanguard und State Street lediglich Unternehmensanteile im mittleren einstelligen Prozentbereich. Obschon hier eine starke Verantwortung in puncto Stimmrechte damit einhergeht, erscheint es doch eher unrealistisch, dass damit kartellartige Strukturen in den einzelnen Branchen entstehen.
Zudem muss man Professor Elhauge entgegenhalten, dass es durchaus eine ganze Menge Branchen und Themenfonds gibt, die keineswegs nur nach der reinen Marktkapitalisierung in Aktien investieren – und somit auch jungen, innovativen Firmen helfen, sich über die Börse zu kapitalisieren. Es existieren außerdem bereits seit geraumer Zeit spezielle Small- und Midcap-ETFs, die in kleine und mittelgroße Unternehmen investieren. Anleger profitieren hierbei vom sogenannten Size-Effekt.
Denn je kleiner die Unternehmen, desto größer oftmals die Rendite. Auch etabliert sich in der ETF-Industrie aktuell ein neuer Trend. Sogenannte gleichgewichtete ETFs bzw. Equal Weight ETFs werden immer beliebter. Anders als herkömmliche ETFs achten Equal Weight ETFs nicht auf die Marktkapitalisierung oder Rendite der enthaltenen Aktien, sondern gewichten jede Aktie im Index gleich. Somit wird das Klumpenrisiko, das durch eine reine Marktkapitalisierungsgewichtung verursacht wird, schlicht umgangen.
Ganz außer Acht lässt Professor Elhauge zudem die positiven volkswirtschaftlichen Effekte von ETFs, die im Kontext der privaten Altersvorsorge entstehen. Denn da ETFs langfristig höhere Renditen versprechen als beispielsweise klassische Rentenversicherungen, dürfte vielen Bürgern im Alter mehr Geld zur Verfügung stehen.
Max Otte: „ETFs haben in Crashs zu wenig Liquidität“
„Anleger denken, sie besitzen ein liquides Produkt. Aber wenn die Kursblasen irgendwann platzen, dann gibt es keinen Markt mehr für diese ETFs“, sagte Fondsmanager Max Otte vor einigen Jahren in einem Interview. Ein ETF könne nicht liquider als die von ihm abgebildeten Vermögenswerte sein – also etwa Aktien oder Anleihen –, so die Argumentation. Insbesondere in einer Abwärtsphase würden Anleger ihre Anteile nicht los, was einen heftigen Preissturz nach sich ziehen könnte.
Auch diese ETF-Kritik ist nicht valide. Denn als die Kapitalmärkte aufgrund der sich rasch ausbreitenden Coronapandemie im Februar und März vergangenen Jahres in die Knie gingen, funktionierte der ETF-Handel reibungslos. Dafür sorgen Market Maker, die den ETF-Emittenten Liquidität zur Verfügung stellen. In sehr liquiden Märkten wie dem Dax oder dem S&P 500 ist dies ohnehin kein Problem. Das Problem könnte lediglich in sehr speziellen Nischenmärkten wie zum Beispiel Hochzinsanleihen eines Schwellenlandes auftreten. Das sollten Anleger, die in exotische Märkte investieren, jedoch auf dem Radar haben.
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Prof. Zechner: „Dominanz von Blackrock & Co. ist gefährlich“
Die ETF-Kritik kommt oftmals aus den Banken, die am Vertrieb aktiver Fonds gut verdienen. Prof. Martin Zechner von der Uni Wien sieht darin keinen Zusammenhang. Im Gegenteil: „Der gravierende Unterschied zu den aktiv gemanagten Fonds ist, dass die Anbieter Blackrock, Vanguard und State Street den Markt dominieren. Sollte einer der großen Drei in Schieflage geraten, könnte das den gesamten ETF-Markt in eine Krise bringen“, sagt Zechner.
Das Argument ist weder schlüssig noch inhaltlich gehaltvoll. Denn man könnte dieses Argument für jede x-beliebige Branche vorbringen. Geht einer der drei größten Autobauer pleite, hat dies selbstverständlich negative Folgen für die Branche. Das gilt jedoch eher für die Anbieter (Börsenkurse fallen, Kreditkonditionen verschlechtern sich) und nicht unbedingt für die Kundinnen und Kunden. Denn wie wir bereits auf Seite 15 dieser Ausgabe erläutert haben, sind die Kundengelder sogar im Fall der Insolvenz eines ETF-Anbieters rechtlich geschützt. Selbst wenn alle drei genannten Firmen gleichzeitig insolvent gehen würden, wofür es nicht die geringsten Anzeichen gibt, hätte das für die Kunden keine nennenswerten Auswirkungen.
Michael Green: „ETFs verstärken die Crashgefahr“
Der US-Portfoliomanager Michael Green vertritt die These, dass passives Investieren eine historisch beispiellose Aktienblase herbeiführe, die platzen werde, sobald die Zuflüsse in ETFs versiegen und Gelder abgezogen werden. Kurz gesagt: ETFs sorgen für Preisblasen an den Märkten und verstärken die Crashgefahr.
Auch diese ETF-Kritik ist grob falsch. Die Finanzaufsicht Bafin jedenfalls sieht keine Anzeichen für eine erhöhte Kursreaktion an den Märkten, die von Indexfonds verursacht werde. Auch der Internationale Währungsfonds sieht keine Hinweise darauf, dass ETFs Kurse stärker beeinflussen können als aktiv gemanagte Fonds. Die Bank für internationalen
Zahlungsausgleich BIS hat zudem eine Studie veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kommt, dass passive Investoren wie ETF-Anleger eher langfristig orientiert sind und die entsprechenden Produkte eben nicht zum aktiven Trading nutzen. Passive Investoren tragen also eher zur Stabilisierung der Kapitalmärkte bei als zum Gegenteil. Dies wird illustriert mit einer detaillierten Analyse der Zu- und Abflüsse in passive beziehungsweise aktive Investmentfonds. Allerdings muss man einschränkend anmerken, dass es durchaus Investoren wie beispielsweise Hedgefonds gibt, die ETFs als Spekulationsobjekte nutzen.
Fazit zur ETF-Kritik
Eins muss man den ETF-Kritikern lassen: Sie sind durchaus fantasiebegabt. Allerdings halten ihre Argumente einer kritischen Überprüfung nicht stand. Anlegerinnen und Anleger, welche die Vorteile von ETFs für sich entdeckt haben, sollten sich nicht verrückt machen lassen und sich lieber auf die Fakten konzentrieren.