Anleger in Technologietitel müssen starke Nerven zeigen
Derzeit werden Investoren mit Technologietitel aber auf eine harte Probe gestellt. Wie geht es weiter mit KI-Werten? Wie sind die Chancen?
Der Kater nach der Party? Anleger in Technologietitel müssen derzeit Nerven beweisen. Das zeigt sich an einem prominenten Beispiel: Nvidia. Jüngst hat der Konzern mitgeteilt, dass er im ersten Quartal 2025 trotz des Gegenwinds der amerikanischen Handelspolitik den Umsatz um 69 Prozent auf 44,1 Milliarden Dollar und den Gewinn um 25 Prozent auf fast 18,8 Milliarden Dollar gesteigert hat, was gut an der Börse ankam. Die Sorgen, dass der chinesische Chatbot-Entwickler Deepweek das Geschäftsmodell von Nvidia gefährden, scheinen abzunehmen.
Einzelne Technologietitel? Lieber einen Tech-ETF
„Das Beispiel von Nvidia zeigt, wie eng Erfolg und Misserfolg im Technologiesektor beieinander liegen, wie volatil die Aktienkurse im Technologiebereich verlaufen können. Für Anleger bedeutet dies, dass Investments in Einzeltitel hohe Risiken bergen und ein diversifizierter Ansatz mit einem breiten Portfolio einer Anlage in einzelne Aktien überlegen ist“, sagt Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE. Wenn du also auf Technologietitel setzen möchtest, bieten sich entsprechende ETFs an.
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Wie geht es bei KI weiter?
„Bisher konzentrierten sich die Anleger beim Thema KI vor allem auf Infrastruktur, Halbleiter und andere Hardware. Dies wird unserer Einschätzung nach auch künftig ein Schlüsselthema sein. Neben immer leistungsfähigeren und schnelleren Halbleitern werden auch Quantencomputer sowie die weitere Vernetzung von Computern und Robotern in Zukunft eine größere Rolle spielen – auch an den Finanzmärkten“, meint Viebig. Nach dem Erfolg von Open AI mit dem Chatbot Chat GPT seien neben den Glorreichen Sieben viele weitere Technologieunternehmen in diesen Bereich eingestiegen, wie etwa Mistral AI aus Frankreich, Anthropic (gegründet von ehemaligen OpenAI-Mitarbeitern) oder auch Cohere aus Kanada.
„KI ist heute wie das Internet vor vielen Jahren“, urteilt die Strategieberatung McKinsey. „Das Risiko liegt für Unternehmensführer nicht darin, dass sie zu groß denken, sondern zu klein.“ Doch wer auf Einzelwerte setzt, läuft Gefahr, auf das falsche Pferd zu bauen. Blicke hierzu einfach in die Vergangenheit und denke an Werte wie Nokia oder Blackberry. Die Gefahr, strategische Fehler zu machen, ist bei KI nicht weniger groß als zu Beginn des Computerzeitalters. „In den vergangenen Jahren hat sich die Entwicklung von KI-Systemen stark verändert. Stehen derzeit Chatbots im Mittelpunkt, so werden in Zukunft vermutlich KI-Agents wichtiger, die schrittweise den Weg zu einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI) ebnen. KI-Agenten gehen einen Schritt weiter als Chatbots, die sich auf vordefinierte Gesprächsmuster beschränken. KI-Agenten werden Handlungen in mehreren Schritten planen und Entscheidungen für uns übernehmen. Damit werden neue Geschäftsmodelle in den Blick rücken“, so Viebig, der etwa an selbstfahrende Autos, Smart Homes und autonom fliegende Drohnen zur Paketauslieferung denkt.
Das sei zum Teil Zukunftsmusik. Konkreter werde der Einsatz von KI in der Rüstungsindustrie, bei Robotern in der Industrie und in der innovativen Medizin, beispielsweise mit Robotern, die bei Operationen unterstützen. Auch ist denkbar, dass dank KI die Vitalwerte von Patienten zuverlässig überwacht werden. Das heißt: Werden festgesetzte Grenzwerte bei Blutdruck, Sauerstoffsättigung des Blutes oder Herzfrequenz überschritten oder unterschritten, schlagen die Systeme automatisch Alarm. Dadurch kann wertvolle Zeit gewonnen werden.
Laut McKinsey hat KI „das Potenzial, einen ebenso großen Wandel herbeizuführen wie die Dampfmaschine die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert“. Die Strategieberatung schätzt das langfristige Marktpotenzial von KI auf 4,4 Billionen US-Dollar, wenn man das potenzielle Produktivitätswachstum in den Geschäftsmodellen der Unternehmen zusammennimmt. Hightech erreichte laut McKinsey im vergangenen Jahr weltweit eine Wertschöpfung von 268 Milliarden, die Halbleiterindustrie 123 Milliarden US-Dollar. Pharma und Biotech kamen auf 155 Milliarden US-Dollar, Konsumgüter auf 120 Milliarden US-Dollar. Damit ist nach Ansicht Viebigs die Bedeutung von Hightech und Halbleitern so groß geworden, dass kein Anleger diese Sektoren ignorieren sollte. Klar ist auch: Der Einsatz neuer Technologien wird KI-Anwendungen günstiger machen, aber auch immer mehr Energie verschlingen. „Nach einigen Schätzungen wird mit KI-Anwendungen dieses Jahr erstmals mehr Energie verbraucht als in Japan. Der energiefressende Siegeszug der KI wird anhalten“, sagt Viebig. Das wiederum könnte Erneuerbare-Energie-ETFs auf den Plan rufen.
Viebig halt fest, dass die KI-Aussichten aktuell von der geoökonomischen Unsicherheit belastet werden: „Auch amerikanische Tech-Konzerne entgehen nicht Trumps Handelspolitik. So unterliegt auch Nvidia Exportbeschränkungen für seinen H20-Prozessor, wodurch das Unternehmen in den ersten drei Monaten 2025 eine Umsatzeinbuße von 4,5 Milliarden US-Dollar erlitten hat. Auch andere Tech-Unternehmen würden unter einer Verschärfung des Handelskonflikts zwischen den USA und China leiden. So wird für Meta befürchtet, dass chinesische Werbekunden wie Shein oder Temu ihre Werbeausgaben auf den beiden wichtigsten Social-Media-Plattformen des Konzerns, Facebook und Instagram, senken könnten. Im Jahr 2024 hat Meta in China einen Umsatz von 18,35 Milliarden US-Dollar erzielt, hauptsächlich durch Werbung. Das waren immerhin 11,2 Prozent des Gesamtumsatzes. Auch Apple wäre stark betroffen. Zwar hat der iPhone-Hersteller seine Produktion in China reduziert, doch der Konzern wird in diesem Jahr voraussichtlich weniger iPhones in China verkaufen.“
Das liege zum Teil daran, dass die chinesischen Konkurrenten Huawei und Xiaomi stärker werden, aber auch daran, dass chinesische Verbraucher angesichts des Handelskonflikts stärker zu heimischen Produkten greifen könnten. „Diese Einschätzungen unterliegen angesichts von Trumps erratischen Kehrtwenden einer großen Unsicherheit, doch sie zeigen, wie viel für die amerikanische Tech-Branche auf dem Spiel steht“ führt Viebig aus und rät Anleger, diese handelspolitischen Aspekte nicht zu ignorieren. Gleichwohl könnten die politischen Verwerfungen, die derzeit auch an den Aktienmärkten Nervosität auslösen, für langfristig orientierte Anleger mit entsprechender Risikobereitschaft Einstiegsmöglichkeiten zu niedrigeren Bewertungen bringen.
„Denn wir halten Künstliche Intelligenz weiterhin für eines der spannendsten Anlagethemen an den globalen Aktienmärkten. Für Anleger bedeutet dies, dass KI sich nicht mehr auf Halbleiter und den Tech-Bereich im engeren Sinne beschränkt, sondern auch immer mehr andere Branchen weit darüber hinaus betrifft. Auch dieser Aspekt zeigt, wie wichtig ein langfristiger und planmäßiger Aufbau eines Aktienportfolios ist, das diese Trends spiegelt und gleichzeitig das Risiko von Einzelinvestments durch Diversifikation mindern könnte.“