4. März 2023

Aktienrente: Eine verpasste Chance für Deutschland

Mit der Aktienrente die Renten für Millionen Bundesbürger erhöhen, so das Wahlversprechen der FDP 2021. Nun kommt die Reform. Warum trotzdem alles ganz anders ist und weshalb du unbedingt weiterhin privat vorsorgen solltest.

2023 soll ein großes Jahr für das deutsche Rentensystem werden. Im Koalitionsvertrag 2021 angekündigt, wird sie nun Wirklichkeit: die Aktienrente. Dass eine Reform des maroden Rentensystems fällig war, ist schon seit Jahren klar. Altersarmut ist längst keine bloße Bedrohung mehr, sondern für tausende Rentner bereits bittere Realität – und für die Generationen X, Y und Z ein bedeutender Angstfaktor. Private Altersvorsorge ist unumgänglich und doch gerade für junge Berufseinsteiger finanziell oft nicht oder nur in sehr geringem Umfang möglich. Kommt dann eine Energiekrise dazu, wird die Inflation zweistellig, haben der ETF, der Aktienfonds oder auch nur die 100 Euro, die monatlich auf ein Festgeldkonto fließen, keine Priorität mehr. Dann gilt das Hier und Jetzt – welche Probleme das im Alter bedeutet, spielt in der Gegenwart eine untergeordnete Rolle.

Höchste Zeit also, dass die Regierung die Rente reformiert. Wie die Aktienrente aussehen soll und ob sie wirklich die richtige Alternative für das aktuelle Rentensystem sein könnte, erfährst du in diesem Artikel.

Die Rente ist nicht sicher

In den kommenden Jahren geht eine Generation in Rente, die den vielsagenden Namen Babyboomer trägt. Auch wenn der Begriff von jüngeren Generationen inzwischen oft abwertend genutzt wird, um altmodische Denkmuster anzukreiden, so besagt er doch vor allem eines: Von dieser Generation gibt es viele – und das stellt unser Rentensystem vor ein noch größeres Problem, als es ohnehin schon ist. Auf viele Rentner kommen dann weit weniger Beitragszahler, als das noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war.

Laut dem Statistischen Bundesamt aus dem Mikrozensus 2021 werden bis 2036 12,9 Millionen Erwerbstätige in Deutschland das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das entspricht etwa einem Drittel all jener, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dass dieses Problem auf uns zukommt, wissen wir nicht erst seit gestern. Wenn man es ganz genau nehmen möchte, warnte man bereits zur Rentenreform 1957, dass der sogenannte „Generationenvertrag“ womöglich nicht für immer tragfähig sei. Der damalige Kanzler Konrad Adenauer schmetterte jegliche Kritik ab, ihm nachfolgende Regierungen haben bislang nicht geschafft, eine Lösung zu finden.

Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD sah Anfang 2022 die Lösung darin, möglichst viele Menschen in gut bezahlte Berufe zu bringen – „der entscheidende Kampf findet am Arbeits- markt statt“ sagte er. Auf diese Weise, so Heil, werde die gesetzliche Rente stabilisiert. Generell natürlich ein guter Ansatz. Wer in 30, 40, 50 Jahren diesen Menschen dann die Rente bezahlt, blieb jedoch offen. Heil, vom Spiegel als „Nach-mir-die-Sintflut-Minister“ betitelt, verfällt so in ebenjenes Narrativ, das der Babyboomer-Generation so oft vorgeworfen wird: Probleme in die Zukunft verschieben und auf nachfolgende Generationen abwälzen. Diesen Vorwurf, möchte er sich aber nicht machen lassen. Die Aktienrente beziehungsweise den Aufbau eines Kapitalstocks sieht Heil daher als zweiten Baustein einer Doppelstrategie zur Rentensicherung. Heil ist übrigens kein Babyboomer, sondern gehört zur Generation X.

So funktioniert die Aktienrente

Blicken wir gen Skandinavien, genauer gesagt nach Schweden. Hier zahlen die Bürger 2,5 Prozent ihrer Rentenversicherungsbeiträge in Aktienfonds. Sie können dabei entweder frei aus über 800 Fonds wählen oder in den staatlich verwalteten AP7-Fonds einzahlen. Auch der Nachbar Norwegen sowie Großbritannien und die Niederlande setzen in unterschiedlichen Varianten auf eine Aktienrente. Nach schwedischem Vorbild war einst auch die bundesdeutsche Aktienrente geplant – zumindest wenn man sich an den Wahlkampf der FDP erinnert. „Durch unser Modell erwerben zukünftig alle Beitragszahlerinnen sowie Beitragszahler – insbesondere auch Geringverdiener – echtes Eigentum für ihre Altersvorsorge und erhalten höhere Altersrenten“, hieß es im damals angekündigten Konzept.

Davon ist inzwischen jedoch nicht mehr allzu viel übrig – um Rentenerhöhung geht es in der Neuauflage nun nicht mehr. Fast erinnert das neue Konzept ein wenig an Norbert Blüms Credo: „Die Rente ist sicher“. Mit dem Zusatz: Vielleicht per Kapitaldeckung. Denn die gesetzliche Rente soll eine kapitalgedeckelte Rücklage erhalten. Die Ein- nahmen sollen zur „Stabilisierung der Entwicklung des Beitragssatzes“ ab Mitte der 2030er Jahre genutzt werden. Das heißt übersetzt, die Renten werden nicht steigen, sondern unsere Beiträge länger auf demselben Niveau bleiben. Auch das Rentenniveau von derzeit 48 Prozent soll nach 2025 nicht sinken – bis dahin ist diese Grenze gesetzlich vorgeschrieben.

Für Beitragszahlerinnen und -zahler in Deutschland bedeutet das zunächst keine Änderung an ihrer aktuellen Rentenversicherung – vorerst zahlen wir nicht in die Aktienrente ein. Der Grund hierfür ist einfach: Würden Gelder von der Rentenversicherung abgezwackt, würden dieser weniger Einnahmen zur Verfügung stehen. Das wiederum müsste der Staat ausgleichen. Stattdessen plant die Regierung, den Fonds mit 10 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln aufzubauen. Ausreichend ist das natürlich nicht. Das weiß auch Finanzminister Christian Lindner von der FDP. Er hat bereits angekündigt, das Kapital mittel- bis langfristig weiter aufstocken zu wollen. Ab Mitte der 2030er-Jahre sollen die Gewinne dann die gesetzliche Rentenversicherung stabilisieren. Finanziert wird das Ganze über Schulden, die der Staat aufnimmt.

Aktienrente – wirklich durchdacht?

Du als Leser eines Anlegermagazins sind sich dem Ziel einer Investition in Aktien, ETFs und Anleihen bewusst – Vermögen soll vermehrt werden. Mit der Umgestaltung der Aktienrente ist das nicht mehr gegeben, jedenfalls nicht für den einzelnen Bürger, die einzelne Bürgerin. Von einer Aktienrente kann also genau genommen nicht mehr die Rede sein. Auch die zehn Milliarden Euro sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Um die gesetzliche Rentenversicherung tatsächlich ausreichend zu stützen, müsste der Betrag um ein Vielfaches höher ausfallen. Wie stark und wann hier aufgestockt werden soll, bleibt wohl abzuwarten.

Und dann ist da natürlich die Tatsache, dass diese Aktienrente nicht das ist, was die FDP angekündigt hatte. Sie ist keine Möglichkeit, die gesetzliche Rente durch eine Börsenbeteiligung zu erhöhen. All jene, die heute von Altersarmut bedroht sind, weil sie zu den Geringverdienern gehören, gewinnen durch dieses System nichts. Eine kleine Rente bleibt eine kleine Rente. Man mag argumentieren, dass 500 Euro Rente besser sind als gar keine. Doch ist das wirklich die Diskussionsgrundlage, von der wir inzwischen ausgehen müssen? Mit der Umgestaltung der ursprünglich geplanten Aktienrente hat die Regierung eine große Chance verpasst.

Private Altersvorsorge bleibt wichtig

Eine echte Alternative zur privaten Altersvorsorge mittels Aktienfonds ist diese Aktienrente also (leider) nicht. Die Ursprungsidee hätte Bürgerinnen und Bürger direkt am Wirtschaftswachstum beteiligt, jeder hätte direkt mitbekommen (können), wie sich der Rentenfonds entwickelt. Nun ändert sich aus Arbeitnehmersicht herzlich wenig und ein Sicherheitsgefühl dürfte sich bei den wenigsten einstellen. Wer mehr Rente möchte als den mageren Satz der gesetzlichen Rente, muss auch weiterhin privat vorsorgen und darauf hoffen, dass eine weitere Reform des Rentensystems in absehbarer Zeit erfolgt.

Zum Glück ist Altersvorsorge mit ETFs nicht schwierig. Ja, ein wenig mehr Aufwand als eine staatliche Aktienrente bedeutet die private Vorsorge schon. Dafür hast du hier die tatsächliche Chance, deine Rente aufzustocken, und  musst dich nicht lediglich der Hoffnung hingeben, überhaupt noch eine gesetzliche Rente zu erhalten.

70-30-Portfolio mit Small Caps

Eine Möglichkeit, privat vorzusorgen und möglichst breit in den Weltmarkt zu investieren, ist das 70-30 ETF-Portfolio mit Small Caps. Mit lediglich drei ETFs deckst du Industriestaaten und Schwellenländer ab – etwa 99 Prozent des weltweit investierbaren Aktienmarktes. Davon investierst du 70 Prozent in Industriestaaten und 30 Prozent in Schwellenländer. Realisieren kannst du das Portfolio etwa mit dem iShares Core MSCI World UCITS ETF (WKN: A0RPWH), der über 1600 große und mittelgroße Unternehmen aus Industriestaaten enthält. Ergänzend kommt der iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF (WKN: A111X9) hinzu, mit dem du in über 3000 große und mittelgroße Unternehmen aus 27 Schwellenländern investierst. Abgerundet wird das Portfolio durch den iShares MSCI World Small Cap UCITS ETF (WKN: A2DWBY), der über 3000 Unternehmen mit niedriger Marktkapitalisierung aus Industrieländern enthält. Lässt man das schwache Jahr 2022 außen vor, so können sich die Renditekennzahlen der vergangenen fünf Jahre sehen lassen: Insgesamt erzielte das Portfolio eine Rendite von 33,77 Prozent, das sind um- gerechnet 5,97 Prozent jährlich. Natürlich kannst du auch mit anderen ETFs vorsorgen. Wichtig ist nur: Verlasse dich nicht auf die gesetzliche Rente.

Tipp: Mit dem extraETF Finanzmanager kannst du deine Investments analysieren und dein Vermögen an einem Ort überwachen – einfach, schnell und sicher.

Fazit

Die ursprünglich geplante Aktienrente hätte eine Rentenerhöhung für Bürgerinnen und Bürger bedeutet. In der jetzigen Form ändert sich vordergründig nichts, insbesondere für jene, die von Altersarmut betroffen oder von ihr bedroht sind. Die Regierung hat hier eine Chance verpasst. Private Altersvorsorge ist und bleibt unumgänglich.