Koalitionsvertrag: Die neue Bundesregierung lässt die Renten-Reform liegen
Der Koalitionsvertrag steht, doch bei den Renten und der Altersvorsorge ist Union und SPD nicht der große Wurf geglückt. Da wäre mehr drin gewesen.
Die neue Bundesregierung steht in den Startlöchern, der Koalitionsvertrag ist seit 9. April da. Doch was steht zu Renten und zur Altersvorsorge drin? Wir haben uns den Koalitionsvertrag angesehen und schauen, was er für dich bringt. Schauen wir uns zunächst das Thema der Altersvorsorge an, ehe wir uns dann um das Renten-System kümmern.
Bei der Altersvorsorge wäre mehr drin gewesen
Keine höheren Freibeträge, kein Generationenkapital, kein Staatsfonds – obwohl alles auf dem Tisch läge, Kenfo lässt grüßen. Kenfo steht für den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. Das ist bereits ein erfolgreicher Staatsfonds, der allerdings leider nicht der Gesamtbevölkerung zugutekommt. Hier geht es zum Video über den Kenfo.
Und es gibt keine umfassende Unterstützung, um aus Deutschland ein Land der Aktionäre zu machen, obwohl auch hier dank des FDP-Konzepts eine fertige Lösung in der Schublade schlummert. Stattdessen bekommen wir nun die sehr abgespeckte Frühstart-Rente. Sie sieht vor, dass der Staat ab dem 1. Januar 2026 jedem Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr zehn Euro im Monat spendiert und dieses Geld auf ein Altersvorsorgedepot einzahlt – also in Aktien, ETFs oder andere Wertpapiere investiert. Das Depot gehört dem Kind selbst.
Reicht das, um die Aktienkultur in Deutschland zu verbessern?
„Zum einen ist fraglich, ob der Zeitpunkt der Frühstart-Rente sinnvoll gewählt ist, wenn das Ziel sein soll, kapitalgedeckte Altersvorsorge in Deutschland zu stärken. Die wesentliche Phase der Altersvorsorge beginnt im Allgemeinen mit der beruflichen Profilierung am Arbeitsmarkt. Die staatlich finanzierte Ansparphase der Frühstart-Rente beginnt mit sechs Jahren und endet mit 18 Jahren. Den Zeitraum zwischen dem Ende der Ansparphase – 18 Jahre – und der Etablierung im Berufsleben – circa 35 Jahre – müssten die jungen Erwachsenen dann neben Ausbildung, Studium und Familiengründung überbrücken“, sagt Ruth Schüler, Rentenexpertin beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
Tipp: Auf extraETF findest zu etliche Hilfsmittel für die Verwaltung deines Depots. Schaue dir also gleich den Finanzmanager an. |
Die Regierung sollte überlegen, auf Finanzbildung zu setzen, so wie wir etwa mit unserem Wissensbereich. „Forschungsergebnisse zur finanziellen Bildung zeigen, dass Interventionen besonders dann wirksam sind, wenn sie zu einem „teachable moment“ durchgeführt werden, also, wenn das erlernte Wissen oder die eingeübten Praktiken auch angewendet werden können. Bei der Frühstart-Rente müsste hier ein langer Zeitraum zwischen der Intervention und dem „teachable moment“ überbrückt werden“, stellt Schüler fest. Zudem reiche auch die Frühstart-Rente nicht aus, um die Altersvorsorgelücke zu decken. Hier bestehe die Gefahr, dass die junge Generation in vermeintlicher Sicherheit gewogen werde und verpasst, selbst aktiv zu werden. Am Rande bemerkt könnte sich durch die Frühstart-Rente ein neues Bürokratiemonster bilden, für eine Förderung, die kaum der Rede wert ist – und vor allem hauptsächlich von Eltern genutzt wird, die über finanzielle Bildung verfügen, womit wir wieder beim Thema der Finanzbildung wären.
Tipp: Wenn du Kinder hast, nimm die zehn Euro im Monat mit und bespare einen weltweiten Aktien-ETF. Wenn nicht, verlasse ich nicht auf die Politik und werde selbst aktiv. Hier geht es zum ETF-Sparplan-Vergleich. |
Und was steht für Krypto-Anhänger drin?
Antwort: Ganz wenig. Die SPD wollte zunächst die einjährige Haltefrist auf Krypto-Gewinne kippen – Durchatmen bei Krypto-Fans. Denn das Thema ist wohl vom Tisch. „Dadurch, dass der Koalitionsvertrag keine Änderungen der Jahreshaltefrist für Kryptoassets vorsieht, erwarten wir auch keine Änderung der bestehenden Situation: Im Bereich der börsengehandelten Krypto-Investmentprodukte sind jene, die physisch hinterlegt sind und mit einer Auslieferungsoption angeboten werden, ab einer Haltedauer von zwölf Monaten von allen Steuern befreit, zumindest nach derzeitiger Auslegung der Richtlinien des Bundesfinanzministeriums“, erklärt Bernhard Wenger, Leiter Nordeuropa bei 21Shares, der in der Steuerbefreiung positive Impulse für das Krypto-Universum sieht.
Tipp: Ist es sinnvoll, Staatsreserven in Bitcoin aufzubauen? Dieser Frage gehen wir in der Extra-Magazin-Ausgabe 3 (2025) nach. Schau gleich zum Shop. |
Die Renten-Reform bleibt aus
Neben der Altersvorsorge ist auch das Thema der Renten nicht wirklich nachhaltig gelöst. Der Koalitionsvertrag vertagt die dringend notwendige Reform der gesetzlichen Rente ein weiteres Mal. So ist vorgesehen, das Rentenniveau bis zum Jahr 2031 in der Höhe von 48 Prozent gesetzlich abzusichern. Eine Evaluierung der Finanzierungsgrundlagen ist für das Jahr 2029 geplant. Damit steht fest, dass es in der 21. Legislaturperiode keine durchgreifende Reform des Rentensystems geben wird. 2029 endet die Wahlperiode und der nächste Wahlkampf steht an. Selbst wenn die Evaluierung zum Ergebnis kommt, dass klarer Handlungsbedarf besteht, werden die Koalitionäre keine Entscheidung mehr in der Rentenpolitik kurz vor der nächsten Bundestagswahl treffen.
„Die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zur gesetzlichen Rente sind ein fauler Kompromiss, bei dem die Parteien auf Zeit spielen“, moniert Klaus Morgenstern, Sprecher des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). „Die SPD bekommt das bei 48 Prozent eingefrorene Rentenniveau. Da muss man schon froh sein, dass CDU/CSU eine Begrenzung bis 2031 in den Vertrag hinein verhandelt haben. Mit dem Rentenpaket II zu Zeiten der Ampelregierung sollte diese Regelung bis 2040 und darüber hinaus gelten“, seziert Morgenstern den Kompromiss. Die Union verbucht auf ihrer Habenseite den „grundsätzlichen“ Erhalt des demografischen Faktors in der Rentenformel. Der verwandelt sich allerdings bis 2031 in einen zahnlosen Tiger. Durch die gesetzliche Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist dieser Faktor in seiner Wirkung aufgehoben. Er war ursprünglich eingeführt worden, um die demografischen Belastungen im Rentensystem fair auf Beitragszahler und Rentner aufzuteilen.
Mehrausgaben gehen nicht zu Lasten der Beitragszahler
Das einzig Positive an diesen Festlegungen zur gesetzlichen Rente sei laut dem Experten des DIA die Vereinbarung, dass die Mehrausgaben, die durch das Einfrieren des Rentenniveaus entstehen, aus Steuermitteln ausgeglichen werden sollen. Sie gehen also nicht zu Lasten der Beitragszahler. Dies verspricht der Koalitionsvertrag übrigens auch für die Kosten, die durch die volle Angleichung bei der Mütterrente entstehen. Künftig gibt es für alle Mütter drei Rentenpunkte für jedes Kind, egal in welchem Jahr es geboren wurde.
„Obwohl Experten wie zum Beispiel die Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung seit längerem Maßnahmen empfehlen, mit denen die gesetzliche Rente an die demografische Entwicklung angepasst werden soll, vertagt auch die künftige Bundesregierung die notwendigen Schritte auf die nächste Legislaturperiode. Die Probleme aber bleiben bestehen. Je später gehandelt wird, desto härter werden dann die Eingriffe ausfallen“, warnt Morgenstern.
Wie sind die Vorhaben zur Riester-Rente zu bewerten?
Zur Riester-Rente heißt es im Koalitionsvertrag wörtlich: „Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen, von bürokratischen Hemmnissen befreien und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren. Wir prüfen eine Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten. Wir wollen dieses neue Produkt mit einer möglichst einfachen staatlichen Förderung für Bezieherinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen begleiten. Kern der reformierten Riester-Rente wird ein Anlageprodukt sein, das es auch in Form eines Standardproduktes geben soll.“
Was ist davon zu halten? „Es ist unbestritten, dass die Riester-Rente in ihrer jetzigen Form wenig zur Lebensstandardsicherung im Alter beitragen kann. Die Anzahl der abgeschlossenen Verträge stagniert seit Jahren, da die Riester-Rente nur noch für eine kleine Gruppe an Personen, die im Besonderen von der Kinderzulage profitiert, rentabel ist“, sagt Schüler. Hier brauche es eine Neuaufstellung und vor allem auch die nötigen finanziellen Spielräume, um private Vorsorge zu betreiben. „Weiter steigende Beitragssätze schränken die finanziellen Spielräume privat vorzusorgen ein“, so Schüler.
Fazit: Alles liegt auf dem Tisch, doch die wichtigsten Ideen bleiben in der Schublade
Mit dem FDP-Konzept zu einem umfassenden Altersvorsorgedepot war die Hoffnung groß, die Deutschen zu einem Aktienland wie etwa Schweden zu machen. Daraus wird jetzt eine bürokratische Mini-Förderung mit Symbolcharakter. Und in Sachen Staatsfonds hätten wir mit dem Kenfo bereits ein erfolgreiches Modell, auf dem sich aufbauen ließe. Daneben wurde das Renten-Problem weiter auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Die neue Bundesregierung hat jetzt schon die Chance auf den großen Wurf bei Altersvorsorge und Rente verpasst.