70:30 Portfolio: Warum du davon aktuell die Finger lassen solltest
Eine der beliebtesten ETF-Portfolio-Varianten ist sicherlich die 70:30 Aufteilung. Eine Mischung aus Industrieländern und Schwellenländern soll das Depot möglichst breit aufstellen und höhere Renditechancen bieten. Weshalb ich diesen Ansatz nicht teile, erfährst Du in diesem Artikel.
Wo man auch hinschaut, dass 70:30 ETF-Portfolio wird in vielen großen Blogs und Finanzbüchern als das Basisportfolio schlechthin empfohlen. Die Argumente lauten meist, dass man sich mit dem MSCI World ein großes Klumpenrisiko in das Depot holt. Denn ein MSCI World ETF bestehe doch aus 66 Prozent US-Unternehmen. Zudem solle es ein sehr gutes Risiko-Chancen-Verhältnis bieten und die Schwellenländer würden sowieso die Weltwirtschaft schon bald bestimmen.
Oft empfohlen und doch nicht gut?
Zunächst einmal haben die Personen Recht, die einen erhöhten US-Anteil im MSCI World ins Feld führen. Es ist nicht wegzureden, dass der MSCI World aus 66 Prozent US-Unternehmen besteht. Doch muss man sich fragen, ob dies negativ oder positiv zu beurteilen ist. Die wertvollsten Unternehmen der Welt und die Renditetreiber der Weltmärkte sind mit Apple, Meta (ehemals Facebook), Alphabet (ehemals Google), Tesla, Netflix etc. US-Unternehmen. Zudem sind diese Unternehmen nicht nur in den USA zu verorten. Die Dienste und Waren der Unternehmen werden auf der ganzen Welt geschätzt und genutzt. Es handelt sich hier um global agierende Unternehmen, die lediglich ihren Hauptsitz in den USA haben.
Zudem wird dabei oft verschwiegen, dass ein Emerging Markets ETF auch ein gewisses Klumpenrisiko birgt. Die Top-3 Länder China, Taiwan und Indien machen ca. 60 Prozent aus. Zwar fällt die Gewichtung dieser Länder im Gesamtdepot durch die Mischung der Industrie- und Schwellenländer geringer aus, doch sind viele Unternehmen aus diesen Ländern weitaus weniger global aufgestellt als die US-Unternehmen.
Auch das viel beschworene Chancen-Risiko-Verhältnis scheint nicht aufzugehen. Auf die Risiken werde ich gleich noch näher eingehen, doch boten die Schwellenländer in den letzten Jahren wenig Renditechancen. So hat der iShares MSCI EM UCITS ETF USD (WKN: A0RPWJ) in den letzten zehn Jahren eine jährliche Rendite von 4,56 Prozent erzielen können. Der iShares MSCI World UCITS ETF (WKN: A0HGV0) konnte hingegen im gleichen Zeitraum eine durchschnittliche Rendite von 12,31 Prozent im Jahr erzielen.
Politische Gefahr
Doch sind die Rendite und die Diversifikation nicht meine größten Einwände, weshalb ich derzeit keine 70:30 Lösung wählen würde. Was mich stört, ist das immense politische Risiko, das mit den Schwellenländern einher geht. Zunächst möchte ich daran erinnern, dass Russland im Frühjahr aus dem Index rausgeworfen wurde, die Gründe sind bekannt. Doch auch andere Länder im Index bergen für mich ein zu hohes Risiko. In Saudi-Arabien werden Menschenrechte verletzt, in Brasilien der Urwald gerodet und Indien hat sich zu einem der größten Importeure von Gas und Öl aus Russland gemausert.
Doch die größte Gefahr einer Eskalation geht derzeit von China aus. China beobachtet die Reaktionen der westlichen Welt auf den russischen Krieg in der Ukraine ganz genau. Denn China sieht seit jeher Taiwan, das zweitgrößte Land im MSCI Emerging Markets, als Teil Chinas an, was es zur Not auch militärisch durchsetzen würde. Regelmäßig werden schon jetzt Militärmanöver im taiwanesischen Hoheitsgebiet abgehalten und zuletzt reagierte China allergisch, als die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, der Regierung Taiwans einen Besuch abstattete. Es scheint leider nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch diese Krise eskaliert.
Fazit
Eine Gewichtung von 30 Prozent von einem Emerging Markets ETF erscheint mir aufgrund der oben genannten politischen Risiken derzeit zu heiß. Die Schwellenländer sind ohne Frage (zukünftige) Wirtschaftsmächte mit einigen interessanten Unternehmen. Doch wirkt auf mich das Risiko-Chancen-Verhältnis derzeit nicht so rosig, wie es oft beschrieben wird. Wer nicht komplett auf die Schwellenländer verzichten möchte, sollte sich einen MSCI ACWI ETF oder den Vanguard FTSE All-World ETF anschauen, da hier die Gewichtung der Schwellenländer lediglich bei circa 12 Prozent liegt.
Autor Max Paprotny
Max Paprotny ist freier Mitarbeiter und schreibt auf extraETF.com Beiträge zum Thema Geldanlage. Der Rechtsanwalt hat sich bereits während des Studiums in den Themen Wirtschaft und Finanzen weitergebildet und die Instagram-Finanzplattform Maxximieren gegründet.