9. Januar 2023
Thomas Metzger (Bankhaus Bauer): "Aktien aus Europa und USA sind unsere Favoriten"

Thomas Metzger (Bankhaus Bauer): "Aktien aus Europa und USA sind unsere Favoriten"

Wie entwickeln sich die Aktien im Jahr 2023? Wir haben nachgefragt bei Thomas Metzger (Bankhaus Bauer), um diese und weitere wichtige Fragen zu klären.

Das Jahr ist noch jung. Du hast sicher viele Fragen in Bezug auf die Aktienmärkte. Thomas Metzger, Leiter Vermögensverwaltung beim Bankhaus Bauer, spricht über die Aussichten für Aktien, Inflation und die passende Portfoliostruktur.

Herr Metzger, das vergangene Aktien-Jahr war nichts für schwache Nerven. Können Anleger den kommenden Monaten beruhigter entgegenblicken?

Gefährlich wird es an der Börse oft, wenn die Marktteilnehmer plötzlich mit einem Belastungsfaktor konfrontiert werden, dessen Auswirkungen zunächst schwierig einzuschätzen sind. Nun sind die hohen Energiepreise, restriktiv agierende Notenbanken und der Krieg in der Ukraine keine grundsätzlich neuen Themen, sondern mittlerweile bekannt und gut verarbeitet. Insofern rechne ich dieses Jahr nicht mit den teilweise deutlichen Kursrückgängen, die wir 2022 am Aktienmarkt gesehen haben. Die hohe Volatilität dürfte uns allerdings erhalten bleiben.

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Im Hinblick auf die genannten Themen hat sich zwar ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt, hier ist aber immer noch genügend negatives, aber auch positives Überraschungspotenzial vorhanden, um die Notierungen ordentlich zu bewegen. Helfen könnte, dass die Erwartungshaltung an die Notenbanken bei den Marktteilnehmern auf einem realistischen Niveau verankert sind. Mitte 2022 war dies anders. Die restriktive Haltung insbesondere der Fed wurde unterschätzt, was auch den Aktienmarkt belastete.

Welche Erwartungen haben Sie für die Weltwirtschaft im Verlauf dieses Jahres?

Ich bin nicht so pessimistisch wie der Konsens der Marktteilnehmer bzw. Analysten, welche überwiegend für Europa und Deutschland mit einer Rezession rechnen. Es gab zuletzt einige ermutigende Signale von verschiedenen makroökonomischen Indikatoren und auch die Versorgungssicherheit mit Energie sieht nicht so düster aus wie befürchtet. Natürlich drücken nach wie vor die hohen Preissteigerungen, verunsicherte Verbraucher, steigende Zinsen und geopolitische Risiken auf die wirtschaftliche Dynamik. Allerdings haben viele Unternehmen bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass sie auch mit schwierigen Rahmenbedingungen flexibel umgehen und Lösungen finden können. Insofern kalkuliere ich lediglich mit einem leichten Minus für Deutschland sowie einem leichten Plus für Europa und die USA, was das BIP-Wachstum 2023 angeht. Die Weltwirtschaft insgesamt wird schwächer wachsen als letztes Jahr. Die Gewinne der Unternehmen dürften meines Erachtens weltweit leicht zulegen.

Thomas Metzger, Leiter Portfolio Management beim Stuttgarter Bankhaus Bauer.
Thomas Metzger, Leiter Portfolio Management beim Stuttgarter Bankhaus Bauer.

Wie sieht es mit der Inflation hierzulande aus?

In Amerika dürften wir den Hochpunkt der Inflation bereits gesehen haben. Für Europa und Deutschland trifft dies wahrscheinlich noch nicht zu. Ab dem Frühjahr sollte sich die Situation dann entspannen. Insgesamt gehen wir von einer Inflationsrate für 2023 von über fünf Prozent für Deutschland und Europa und etwa vier Prozent für die USA aus. Wir werden wahrscheinlich auch mittelfristig auf Grund struktureller Faktoren wie bspw. dem Mangel an Arbeitskräften nicht mehr so schnell auf die tiefen Inflations-Niveaus der vergangenen zehn Jahre zurückkommen.  

Viele Beobachter sehen den US-Aktienmarkt vor dem europäischen. Sehen Sie das genauso?

Nun, auch der amerikanische Aktienmarkt wird von den gleichen Bremsklötzen belastet wie der europäische: hohe Zinsen und steigende Inflation sowie Fragezeichen was das Wachstum und die Unternehmensgewinne angeht. Allerdings ist der Krieg in der Ukraine geografisch viel weiter weg und die Energieversorgung ist gewährleistet. Dies führt jedoch dazu, das US-Titel nicht so günstig zu haben sind wie europäische Aktien. Insofern dürfte es für beide Märkte nach den deutlichen Kurszuwächsen seit den Tiefständen 2022 lediglich zu einem überschaubaren Plus im laufenden Jahr reichen. Aktien laufen in der Regel der konjunkturellen Entwicklung voraus. Da wurde inzwischen einiges vorweggenommen. Insofern wäre auch ein Rücksetzer nicht ungewöhnlich bzw. sogar ganz gesund.

In welchen Regionen würden Sie derzeit zu einer Übergewichtung raten?

Europa und die USA sind unsere Favoriten. Hinsichtlich der Emerging Markets sind wir noch vorsichtig.

Auch Themen- und Branchen-ETFs sind aktuell beliebt. Welche Bereiche halten Sie hier für spannend?

Diesbezüglich sind wir aktuell in einem unserer beiden Portfoliomodelle in die Themen Infrastruktur, Automation und Robotics sowie Healthcare investiert.

Nun steht die Dividendensaison an. Was halten Sie von Dividendenstrategien?

Ohne die historischen Ausschüttungen der Unternehmen zu berücksichtigen, würde der Dax viele tausend Punkte niedriger stehen. Alleine das zeigt, wie wichtig das Thema Dividenden bei der Aktienanlage ist. Allerdings sollte man nicht nur die Höhe der jeweiligen Dividende betrachten bzw. als Auswahlkriterium heranziehen. Wichtig sind vielmehr die Kontinuität der Ausschüttungen sowie das Geschäftsmodell und die Positionierung des Unternehmens.

Werden wir zum Schluss noch einmal etwas grundlegender. Wie bereits erwähnt hatten es Anleger im vergangenen Jahr nicht ganz leicht. Wen das jedoch allzu sehr belastet hat, der hat wahrscheinlich nicht das passende Portfolio. Was raten Sie Anlegern in Bezug auf die Allokation der einzelnen Anlageklassen?

Wichtig ist immer, auf eine ausreichende Diversifikation im Portfolio zu achten. Man sollte niemals einzelnen Wetten einen zu hohen Anteil am Depotwert einräumen. Neben einer Streuung des Vermögens über bspw. Aktien, Renten und Rohstoffe macht es darüber hinaus Sinn, in jeder Asset Klasse mehrere Strategien einzusetzen. Allerdings sollte die Gewichtung der Asset Klassen nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen, sondern ganz bewusst gewählt werden. Hier spielen individuelle Faktoren wie Alter, Vermögen, Risikobereitschaft, Verlusttragfähigkeit und Nachhaltigkeitspräferenzen des Investors sowie dessen Einschätzung der Märkte eine große Rolle. Unter Chance-Risiko-Aspekten führt für einen langfristig denkenden Investor wohl auch in Zukunft kein Weg an Aktien vorbei. Wichtig ist, die nötige Geduld mitzubringen. Nachdem die Renditen im letzten Jahr kräftig angezogen sind, lohnt sich aktuell aber auch ein Blick in Richtung Unternehmensanleihen.