13. März 2021

Trotz Nullzinsen: Wie Anleger mit Anleihen noch etwas verdienen können

Die Zinsen bleiben wahrscheinlich über Jahre hinweg im Keller. Das macht Anleihen auf den ersten Blick unattraktiv. Doch die Anlageklasse bietet durchaus Chancen. Anleger müssen allerdings unkonventionelle Wege ausprobieren. 

Wenn sich Privatanleger in diesen Tagen über die Märkte unterhalten, dreht sich das Gespräch um Kryptowährungen, Wasserstoff-Aktien oder auch das Comeback der Value-Werte. Anleihen eignen sich als Gesprächsthema kaum: Zu gering ist die Rendite, um mit Geschichten von profitablen Trades bei Bekannten punkten zu können. Selbst der weltgrößte Anleihe-Investor Pimco beteiligt sich an der Sinnsuche und konstatiert, dass sich heute viele Anleger fragen, inwiefern klassische Anleihen ein Portfolio noch stabilisieren können.

Ähnlich wie Pimco sieht auch Hagen-Holger Apel, Senior Client Portfolio Manager bei DNB Asset Management noch immer einen Markt für Anleihen: „Anleihen sind ein wichtiger Bestandteil eines diversifizierten Portfolios, denn über die Wirtschaftszyklen hinweg werden die Anleger für das eingegangene Risiko belohnt“, sagt Apel. „Allerdings gilt es hier, je nach aktuellen Rahmenbedingungen und Entwicklungen, die geeigneten Anleihen zu selektieren. Momentan sehen wir gute Chancen bei High Yields und eingeschränkte Möglichkeiten bei Investment- Grades und Staatsanleihen“, so der Anleihenexperte.

Wie für aktive Manager üblich, betont Apel deren Vorzüge und verweist darauf, dass ein Fondsmanager mögliche Zahlungsausfälle bei Emittenten frühzeitig erkennen und womöglich früher reagieren kann.

Respektable Performance

Doch auch Anleihe-ETFs sind in Zeiten niedriger Zinsen alles andere als abgemeldet. Für Dag Rodewald, Leiter Passive & ETF Specialist Sales Deutschland & Österreich bei UBS, gibt es auch weiterhin Chancen auf dem Anleihemarkt. Der Experte betont, dass Investoren weniger auf die niedrigen Zinskupons achten sollten, sondern mehr auf die Gesamtrendite und verweist auf die Entwicklung 2020.

„ETFs eignen sich durch ihre schnelle und unkomplizierte Handelbarkeit hervorragend, um auch an kurz- und mittelfristigen Trends zu partizipieren“, sagt Rodewald. Es habe etwa bereits zu Beginn des Jahres 2020 überwiegend negative Renditen auf europäische Staatsanleihen gegeben. „Anlegerinnen und Anleger konnten dennoch unter Total-Return-Betrachtung eine respektable Performance generieren, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen sind“, so Rodewald.

Der ETF-Profi verweist auf die konvergierenden Spreads bei europäischen Staatsanleihen nach Bekanntgabe der konzertierten Maßnahmen gegen die Krise im vergangenen Frühling. Neben taktischen Engagements sieht er auch im Dollar-Raum sowie in Schwellenländern weiteres Potenzial.

Vanguard sieht gute Möglichkeiten

Einen zusätzlichen Fürsprecher haben Anleihen-ETFs in Person von Nick Eisinger, Fondsmanager für Schwellenländer- Anleihen bei Vanguard: „An den globalen Kreditmärkten gibt es noch immer genügend Möglichkeiten, um einen Teil der mageren Renditen durch Hochzins-Anleihen auszugleichen, wie beispielsweise Bereiche des BBB-Segments globaler Unternehmensanleihen, einige US-Hochzinsanleihen und ausgewählte Schwellenländer-Anleihen. Wir würden auch über Chancen bei Staatsanleihen in lokaler Währung nachdenken, in denen die Renditen attraktiv bleiben“, sagt Eisinger.

Chancen in Asien

Tatsächlich zeigt der Blick auf die erfolgreichsten Anleihe-ETFs des Jahres 2020, dass Bonds im ETF-Mantel noch immer vielversprechend sein können. Neben verschiedenen Produkten auf europäische Staatsanleihen, führen auch ETFs auf Wandelanleihen oder Produkte auf Fallen Angels, also ehemalige Investment- Grade-Papiere im Hochzins-Segment,

die Performance-Ranglisten an. Auch US-Staatspapiere oder an die Inflation gebundene Anleihen erwirtschafteten 2020 Kursgewinne zwischen sechs und sieben Prozent. Doch es gibt auch andere Möglichkleiten. Als Alternativen zu den ausgetretenen Pfaden etablierter Märkte werden von Anleihen-Experten auch immer wieder asiatische Emittenten genannt. Bleibt die Frage, ob Anleihen aus exotischeren Märkten noch der Stabilitätsanker im Portfolio sein können, den die Anlageklasse üblicherweise darstellt?

Dag Rodewald von UBS hat dahingehend keine Berührungsängste und betont sogar, dass asiatische Emittenten dabei helfen können, ein Portfolio stärker zu diversifizieren: „Gerade asiatische Länder kamen bisher glimpflicher durch die Krise. Eine entsprechende Performance dieser Titel war daher sowohl im Aktien- als auch im Anleihenmarkt zu beobachten. Diese Exposures können daher Elemente eines diversifizierten Portfolios sein“, so Rodewald.

Für Investment-Profi Nick Eisinger von Vanguard sind Anleihen aus Asien alles andere als exotisch und gehören ebenfalls in ein breitgestreutes Portfolio. Dass diese Märkte oftmals aus Sicht internationaler Investoren unter-investiert sind, eröffne Anlegern sogar Chancen. „In vielerlei Hinsicht sind Anleihen in lokaler Währung liquider als Staatsanleihen und bieten eine gute Diversifizierungsmöglichkeit für ein globales Portfolio“, sagt Eisinger. „Lokale Anleihen werden von einer Reihe großer Investoren gehalten, viele davon auf dem lokalen Markt selbst, und sie unterliegen Risikofaktoren, die sich von denen unterscheiden können, die globale Märkte wie etwa Investment- Grade-Unternehmen betreffen“, sagt der Anleihenexperte.

Ergo: In einem Portfolio kann der Einsatz solcher Papiere die Streuung erhöhen. Zusätzlich verweist der Fondsmanager darauf, dass Staatsanleihen in Lokalwährung aufgrund des Währungsexposures zusätzliche Chancen bieten können.

Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit als Zukunftstrends

Ein großes Thema bei ETF-Emittenten und Assetmanagern sind auch ESGKriterien, also die Nachhaltigkeitsfaktoren rund um die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Diese haben sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Instrument bei der Bewertung von Risiken entwickelt. Gerade auf Nischenmärkten können ESG-Daten eine wichtige Unterstützung sein.

Die ETF-Experten der UBS arbeiten dazu mit JP Morgan und Barclays zusammen und bieten Weiterentwicklungen bestehender Anleihe-Indizes: „Für unseren UBS ETF JP Morgan USD Emerging Markets IG ESG nutzen wir beispielsweise die breiten Emerging Markets Treasury und Emerging Markets Corporate Benchmarks, filtern jedoch die darin enthaltenen Unternehmen nach Rating, Marktliquidität und Nachhaltigkeitskriterien. Um Konzentrationsrisiken zu vermeiden erweitern wir dies um ein fünf Prozent Capping auf Länderebene. Dadurch gelangen wir zu einem raffinierten EM Investment Grade Aggregate Anleihe-Index, welcher in den vergangenen Jahren eine bessere Performance aufweisen konnte, als der breite, konventionelle Index“, sagt Dag Rodewald.

Auch bei Vanguard sieht man den Trend hin zu ESG-Indizes positiv und erwartet in diesem Bereich noch weitere Innovationen. Grundsätzlich hält sich Fondsmanager Eisinger allerdings bedeckt: „In Bezug auf übermäßige Innovationen und die Einführung neuer

Instrumente sind wir vorsichtig, da dies häufig ein frühes Signal für einen Blasenmarkt und der Ausgangspunkt für eine umfassende Korrektur sein kann. Neue Produkte, die „zu gut aussehen, um wahr zu sein“, sollten vermieden werden“, so der Marktkenner.

Auch bei UBS sieht man in Bezug auf Anleihe-Investments keinen „Game Changer“ kommen. Als mögliche Innovation für 2021 sieht Rodewald allerdings ganzheitliche Portfolio Lösungen, die Anlegern Investments erleichtern. „Für die meisten Fixed Income- Investoren ist der Sicherheitsgedanke einer geringeren Volatilität zentral, gepaart mit kontinuierlichen Auszahlungen. Wir beobachten eine positive Korrelation zwischen Anleiheemittenten, die nachhaltig wirtschaften und ihrem Kreditrisiko“, so Rodewald.

Produkte trotzen den niedrigen Zinsen

Das Angebot von Assetmanagern und ETF-Emittenten hat sich längst an das Marktumfeld angepasst. Niedrige Zinsen sind kein Grund, der Anlageklasse den Rücken zu kehren. Auch in der Nullzinsphase bieten Anleihen noch immer gute Chancen auf Renditen. Das zeigt die Entwicklung der verschiedenen Teilmärkte.

ETFs spielen dabei insbesondere auf etablierten Märkten und bei mittelfristigen, taktischen Positionen ihre Stärken aus. ETF-Emittenten haben sich bei Anleihen zuletzt auf Nachhaltigkeitsfaktoren fokussiert. Hier entsteht aktuell ein großer Branchentrend, der wohl in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen dürfte. Bereits bei Aktien-ETFs zeigt sich, dass viele Anbieter ihr Sortiment nach und nach um nachhaltige Anlageprodukte aufstocken. Interessenten sollten die Entwicklung im Bereich grüner Anleihen-ETFs verfolgen.

Anleihen-ETFs mit offensiven Anlageschwerpunkten

Fazit zu Anleihen

Die Renditen auf europäische Anleihen sind oftmals negativ. Dies wird sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich nicht ändern. Anleihen-Profis setzen daher verstärkt auf Möglichkeiten jenseits des Mainstreams. In Schwellenländern tun sich Chancen auf bzw. im Bereich der neu entstehenden ESG-Bonds. Aufgrund der höheren Risiken sind die Papiere für Privatanleger allenfalls zur wohl dosierten Beimischung im Portfolio zu empfehlen.

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