Wie ist es tatsächlich um die nachhaltige Geldanlage bestellt?
Der Vormarsch nachhaltiger ETFs ist längst gestoppt. Sind sie derzeit sinnvoll und wie kann die nachhaltige Geldanlage wieder auf die Beine kommen?
Noch vor wenigen Jahren schien kein Weg an der nachhaltigen Geldanlage vorbeizuführen. Doch der Trend ist vorerst eingebremst. Mehr als das: Der Markt bewegt sich schon seit Jahren im Rückwärtsgang. Ein Beschleuniger in Sachen Mittelabflüsse bei nachhaltigen Fonds war der Abschluss der Beratungen der Europäischen Kommission im letzten Quartal 2023. Nach Zahlen von Morningstar zogen Anleger allein in diesen drei Monaten 26,7 Milliarden Euro aus Artikel-8-Fonds ab. Bei den besonders nachhaltigen Artikel-9-Fonds betrug der Abfluss 4,7 Milliarden Euro. Letzteres mag vergleichsweise gering erscheinen, doch Artikel-9-Fonds machen nach einer Erhebung der Umweltbank lediglich 3,6 Prozent aus. Bei konventionellen Fonds und ETFs klettern jedoch die Zuflüsse weiter. Die Entwicklungen – also weg von nachhaltigen Fonds und hin zu konventionellen – haben sich in diesem Jahr fortgesetzt. Wir sparen dir an dieser Stelle weiteres Zahlenbingo.
Warum gibt es überhaupt nachhaltige Geldanlage?
Sinn und Zweck der nachhaltigen Geldanlage ist der Umbau der Wirtschaft hin zu mehr ressourcenschonendem Wirtschaften. Das kann der Staat allein nicht leisten, daher bedarf es Unterstützung von privater Seite. Medialen Rückenwind erfuhren nachhaltige Investments nicht zuletzt aufgrund der Umweltbewegung. Selbstverständlich haben in dieser Phase etliche ETF-Anbieter dieses Geschäft für sich entdeckt und entsprechende Produkte herausgebracht, auch das hat nachgelassen. Nachhaltige ETFs sind jedoch, was den Umbau der Wirtschaft angeht, eher indirekt. Die direkte Wirkung kann am Ende nur der Verbraucher erzeugen. „Wenn die VW-Kunden SUVs nachfragen, muss eben VW diese produzieren“, sagt Andreas Beck, Gründer und Geschäftsführer der Index Capital GmbH sowie Portfoliomanager. Das heißt für dich als Anleger bzw. Verbraucher: Dein Konsum ist in Sachen Nachhaltigkeit entscheidender als ob du SRI-, ESG- oder konventionelle ETFs kaufst. Ändern sich Konsumverhaltensweisen, reagieren Unternehmen sofort darauf, denn schließlich wollen sie immer zu einem möglichst geringen Aufwand ihren Gewinn maximieren.
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Schaffen nachhaltige ETFs einen Mehrwert?
Ja und nein. In der jetzigen Form halten Experten wie Andreas Beck wenig von ESG, also der nachhaltigen Geldanlage. „ESG 1.0 ist gescheitert wie die Dotcom-Blase. Doch das Internet hat sich ja trotzdem durchgesetzt“, so Beck und erklärt außerdem, dass die ESG-Kriterien eine Gelddruckmaschine für den Bürokratieapparat seien und sich sogar eher kontraproduktiv auswirken würden, wenn es um den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft geht. Denn das Problem ist: Gerade klassische, produzierende Unternehmen werden für den CO2-neutralen Umbau von Bedeutung sein, denn hier ist ein großer Hebel. Doch gerade diese Titel erhalten schlechte ESG-Noten. Im Gegenzug erhalten Software-Konzerne regelmäßig Bestnoten. Der wirtschaftliche Umbau ist jedoch eher ein Hardware- als eine Softwareangelegenheit. Deutsche Unternehmen spielen daher im MSCI-World-SRI gegenwärtig kaum eine Rolle.
Ist die nachhaltige Geldanlage am Ende?
Der nachhaltige Umbau der Wirtschaft dürfte künftig weiter vorangetrieben werden. Die Weltbevölkerung wächst, die Umwelt verlangt nach nachhaltigen Lösungen und viele Verbraucher werden zunehmend kritisch. Nach Ansicht Becks dürfte es eine zweite Version, eine Art ESG 2.0, geben. Die neue Art der Messung dürfte viel zutreffender sein, die Regulierung hat nachgezogen, die ganze Nachhaltigkeitsbranche entwickelt sich weiter. In Zukunft sollten nach Ansicht Becks jedoch jene Unternehmen besonders in den Fokus genommen werden, bei denen der Hebel entsprechend groß für den Umbau der Wirtschaft ist.
Patente als besserer Indikator für nachhaltige Entwicklung?
Bei der angesprochenen Unternehmensgruppe wiederum geht es um das Kerngeschäft, also die Forschung und die Produkte selbst. Die Vereinten Nationen (UN) haben definiert, was die kritischen Technologien sind, um die Ziele zu erreichen. Die Weltpatentorganisation knüpft daran an und hat alle Patentklassen dahingehend aufgeschlüsselt, ob sie auf das „Konto der Vereinten Nationen“ im Sinne von Nachhaltigkeit einzahlen. Darüber lässt sich schnell feststellen, welche Unternehmen wirklich nachhaltig sind. Wenn du an den ESG-Begriff denkst, wird allerdings nur auf das „E“, also auf die Umwelt, abgestellt. Soziales und Unternehmensführung sind jedoch ohnehin kaum nüchtern in Zahlen und Prozent auszudrücken, sondern hängen eher von einer moralischen Wertung ab.
Erste Studien weisen bereits darauf hin, dass es einen recht deutlichen Zusammenhang zwischen Patentanmeldungen nach dem skizzierten Muster und einer nachhaltigen Entwicklung des Geschäfts in den Folgejahren gibt. Im Regelfall wissen Ingenieure und Finanzvorstände besser Bescheid, was technisch und ökonomisch Potenzial hat als Politiker und Beamte. Zudem werden Unternehmen bei dieser Vorgehensweise nicht weiter belastet, Rating-Agenturen bräuchte es auch nicht mehr, die Transparenz wäre höher. Gerade die ganzen deutschen Industrieklassiker, würden dann plötzlich als nachhaltig geschlüsselt werden und würden mit Geld versorgt, um am wirtschaftlichen Umbau mitzuwirken.
Fazit: Es braucht ein ESG 2.0
Nachhaltige ETFs verzeichnen Mittelabflüsse. Der große Hype ist längst vorbei. Bisher liegt bei der Nachhaltigkeitsbewertung noch vieles im Argen. Dem Umbau der Wirtschaft dient diese bisher nicht wirklich. Denn gerade Industrieunternehmen, die einen besonders großen Hebel hätten, werden außenvorgelassen. Finanzprofi Andreas Beck hält eine neue Vorgehensweise bei der Bewertung von Nachhaltigkeit für essenziell. Es braucht daher eine Art ESG 2.0. Ein verheißungsvoller Ansatz könnten Patentanmeldungen sein, die auf das Konto des Umweltschutzes einzahlen.