Sollten ETF-Investoren in Deutschland- oder Europa-Aktien investieren?
Hiesige Anleger blicken häufig zuerst auf Aktien aus Deutschland und Europa. Doch sollten diese überhaupt vermehrt hierin investieren?
ETFs sind bekanntlich das ideale Medium, um in breit diversifizierter Form in börsennotierte Aktienunternehmen zu investieren. Sinn macht vor allem eine Diversifikation auf verschiedene Branchen und mehrere Länder.
Sentix-Konjunkturindex – Deutschland in der Rezession!
Der zum Wochenstart veröffentlichte Sentix-Konjunkturindex wies für Deutschland eine Rezession aus, während für Euroland und Osteuropa „lediglich“ ein Abschwung attestiert wurde. Etwas besser sei das Urteil für Österreich (Stabilisierung) und die Schweiz (Aufschwung) ausgefallen. In der Pressemeldung erklärten die Sentix-Verantwortlichen, dass sich die deutsche Konjunktur mehr und mehr zum „wirtschaftspolitischen Geisterfahrer“ entwickelt. Die Umfrage unter 1.267 Investoren (darunter 246 institutionelle Anleger) zeichnet für Deutschland sowohl hinsichtlich der aktuellen Lage (minus 40,5 Punkte) als auch mit Blick auf die Erwartungen (minus 14,3 Punkte) ein erheblich schlechteres Bild als für die Eurozone, wo die aktuelle Lage (minus 18,5 Punkte) und die Erwartungen (minus 2,3 Punkte) nicht ganz so schlimm eingeschätzt wurden.
Während im Euroland der Gesamtindex zum fünften Mal in Folge ein Plus verzeichnete und mit minus 10,5 Punkten mittlerweile auf den höchsten Stand seit April geklettert ist, verbuchte das Pendant auf Deutschland (minus 27,9 Punkte) den dritten Rückgang in Folge und rutschte damit auf den niedrigsten Wert seit Juli 2020 ab. Interessant dabei: Trotz dieses Umfelds gelang dem Dax Anfang März ein neues Rekordhoch, während der DJ Euro Stoxx 50 mehr als zehn Prozent unter seinem im Jahr 2000 markierten Allzeithoch notiert. Vor diesem Hintergrund sollten sich Anleger vor allem folgende Fragen stellen. Erstens: Sind die Vorschusslorbeeren für den Dax gerechtfertigt? Zweitens: Macht ein Euroland-Investment eventuell mehr Sinn, schließlich würde man dadurch zu etwas mehr als einem Viertel auch in deutsche Blue Chips investieren?
Für Anleger, die vollkommen überzeugt sind, dass die deutsche Wirtschaft ein Comeback starten und zu alter Stärke zurückkehren wird, mag ein Investment in den Dax sinnvoll erscheinen. Skeptischere Naturen sollten eher europäisch denken bzw. investieren. Ein besonders hohes Maß an Länder- und Branchendiversifikation lässt sich durch diese Aktienindizes realisieren – den MSCI Europe sowie den Stoxx Europe 600. Während sich nämlich der Euro Stoxx 50 lediglich aus 50 Aktien aus elf Ländern zusammensetzt, kommt der MSCI Europe auf über 400 Unternehmen aus 15 Ländern und der Stoxx Europe 600 sogar auf fast 600 Aktienpositionen aus 17 verschiedenen Ländern.
Beim Vergleich von Performance und Risiken lässt sich einmal mehr die folgende Gesetzmäßigkeit feststellen: Je höher die Anzahl der Indexkomponenten, desto geringer fallen die Risikokennzahlen Volatilität und maximale Drawdowns aus. Mit Blick auf einen fünfjährigen Betrachtungszeitraum weisen die besonders marktbreiten Europa-Indizes eine um drei bis vier Prozentpunkte niedrigere Volatilität auf und auch die maximalen Drawdowns (fünf Jahre) unterschreiten mit 22 Prozent die Pendants auf den Euro Stoxx 50 um drei Prozentpunkte.
Das geringere Risiko muss allerdings über die Akzeptanz einer schwächeren Performance „bezahlt“ werden. Mit dem Xtrackers Euro Stoxx 50 UCITS ETF (WKN: DBX1ET) war z.B. in den vergangenen fünf Jahren nämlich eine annualisierte Rendite von 11,1 Prozent darstellbar, während mit dem iShares MSCI Europe UCITS ETF (WKN: A0RPWG) bzw. dem Lyxor Core STOXX Europe 600 [DR] UCITS ETF (WKN: LYX0Q0) im selben Zeitraum signifikant niedrigere Renditen von 8,6 bzw. 8,9 Prozent p.a. erzielt wurden.
Fazit: In der modernen Portfoliotheorie wird stets auf die enorme Bedeutung der Diversifikation hingewiesen. Privatanleger sollten unbedingt in mehrere Anlageklassen, Länder und Branchen investieren. Mit den oben vorgestellten physisch replizierenden ETFs ist dies relativ günstig möglich, schließlich bewegen sich deren jährliche Gebühren (TER) in einer Spanne von lediglich 0,07 bis 0,12 Prozent pro Jahr.
Autor Jörg Bernhard
Jörg Bernhard ist freier Wirtschaftsjournalist und hat sich auf die Themenbereiche Rohstoffe, Edelmetalle, Börse, Hebelprodukte und Anlagezertifikate spezialisiert. Vor seiner Selbstständigkeit war er von 1994 bis 2002 bei einem Münchner Verlag aus dem Bereich Wirtschaftspresse als Redakteur, stellvertretender Redaktionsleiter und Redaktionsleiter angestellt.