Welche Chancen bietet der Öl-Crash für Anleger?
Der Crash auf dem Ölmarkt, der gravierendste Einbruch seit dem Golfkrieg 1991, hat zu Wochenbeginn auch die Aktienmärkte erschüttert. Am Wochenende ist die Allianz zwischen dem Förderkartell OPEC sowie Russland, Mexiko und Kasachstan, die als OPEC+ bezeichnet wird, zerbrochen. Gespräche darüber, die Produktion gemeinsam zu drosseln, scheiterten am Widerstand Russlands.
Daraufhin kündigte Saudi-Arabien an, die Preise im Alleingang zu senken und die Produktion von Öl auszuweiten. Während Putins Weigerung als Protest gegen die USA bzw. gegen die erneute Verhängung von Sanktionen gegen Russland verstanden wird, deutet man die Ankündigung von Kronprinz Mohammed bin Salman als Protest gegen Putins Alleingang. Die Lage ist also vertrackt.
Jetzt in Öl investieren?
Fallende Kurse werden bekanntlich gerne genutzt, um günstig in den Markt einzusteigen und somit auf mehr Rendite zu hoffen. Das nennt man Market Timing. Nur verhält sich Öl anders als Aktien und Anleger, die jetzt aufgrund der günstigen Einstiegspreise in Öl-ETCs und somit in die Entwicklung des Ölpreises investieren möchten, sollten zunächst diese vier Begriffe kennen.
- Rollverlust
- Rollgewinn
- Contango
- Backwardation
Termingeschäfte (Futures) bei Rohstoff-ETCs
Während man bei manchen Edelmetall-ETCs die Rohstoffe physisch besitzen kann – z.B. Xetra-Gold, Euwax-Gold, Silber usw. – bzw. besitzen will, ist es bei den meisten Rohstoffen weder möglich noch erwünscht. Welcher Anleger möchte schon Tonnen voller Weizen oder Fässer voller Öl nach Hause geliefert bekommen?
Darum liegt jedem ETC ein Future, ein Termingeschäft zugrunde. Die Laufzeit solcher Terminkontrakte ist zeitlich begrenzt – z. B. auf einen Monat, auf drei Monate oder auch auf ein Jahr und mehr. So müssen diese Futures, solange Anleger einen ETC halten, regelmäßig zu einem vorab definierten Preis getauscht werden. Das nennt man auch „rollen“. Andernfalls müsste der Rohstoff ausgeliefert werden.
Und genau das macht viele Rohstoff-ETCs so besonders, denn dort kann man selbst dann Verluste einfahren wenn der Kassapreis für Öl gestiegen ist, allein durch das Rollen in den nächst fälligen Kontrakt.
Kurven der Zukunft – Forward Curves
Bei Öl wirken sich in der Hauptsache Produktionskosten, politische Entscheidungen (z. B. OPEC, staatlich subventioniertes Fracking) und am Rande Zinskosten, auf den Future-Preis aus. Bei Weizen oder anderen landwirtschaftlichen Rohstoffen spielen Wetterbedingungen auch eine tragende Rolle. Solche und andere Faktoren, die sich auf die zukünftige Entwicklung auswirken, werden in sog. Forward Curves festgehalten. Sie geben Auskunft über die zukünftig zu erwartenden Rohstoffpreise.
Contango und Backwardation – Fluch und Segen für Anleger?
Verzeichnet die Terminpreiskurve, die Forward Curve einen Anstieg, werden die Rohstoff-Futures teurer, als sie zum aktuellen Kassapreis zu haben wären. Das nennt man Contango. Anleger können dann bei Rohstoff-ETCs weniger Gewinn einfahren als bei dem direkten Kauf physischer Rohstoffe.
Ist die Forward Curve dagegen von einen Abfall gekennzeichnet, sind die Rohstoff-Futures günstiger zu haben als zum aktuellen Kassapreis. Das nennt man Backwardation, ein Zustand, den Anleger i.d.R. begrüßen. Denn nun können Investoren durch Rohstoff-ETCs mehr Gewinne einfahren, als wenn sie den entsprechenden Rohstoff physisch gekauft hätten.
Jetzt lieber Öl-ETC oder Öl-Aktien?
Da die Forward Curves für die Ölsorten wie WTI (West Texas Intermediate) und Brent Crude ein deutliches Contango aufweisen (Stand: 09.03.2020), ist von kurz terminierten Öl-ETCs mit nur einem Monat derzeit eher abzuraten. Der letzte große „Contango-Effekt” war beispielsweise 2009 zu beobachten. Obwohl der Ölpreis um etwa 50 Prozent gestiegen ist, hat sich der Gewinn durch die Rollverluste fast gänzlich in Schall und Rauch aufgelöst.
Rollverluste vermeiden
Um solche Rollverluste zu vermeiden, können Anleger auf Öl-ETCs mit langfristigen Futures setzen, die weniger oft getauscht, also „gerollt” werden müssen. Wer Rollverlusten komplett aus dem Weg gehen will, sollte auf entsprechende Aktien-ETFs setzen und damit breit gestreut in Energie-Firmen investieren, die im Ölgeschäft tätig sind.
Denn seitdem der Ölpreis erstmal über 30 Prozent gefallen ist, und die Aktienpreise auch mit sich gerissen hat, kann sich der Einstiegszeitpunkt als günstig herausstellen. Eine Garantie gibt es natürlich weder für ETCs noch ETFs.
Tipp: Öl-ETCs mit längeren Futures erkennen Sie an Bezeichnungen im ETF-Namen: z.B. „2mt”, „3mt” (für Monate), „longer dated” (3 Monate), 1yr, 3yr (für Jahre). Und hier finden Sie Aktien-ETFs, die in Öl- bzw. Gasunternehmen investieren. |