Geldanlage: Darum laufen Rohöl-ETCs jetzt gerade wie geschmiert
Seit Monaten erzielen Rohöl-ETCs eine signifikante Outperformance gegenüber dem Ölpreis. Dies liegt vor allem an der angespannten Versorgungslage und einer besonderen Situation an den Terminmärkten.
Ein Großteil der bei extraetf.com aufgeführten Rohöl-ETCs hat sich in diesem Jahr deutlich besser entwickelt als die beiden Ölsorten WTI bzw. Brent, die sich seit Ende Dezember auf Dollarbasis um 22 bzw. 25 Prozent verteuert haben. Zwölf „Exemplare“ wiesen seit dem Jahresultimo Wertzuwächse in Höhe von mehr als 50 Prozent bis in der Spitze über 60 Prozent aus. Ein Preistreiber war natürlich der starke Dollar, der den Preis des fossilen Energieträgers für uns Europäer besonders deutlich nach oben getrieben hat. Gegenüber dem Euro hat sich die Weltleitwährung nämlich um über 15 Prozent verteuert.
Outperformance dank „Backwardation“
Eine andere Ursache ist allerdings darin zu sehen, dass an den Terminmärkten derzeit eine Sondersituation namens „Backwardation“ zu beobachten ist. Eine solche Marktlage liegt immer dann vor, wenn länger laufende Kontrakte günstiger zu haben sind als der nächstfällige Future. In „normalen“ Marktphasen ist meist das genaue Gegenteil der Fall. So spricht man von „Contango“, wenn Futures mit längerer Laufzeit mehr kosten als Kurzläufer. Da dem ganz normalen Rohöl-ETC in der Regel der nächstfällige Öl-Future (entweder WTI oder Brent) zugrunde liegt, wird mit dem Auslaufen dieses Kontrakts das investierte bzw. gebundene Kapital in einen Future mit längerer Laufzeit eingetauscht bzw. gerollt, wie man diesen Vorgang in der Fachwelt nennt. Bei „Backwardation“ steigt aufgrund des niedrigeren Preises des nächsten Kontrakts die Zahl der investierten Futures, wodurch sich eine entsprechende Outperformance ergibt.
Eine Underperformance würde sich bei „Contango“ einstellen, weil dann nach dem Rollen preisbedingt weniger Futures als vor dem Umtausch in dem ETC enthalten sind. Sobald sich die Terminkurve von „Backwardation“ in „Contango“ verwandelt, dürften die Besitzer von Rohstoff-ETCs deutlich weniger Freude mit ihren Rohöl-Wertpapieren haben. Dann dürften diese sich nämlich schwächer entwickeln als die Ölpreise selbst. In der aktuellen Marktlage kann man von einer stark angespannten Versorgungslage sprechen, die sich sowohl in der Ölindustrie als auch an den Terminmärkten bemerkbar macht. Verantwortlich hierfür ist auf der einen Seite natürlich der russische Krieg gegen die Ukraine und die damit verbunden Sanktionen westlicher Länder gegen Russland. Zum anderen läuft es in der Ölbranche aber auch aufgrund der covid-19-bedingten Nachwirkungen alles andere als rund.
Wer von der Entwicklung des Ölpreises profitieren möchte, muss weiterhin mit sehr starken Preisschwankungen rechnen und benötigt deshalb ein ausgesprochen robustes Nervenkostüm. Und an den Ölmärkten droht weiteres Ungemach, schließlich wenden sich immer mehr Investoren vom Ölmarkt ab. So hat sich zum Beispiel seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs die Anzahl offener Kontrakte von 1,64 Millionen auf 1,44 Millionen Futures (-12,2 Prozent) reduziert und die kumulierte Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Terminspekulanten in Höhe von 43.700 Futures in eine Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) 12.450 Kontrakte verwandelt. Beide Entwicklungen erhöhen die Gefahr einer steigenden Kursschwankungsintensität (Volatilität) in Kombination mit einer sinkenden Liquidität – und dies wäre kein guter Mix an Begleitumständen.
Alternative für Privatanleger
Wer sich diesem Risiko nicht aussetzen möchte, kann über den Kauf von Ölaktienindex-ETCs indirekt von einem steigenden Ölpreis profitieren. Interessanterweise gab es auch hier einige Exemplare, die in diesem Jahr Wertsteigerungen zwischen 50 und mehr als 60 Prozent erzielt haben. Diese drei ETFs entwickelten sich 2022 am besten:
iShares S&P 500 Energy Sector UCITS ETF USD (WKN: A142NX): +66,6 Prozent
SPDR S&P U.S. Energy Select Sector UCITS ETF (WKN: A14QB0): +66,4 Prozent
Xtrackers MSCI USA Energy UCITS ETF (WKN: A1W3F8): +65,8 Prozent
Über den Autor: Jörg Bernhard
Jörg Bernhard ist freier Wirtschaftsjournalist und hat sich auf die Themenbereiche Rohstoffe, Edelmetalle, Börse, Hebelprodukte und Anlagezertifikate spezialisiert. Vor seiner Selbstständigkeit war er von 1994 bis 2002 bei einem Münchner Verlag aus dem Bereich Wirtschaftspresse als Redakteur, stellvertretender Redaktionsleiter und Redaktionsleiter angestellt.
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An den Ölmärkten sind derzeit sowohl die Stimmung als auch die Preise im Keller. Dies stellt möglicherweise einen guten Zeitpunkt für einen Rohöl-ETC dar.