Rohöl-ETCs: Was für und was gegen ein Investment spricht
An den Ölmärkten herrscht seit Jahren Verunsicherung. Das Auf und Ab der Stimmungen – und damit auch der Preise von Rohöl-ETCs – fällt in der Regel deutlich heftiger als in anderen Anlageklassen aus.
Die Angst vor einer weltweiten Rezession dürfte im Zuge der Pandemie, dem russischen Überfall auf die Ukraine und der schwelenden Bankenkrise gestiegen sein und sollte mit Blick auf ein etwaiges Rohölinvestment auf keinen Fall ignoriert werden. Indizien wie zum Beispiel die inverse Zinsstruktur sprechen daher für eine bevorstehende Konjunkturschwäche. Invers bedeutet, dass Anleihen mit längerer Laufzeit eine geringere Rendite bieten als Kurzläufer-Papiere. Außerdem lösen Zinserhöhungszyklen, wie wir sie derzeit zweifellos erleben, meist eine Rezession aus. Darauf haben kürzlich Ronald-Peter Stöferle und Mark Valek, die beiden Vermögensverwalter der Liechtensteiner Incrementum AG in einer aktuellen Publikation hingewiesen. Während der 20 seit dem Jahr 1915 erfassten Zinserhöhungsphasen, blieb lediglich dreimal eine Rezession aus. Somit lässt sich die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession auf 85 Prozent taxieren.
Rohöl-ETCs können schwanken
Wer die Ölmärkte seit Längerem verfolgt, könnte zu dem Schluss kommen, dass diese Anlageklasse besonders stark von unkalkulierbaren Risiken unterschiedlichster Art gekennzeichnet ist. Geopolitische Risikofaktoren wie Kriege oder Anschläge auf die Infrastruktur der Ölindustrie erscheinen in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert. Außerdem treten oftmals unerwartete Einbrüche der Nachfrage auf, wie dies nach dem Ausbruch der Pandemie in China der Fall war. Vor ungefähr drei Jahren führte dies beim WTI-Future kurzzeitig sogar zu negativen Preisen von in der Spitze minus 40 Dollar, weil der pandemiebedingte Einbruch der globalen Nachfrage und zu geringe Lagerkapazitäten diese Anomalität verursacht haben.
Rohöl-ETCs: Volatilität spricht eindeutige Sprache
Das hohe Risiko eines Ölinvestments lässt sich vor allem durch die finanzmathematische Kennzahl Volatilität ablesen. Diese kann man grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten ermitteln – zum einen auf Basis einer bestimmten Anzahl historischer Preise und zum anderen unter Berücksichtigung von Optionspreisen. Letztere gilt als besonders aussagekräftig, da sie gewissermaßen aufzeigt, welche Volatilität am Markt derzeit eingepreist wird.
Die Terminbörse Chicago Board Options Exchange (CBOE) hat zahlreiche Volatilitätsindizes auf die verschiedensten Anlageklassen konzipiert und veröffentlicht deren Entwicklung fortlaufend. Einen relativ hohen Wert weist mit über 39 Prozent derzeit der Ölvolatilitätsindex (OVX) aus. Zum Vergleich: Ein Investment in den S&P-500-Index zeigt über den VIX eine Vola von lediglich 19 Prozent an und selbst ein Nebenwerteinvestment in den 2.000 Werte Russell-2000-Index kommt via RVX lediglich auf einen Wert von 25 Prozent.
Im Grunde genommen bieten sich Investments in Rohöl-ETCs ausschließlich für Anleger an, die von einer Verteuerung des fossilen Energieträgers „felsenfest“ überzeugt sind. Hierfür können fundamentale Aspekte wie die Erwartung einer starken Erholung der Ölnachfrage sprechen – insbesondere in China, wo in den kommenden Jahren ein Großteil des globalen Ölnachfragewachstums generiert wird. Des Weiteren bieten sich Ölinvestments unter Zuhilfenahme charttechnischer Indikatoren an, schließlich werden Öl-Futures häufig allein aufgrund von charttechnischen Entwicklungen oder Formationen ge- oder verkauft.
Fazit: Nach der jüngsten Kursrally legen derzeit zahlreiche technische Indikatoren das „Kaufen“ von Rohöl der Sorte WTI nahe. Auf der Charttechnik-Website Tradingview stehen zum Beispiel von den insgesamt 26 erfassten Parametern gegenwärtig fünf auf „Verkaufen“, neun auf „Neutral“ und zwölf auf „Kaufen“. Erfahrungsgemäß kann diese Kauflaune aber auch schnell wieder drehen, beim fossilen Energieträger geht dies bekanntlich besonders schnell.
Autor Jörg Bernhard
Jörg Bernhard ist freier Wirtschaftsjournalist und hat sich auf die Themenbereiche Rohstoffe, Edelmetalle, Börse, Hebelprodukte und Anlagezertifikate spezialisiert. Vor seiner Selbstständigkeit war er von 1994 bis 2002 bei einem Münchner Verlag aus dem Bereich Wirtschaftspresse als Redakteur, stellvertretender Redaktionsleiter und Redaktionsleiter angestellt.
An den Ölmärkten sind derzeit sowohl die Stimmung als auch die Preise im Keller. Dies stellt möglicherweise einen guten Zeitpunkt für einen Rohöl-ETC dar.
Öl ist definitiv ein kontroverses Anlageprodukt. Wer, wie ich, besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legt, wird vermutlich nicht mit dem Gedanken spielen, sein Geld in das sogenannte schwarze Gold anzulegen. Oder?
Der Öl- und Gasförderer Norwegian Energy (Noreco) aus Norwegen verdient gut, doch nicht so gut wie die (größere) Konkurrenz. Dennoch ist die Aktie im Sektor vergleichsweise stark. Schwankt aber auch ordentlich.