Was du bei Rohöl-ETCs auf keinen Fall außer Acht lassen solltest
Im vergangenen Jahr konnten Anleger mit Rohöl-ETCs hohe Renditen im zweistelligen Prozentbereich erzielen, während an den Aktienmärkten mitunter hohe Verluste zu Buche schlugen. Diese Outperformance hatte mehrere Ursachen.
Mit dem Wisdom Tree Brent Crude Oil-ETC konnte man zum Beispiel eine Performance von über 48 Prozent erzielen, obwohl sich die Nordseemarke Brent 2022 um lediglich 10,5 Prozent verteuert hat. Diese Outperformance war auf folgende Faktoren zurückzuführen.
Erstens: Die markante Dollarstärke hat den Ölpreis in Euro gerechnet – und damit auch den ETC – deutlich stärker ansteigen lassen und somit zu währungsbedingten Kursgewinnen geführt. Zweitens: Die Brent-Terminkurve an den Ölmärkten erwies sich im vergangenen Jahr ebenfalls als Performancetreiber. Länger laufende Kontrakte waren nämlich meist günstiger als der nächstfällige Future. Eine solche Marktphase wird als Backwardation bezeichnet und ist alles andere als üblich. Dank dieses Umfelds entstanden beim regelmäßig notwendig werdenden Kontraktwechsel sogenannte Rollgewinne. Drittens: Dem ETC von Wisdom Tree liegt der Bloomberg Brent Crude Sub Total Return zugrunde. Dieser zeichnet sich durch eine vordefinierte Rollstrategie aus, die sich im vergangenen Jahr ebenfalls als vorteilhaft erwiesen hat. Eine Garantie, dass sich diese erfreuliche Entwicklung im Jahr 2023 fortsetzen wird, gibt es allerdings nicht.
Wo liegen die größten fundamentalen Risiken?
Ein Rohöl-Investment via ETC birgt mehrere Risiken unterschiedlichster Art, die Anlegerinnen und Anleger auf jeden Fall auf dem „Radarschirm“ haben sollten. Grundsätzlich herrscht an den Ölmärkten derzeit ein hohes Maß an Unsicherheit, wie sich die Weltwirtschaft in diesem Jahr entwickeln wird. Eine Rezession dürfte die Ölnachfrage stark belasten und damit dem Ölpreis alles andere als zuträglich sein. Zugleich existieren aber auch zahlreiche geopolitische Risiken, die das Ölangebot beeinträchtigen könnten. Besonders stark abhängig ist der Ölpreis aber vor allem von der chinesischen Wirtschaft, schließlich wird der Löwenanteil des globalen Nachfragewachstums in China generiert. Dort wird gegenwärtig das chinesische Neujahr gefeiert. Wie sich in den kommenden Wochen und Monaten die dortige Corona-Lage entwickeln und Chinas Wirtschaft beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.
Wie hoch das Risiko eines Investments in Brent-Rohöl derzeit ausfällt, lässt sich besonders gut an der finanzmathematischen Kennzahl Volatilität ablesen, welche die Kursschwankungsintensität eines Basiswerts zum Ausdruck bringt. Als besonders aussagekräftig gilt der vom US-Terminbörsenbetreiber CBOE fortlaufend berechnete CBOE-Ölvolatilitätsindex (OVX), der sich aus diversen Optionspreisen zusammensetzt und die aktuell von den Finanzmärkten erwartete Volatilität anzeigt. Übrigens: Mit 38,5 Prozent übertrifft der Ölvolatilitätsindex derzeit seine Pendants auf Gold (16,1 Prozent) und den S&P-500 (19,1 Prozent) um mehr als das Doppelte.
Dass ein Ölinvestment extrem riskant sein kann, zeigte sich zum Beispiel im April 2020, als die US-Sorte WTI aufgrund fehlender Lagerkapazitäten kurzzeitig in den negativen Bereich abgerutscht war. Damals waren die jeweiligen Ölfirmen und Händler so verzweifelt, dass sie Kunden dafür bezahlten, ihnen den normalerweise wertvollen Rohstoff abzunehmen. Dies alles zeigt, dass die Zeiten aktuell alles andere als normal und sehr herausfordernd anzusehen sind.
Weitere konstruktionsbedingte Risiken
Beim oben erwähnten Wisdom Tree Brent Crude Oil-ETC (WKN: A1N49M) sollten Anleger zudem folgendes beachten. Sollte der Dollar in diesem Jahr eine nachhaltige Schwächephase erleben, würde dies aufgrund der zu erwartenden Währungsverlusten zu einer Underperformance des ETCs führen. Selbiges würde eintreten, falls die Terminkurve in eine sogenannte Contango-Phase wechseln würde. Weil dann länger laufende Kontrakte teurer sind als der nächstfällige, wären beim Kontraktwechsel Rollverluste vorprogrammiert. Ob sich dann die Rollstrategie des Basisindex als vorteilhaft erweisen wird, muss sich erst noch zeigen.
Nicht zu vergessen: Wie bei jedem ETC besteht stets ein Kontrahentenrisiko, insbesondere wenn eine synthetische Indexabbildung erfolgt oder sich der Firmensitz des Emittenten in weniger vertrauenswürdigen Ländern befindet. Deshalb lautet mein Motto stets: Augen auf bei der ETC-Auswahl!
Autor Jörg Bernhard
Jörg Bernhard ist freier Wirtschaftsjournalist und hat sich auf die Themenbereiche Rohstoffe, Edelmetalle, Börse, Hebelprodukte und Anlagezertifikate spezialisiert. Vor seiner Selbstständigkeit war er von 1994 bis 2002 bei einem Münchner Verlag aus dem Bereich Wirtschaftspresse als Redakteur, stellvertretender Redaktionsleiter und Redaktionsleiter angestellt.
An den Ölmärkten sind derzeit sowohl die Stimmung als auch die Preise im Keller. Dies stellt möglicherweise einen guten Zeitpunkt für einen Rohöl-ETC dar.
Seit Monaten erzielen Rohöl-ETCs eine signifikante Outperformance gegenüber dem Ölpreis. Dies liegt vor allem an der angespannten Versorgungslage und einer besonderen Situation an den Terminmärkten.