26. Dezember 2023
Nicht die Krisen entscheiden über die Aktien, sondern die Zinsen

Nicht die Krisen entscheiden über die Aktien, sondern die Zinsen

Viele Anleger zucken angesichts der vielen Krisen weltweit zusammen. Doch die Börsengeschichte zeigt: Die Zinsen zählen.

Die Bedeutung von Krisen wird immer wieder überschätzt. Nicht Krisen entscheiden langfristig über das Auf und Ab der Börse, sondern die Zinsen. In dieser Hinsicht ist die Lage besser als die Stimmung.

Seit einigen Jahren überschlagen sich die Krisen. Erst hatten wir die Corona-Pandemie, 2022 folgte Krieg in der Ukraine, nun erlebten wir die schrecklichen Massaker an Israelis und aktuell den Waffengang im Gazastreifen. Im Hintergrund sorgt die Rivalität zwischen den USA und China für reichlich Unbehagen. Schon ist die Rede von der Polykrise, einer Mischung und Verstärkung mehrerer Krisen zu einer großen Krisenwelle. Es ist die optimale Zeit für Schwarzmaler.

Die Entwicklung der Zinsen steht im Mittelpunkt

Viele Anleger sind deshalb verunsichert. Was könnte das alles für ihr Vermögen bedeuten? Kann das Anlagejahr 2024 unter der Last des Ukraine-Kriegs und eines möglichen Flächenbrands in Nahost überhaupt positiv ausfallen? Denen sei gesagt: Nicht der Krisenmotor treibt den Finanzmarkt langfristig nach oben oder unten, sondern die Entwicklung der Zinsen. Da sieht die Lage derzeit besser aus, als man angesichts der Krisenstimmung glauben würde.



Zum einen machen höhere Zinsen Anleihen im Vergleich zu Aktien attraktiver. Zum anderen verteuern sie die Finanzierung von Unternehmen, die auf Schuldpapiere oder Bankkredite angewiesen sind. Daher kamen im vergangenen Jahr insbesondere die Aktien von Firmen mit dünnem Cash *-Polster und hohem Geldbedarf unter Druck. Der stärkste Zinsanstieg seit Jahren führte in den marktbreiten Indizes zu Verlusten von bis zu 25 Prozent. Das ist keine ausgewachsene Baisse, aber ein satter Dämpfer!

Tipp: In welchem Verhältnis du Anleihen und Aktien kombinieren solltest, erfährst du über den Risikorechner.

Doch auch Zinspapiere sind ein zweischneidiges Schwert. Dies wissen alle, die in den letzten Monaten langlaufende Staatsanleihen im Depot hatten. Anleihen mit über 20 Jahren Laufzeit verloren von ihrem Allzeithoch 2020 bis jetzt rund die Hälfte an Wert. Im Gegensatz zu den Aktien war das ein ausgewachsener Crash!

Zinspapiere sind interessant

Nun stellt sich die Frage: Ist das aktuelle Zinsniveau attraktiv genug, um bei Zinspapieren zuzugreifen? Wir meinen: Ja. Insbesondere bei mittleren Laufzeiten zwischen drei und fünf Jahren. Zum einen sind dort die Zinsen im Vergleich zu kürzeren und längeren Laufzeiten am höchsten. Zum anderen dürfte der Zyklus der Zinserhöhungen so gut wie abgeschlossen sein. Noch höhere Zinsen bei Anleihen und damit temporäre Kursverluste sind unwahrscheinlich. Auch bei Aktien dürften sich Investments lohnen. Denn Dividendentitel profitieren, wenn die Zinsen tendenziell sinken und sich die Finanzierung der Unternehmen vergünstigt.

Tipp: Auch wir von extraETF haben uns mit der Thematik beschäftigt. Erfahre, mit welchen ETFs du von sinkenden Zinsen profitieren kannst.

Wir gehen davon aus, dass sich die Situation an den Finanzmärkten den zahlreichen Krisen zum Trotz merklich aufhellen sollte. Dafür werden nicht zuletzt die hohen Schuldenberge sorgen, auf denen die westliche Welt insbesondere seit Corona sitzt. Um sie abzutragen oder zumindest nicht weiter anwachsen zu lassen, werden die Notenbanken nicht umhinkommen, die Zinsen in den nächsten Jahren zu senken. Die Argumente dafür dürften nicht zuletzt die Krisen liefern. 

Über den Autor Mirko Kohlbrecher

Mirko Kohlbrecher ist Investmentstratege bei der Spiekermann & CO AG in Osnabrück