18. Dezember 2025
Martin Lück: So kommt die Wirtschaft in Deutschland wieder in die Erfolgsspur

"Die US-Vorstellung, sich Grönland und Kanada einzuverleiben, richtet sich auf den Kampf um Rohstoffe"

In der Weltpolitik und der Wirtschaft deuten sich große Veränderungen an. Martin Lück, Betreiber von Macro Monkey, zeigt spannende Szenarien auf.

Schwächere Wirtschaft, höhere Inflation: In den USA zeichnet sich aktuell eine sogenannte Stagflation ab. Was sind die Gründe dafür?

Das Wirtschaftswachstum in den USA verlangsamt sich, weil die Regierung eine Menge Unsicherheit gestiftet hat. Der Economic Policy Uncertainty Index ist nahe seinem historischen Höchststand. Bei derartiger Verunsicherung konsumieren Menschen weniger und Unternehmen halten Investitionen zurück. Die Inflation steigt dennoch, weil die Zölle zu einem drastischen Anstieg der Importpreise führen, der sich zeitversetzt in steigende Erzeuger- und Verbraucherpreise überträgt. Das Ergebnis ist schwächeres Wachstum, in Kombination mit höherer Inflation, also eine Entwicklung Richtung Stagflation.

In Deutschland sieht die wirtschaftliche Lage schon länger nicht mehr rosig aus. Als Industrieland treffen uns die höheren Energiepreise besonders. Wie kommt die deutsche Wirtschaft wieder auf die Erfolgsspur?

Es sind im Wesentlichen drei Dinge. Erstens müssen die Unternehmen bei den Energiekosten entlastet werden. Zweitens sollten Anreize geschaffen werden, um in Zukunftstechnologien wieder Anschluss zu finden. Eine davon sind nachhaltige Energien, die zuletzt in Misskredit geraten sind. In diesem Bereich geht die Entwicklung mit zu starkem Fokus auf neue Gaskraftwerke aber derzeit sogar eher in die falsche Richtung. Und drittens brauchen wir Anreize für Unternehmen, um in Deutschland zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Anreize können etwa in steuerlichen Vorteilen weniger Bürokratie und gezielterer Ansiedlungsförderung, etwa durch Bildung industrieller Cluster, liegen.

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Könnte das sogenannte Sondervermögen für nachhaltige Impulse sorgen oder sehen Sie das eher als Strohfeuer?

Unter der Voraussetzung, dass die Mittel zügig und effizient an den richtigen Stellen eingesetzt werden, hätte das Sondervermögen Infrastruktur durchaus zu längerfristig höherem Wachstum führen und damit Deutschland wieder näher an eine Erholung heranbringen können. Angesichts der Verschiebebahnhöfe zwischen regulärem Haushalt und Sondervermögen und der ökonomisch völlig unsinnigen Wahlgeschenke, zum Beispiel Mütterrente und Agrardiesel, sehe ich aber eher eine missbräuchliche Verwendung der fiskalpolitischen Öffnung und damit wenig Chancen auf einen echten Wachstumsimpuls.

Während die US-Wirtschaft seit 2019 deutlich gewachsen ist, stagniert Deutschland seither. Welche strukturellen Unterschiede erklären den deutlichen Unterschied?

Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass die USA energieautark sind, während Deutschland stark von Lieferung, Öl und Gaslieferungen, vor allem aus Russland, abhängig war. Zweitens hat sich das deutsche Wachstum in den letzten Jahrzehnten immer stärker auf Exporte fokussiert. Durch die Globalisierung nimmt das deutsche Wachstum deshalb viel stärkeren Schaden als das amerikanische. Wahr ist auch, dass die US-Wirtschaft wesentlich innovativer ist.

Deutschland lebt auch vom Export. Wie gefährlich ist die deutsche Exportabhängigkeit von China wirklich, und gibt es realistische Alternativen für deutsche Unternehmen?

Deutsche Exporterfolge in China sind in der Vergangenheit einer der Hauptgründe für die deutsche Outperformance in Europa gewesen, und sie werden jetzt zu einem gravierenden Nachteil. Schwächere Exporte nach China, die wir im Moment erleben, kurzfristig durch Lieferungen in andere Regionen zu ersetzen, ist unrealistisch. In Zukunft muss es das Ziel sein, die Palette deutscher Exporte sowohl sektoral als auch regional breiter aufzustellen.

Sind die USA genauso abhängig von China wie Europa?

Verglichen mit Europa hat die US-Wirtschaft in der Vergangenheit einen deutlich geringeren Wachstumsbeitrag durch Exporte nach China generiert. Die US-Unternehmen sind aber dennoch von China abhängig, vor allem im Bereich elektronischer Komponenten und seltener Erden. Auf jeden Fall scheinen die USA mehr von China abzuhängen als umgekehrt.

Die Trump-Regierung versucht mit einem schwächeren US-Dollar den Rust Belt zu stärken und zusätzlich fließen noch beträchtliche Summen über Zölle ins Land. Geht die Rechnung für die Amerikaner auf?

Nein. Eine Belebung der deindustrialisierten Regionen Amerikas allein durch einen schwächeren Dollar ist Illusion. Sie dient eher dazu, die Trump-Wähler im mittleren Westen bei der Stange zu halten, als zu tatsächlichen ökonomischen Verbesserungen.

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Trump streckt außerdem seine Fühler Richtung Kanada und Grönland aus. Sehen wir in der Arktis einen Kampf um Seltene Erden?

Ja, vermutlich, und um andere Rohstoffe. Die Vorstellung der US-Regierung, sich Grönland und Kanada einzuverleiben und mit Russland einen Deal zu machen, richtet sich neben strategischen Überlegungen und Schifffahrtsrouten durch die Nordwest- und Nordost-Passage auch und vor allem auf den Kampf um Rohstoffe, der die Welt vermutlich in den nächsten Jahrzehnten prägen wird.

Werden wir in einigen Jahren wieder einen Ost-Westblock sehen?

Das hängt zuallererst davon ab, wie sich die USA weiterentwickeln. Sollte sich die isolationistische Position der jetzigen Administration in zukünftigen Regierungen fortsetzen, sehe ich eher eine Dreiteilung der Welt, mit den USA und Europa als separate Spieler und dem Camp autokratischer Länder auf der anderen Seite. Ansonsten wird, anders als im Ost-West-Konflikt, den zentralen Punkt im Osten eher China einnehmen, nicht mehr Russland.

Die USA sind politisch, aber auch wirtschaftlich immer noch das bedeutendste Land – auch wenn China in vielen rohstoffreichen Ländern Fußfassen konnte. Wie sehen Sie die Bewertung im US-Aktienmarkts und was lässt sich daraus für die Renditeaussichten für die kommenden Jahre ableiten?

Es gibt derzeit eine ungewöhnlich starke Diskrepanz zwischen Makro- und geopolitischen Risiken auf der einen sowie den – tendenziell eher positiven – Unternehmensnachrichten auf der anderen Seite. So verdienen US-Unternehmen, auch weil sie teilweise durch extreme Nähe zur US-Regierung gefördert und protegiert werden, nach wie vor sehr gutes Geld. Und das kann noch Jahre so bleiben. Auf der anderen Seite nehmen die Makro- und geopolitischen Risiken derart zu, dass sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit in der längeren Frist auch in den Unternehmensergebnissen niederschlagen werden.

China gilt in Aktienindizes immer noch als Schwellenland. Das Land ist mittlerweile in einigen Bereichen an der Spitze, auf der anderen Seite sahen wir eine Immobilienkrise und sehen eine problematische Demografie. Wo sehen Sie in China Chancen und Risiken?

Die chinesische Regierung bemüht sich derzeit extrem, die Nachfrage in China anzukurbeln. Allerdings wird das kaum gelingen, solange ein derart starker Angebotsüberhang am Immobilienmarkt besteht und deshalb das gewaltige, größtenteils in Immobilien gebundene Sparvermögen der Haushalte durch sinkende Häuserpreise entwertet wird. Andererseits versucht die chinesische Regierung, in Spitzentechnologien führende Plätze in der Welt zu erlangen und gibt enorm viel staatliches Geld für Industriepolitik aus. Beides sind Bestandteile eines Ungleichgewichts, das auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten sein wird. Dennoch ist es aus aktueller Sicht nach wie vor interessant, in das starke Wachstum chinesischer Unternehmen zu investieren, wenngleich immer mit einer höheren Risikoprämie im Kopf.

Wie sind grundsätzlich die Aussichten von Schwellenländer-Aktien, angesichts der seit Jahren vorherrschenden Deglobalisierung?

Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass Schwellenlandaktien sich über längere Zeiträume besser entwickelt haben als Industrielandaktien, wenn die Globalisierung ausgeweitet wurde. Dies hat in zwei großen Schüben, jeweils nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 und dem Beitritt Chinas sowie WTO 2001, zu Jahren starker Outperformance der Schwellenländer geführt. Der Umkehrschluss bedeutet, dass in der gegenwärtigen Phase der Deglobalisierung Schwellenlandaktien es vermutlich schwer haben, Industrielandaktien hinter sich zu lassen.

Welche Staaten profitieren von einer möglichen neuen Weltordnung und wie ist die Rolle Europas?

Einzelne Volkswirtschaften, die sich bisher nicht eindeutig auf die Seite autokratischer Staaten oder die des Westens geschlagen haben, können zumindest temporär die Möglichkeit ausspielen, von beiden Lagern hofiert zu werden und entsprechende ökonomische Vorteile abzuschöpfen. Dies betrifft vor allem mittelgroße Länder in Asien und Lateinamerika. Die Rolle Europas kann, unter günstigsten Umständen, die eines besseren Westens werden, und zwar wenn Unternehmen und Top- Fachkräfte sich eher Richtung Europa orientieren möchten als in Richtung eines immer autokratischeren Amerikas. Hier konkurriert Europa allerdings mit anderen Volkswirtschaften westlicher Prägung, wie zum Beispiel Kanada, Australien und anderen.

Wie sollten sich Privatanleger aufstellen? Aktien, Anleihen, Gold oder Bitcoin?

In extrem unsicheren Zeiten wie den aktuellen ist es noch wichtiger als sonst, ein Portfolio breit zu diversifizieren. Alle genannten Anlageklassen gehören insofern dazu, wobei nach wie vor die Anlagen in Kryptoassets eher eine kleine Beimischung sein sollten. Aktien sollten übergewichtet bleiben, wenngleich defensiver und weniger amerikalastig. Bei Anleihen liegt der Fokus auf Europa und guten Unternehmensanleihen. Die Goldquote darf im Portfolio aktuell trotz der bereits hohen Bewertung von Gold etwas höher sein als im langjährigen Durchschnitt.