20. Juni 2022
Geld wird teurer – was das für Aktien, Anleihen, Kryptos, Gold und Co. bedeutet

Geld wird teurer – was das für Aktien, Anleihen, Kryptos, Gold und Co. bedeutet

Die FED macht es, die Bank of England und jetzt sogar die Schweizerische Nationalbank: Sie erhöhen die Zinsen – zum Teil massiv. Das Problem ist überall das gleich, wenn auch unterschiedlich akut: Die Inflation. Hier sind die Folgen für Aktien, Anleihen, Gold, Kryptos und Bankkonten.

Der größte Zinsschritt seit 1994 – den musste die US-Notenbank FED wagen, um der rekordhohen Inflation überhaupt Herr zu werden. Jetzt ist die Gefahr, dass steigende Zinsen das Wirtschaftswachstum abwürgen. Die Angst der Anlegerinnen und Anleger davor ist allgegenwärtig. Und hinterlässt bereits tiefe Spuren an den Kapitalmärkten: US-Standard-Aktien im Bärenmarkt, zum Teil halbierte Bewertungen bei Tech-Aktien, Ausverkauf bei Anleihen, selbst Gold als Krisen-Währung verliert an Wert.

Nach 11 Jahren Sorglosigkeit – sprich niedriger Zinsen, billiges Geld und enormen Kurssteigerungen (sind das auch Wertsteigerungen?) bei Aktien oder Immobilien will die Europäische Zentralbank die Leitzinsen in der Eurozone erhöhen. Das sind die Zinsen, zu denen sich Banken bei der Notenbank Geld leihen können, um es dann an ihre Kund:innen als Kredite weiterreichen zu können.

Gerade haben die FED (0,75 Prozent), die Bank of England (0,25 Prozent) und die Schweizerische Nationalbank (0,5 Prozent) die Leitzinsen erhöht.

Spareinlagen: Tages- und Festgeld werfen weiterhin kaum etwas ab

Die gute Nachricht zuerst: Negativzinsen dürften sukzessive zurückgenommen werden, wenn die EZB an der Zinsschraube dreht, zumindest werden die Freibeträge dafür steigen. Einige Banken haben das bereits angekündigt. Doch damit genug der good news für risikoaverse Sparerinnen und Sparer: Spareinlange wie Tages- oder Festgeld rentieren nach wie vor enttäuschend bis gar nicht.

Sie hängen nämlich nicht von den Leitzinsen ab, sondern vom so genannten Einlagenzins. Das ist der Zins, den die Banken zahlen müssen, wenn sie die Gelder ihrer Kunden bei der EZB anlegen. Und der ist weiter im Minus bei -0,5 Prozent. Das ändert sich also nicht. Für Bankkonten wie Tages- oder Festgeld ist der Einlagenzins wichtig. Doch den müssen die Banken dann auch an die Kunden weitergeben.

Realzinsen bleiben immens niedrig

Aber auch wenn die EZB diese Zinsen anhebt und selbst wenn die Banken dies dann an die Kundinnen und Kunden weitergeben, die Realzinsen bleiben auf absehbare Zeit im Minus. Das sind die Zinsen abzüglich der Inflation. Derzeit liegt sie in Deutschland bei 7,9 Prozent. Die EZB erwartet in diesem Jahr trotz Zinserhöhungen 6,8 Prozent Geldentwertung. Bislang war sie von 6 Prozent ausgegangen.

Immobilien-Darlehen: Bauzinsen steigen und steigen

Was auf dem Sparkonto eher schleppend ankommen wird, ist bei Kreditzinsen Realität: Kreditzinsen steigen. Vor allem bei Immobilien-Krediten machen Immobilien-Käufer derzeit diese Erfahrung. Effektiv sind die Zinsen für Immobilien-Finanzierungen über zehn Jahre in dieser Woche auf mehr als 3 Prozent gestiegen. Zum ersten Mal seit 10 Jahren. Im Oktober kosteten sie noch 0,7 Prozent.  Ende März wie der Immobilien-Finanzierer Interhyp noch 2,0 Prozent aus. Das Ende der Fahnenstange sehen Immobilien-Experten vorläufig (!) bei 4 Prozent.

Gold hat Konkurrenz

In den vergangenen drei Jahren ist Gold um fast 40 Prozent gestiegen. Doch in diesem Jahr geht es deutlich ruppiger zu. Allein in den letzten drei Monaten fällt Gold um knapp fünf Prozent. Die Rezessionsangst hinterlässt Spuren. Meist lösen vor allem Zinserhöhungen eine Rezession aus. Der eigentliche Inflationsschutz Gold wird vor allem durch den Anstieg der Kapitalmarktzinsen, insbesondere in den USA, aber auch in Europa, belastet.

Je höher die Realzinsen sind, desto attraktiver werden Staatsanleihen. Die werden wie Gold als sichere Häfen betrachtet – allen voran US-Staatsanleihen. Und da Gold keine Zinsen abwirft, wird es bei Zinserhöhungen unattraktiver.

Tipp: Hier erfährst du alles über das Investieren in Gold.

Anleihen: Renditen innerhalb von drei Monaten verdoppelt

Erhöhen die Notenbanken die Leitzinsen, steigen die Zinskupons neuer Anleihen von Staaten oder Unternehmen. Damit sind die neuen Anleihen attraktiver, die Kurse älterer Titel sinken, weil ihre Nachfrage zurückgeht. Wie zu beweisen war:

Die Zinsen von zehnjährigen US-Staatsanleihen haben sich seit März mehr als verdoppelt. Bis zu 3,5 Prozent Verzinsung bekommt, wer den USA Geld leiht. Für zehnjährige Bundesanleihen gibt es immerhin 1,7 Prozent. Doch höhere Renditen bringen vor allem die europäischen Peripherie-Staaten unter Druck: In Italien stiegen die Renditen zeitweise über 4 Prozent. Die hohe Staatsverschuldung schürt Ängste vor einer neuen europäischen Schulden-Krise. Die sich in der derzeitigen Gemengelage aus Rezessionsangst, Inflation, Energie-Knappheit, Krieg etc. wohl niemand vorstellen möchte.

Aktien: DAX noch weit vom Corona-Tief entfernt

Steigende Anleihen-Renditen gehen meist auch auf das Konto von Aktien. Wir sehen das gerade. Aber auch da muss man differenzieren: Finanz- und Versicherungswerte profitieren im Allgemeinen von Zinserhöhungen. Sie erzielen dabei höhere Zinserträge. Für Unternehmen mit hohen Schulden wird es jedoch teurer, Kredite aufzunehmen. Vor allem Branchen, die hohe Investitionen tätigen müssen, leiden darunter. Etwa die Technologie-Branche. Aber auch hier muss man differenzieren: Solide, etablierte Unternehmen wie Apple oder Amazon sind naturgemäß wenig anfällig – Start-Ups, die noch im Aufbau sind, hingegen schon. Viele von ihnen erfahren eine Neubewertung.

Wenn die Wende in der Geldpolitik eine Rezession auslöst, wie die meisten Marktteilnehmer jetzt befürchten, wird das die Unternehmensgewinne schmälern. Und damit auch die Aktienkurse. Der DAX hat seit Jahresbeginn bereits 18 Prozent verloren. Die Nervosität ist auch an der Volatilität, der Schwankungsbreite abzulesen. Sie pendelt derzeit um einen Wert von 30. Diesen hatten wir in diesem Jahr bereits mehrfach erreicht. Er illustriert die Nervosität am Märkt. Mit Kriegsbeginn in der Ukraine war er auf fast 50 hochgeschossen.

Inflation, Rezessionssorgen, drohende Schuldenkrise, Energiekrise, Krieg, Pandemie – Experten sprechen von Stapelkrisen, wenn in vielen Regionen viele Risiken aufeinander folgen. Ohne das zumindest einige davon gelöst werden. Da ist ein DAX von 13.000 Punkten ist damit noch weit vom Corona-Tief im März 2020 entfernt.

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Kryptos: Kommt der nächste Krypto-Winter?

Die Sorgen machen auch vor den Kryptos nicht halt. Was als Inflationsschutz beworben worden war, ist gerade deutlich im Wert gesunken: Seit Jahresbeginn hat die älteste Krypto-Währung Bitcoin mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Ethereum, die zweitgrößte Krypto-Devise, bricht sogar um mehr als zwei Drittel ein. Die Inflations- und Rezessionssorgen führen zu einer Kettenreaktion: Zu Wochenbeginn setzte der Krypto-Anbieter Celsius Network in den USA alle Rückzahlungen an seine Kundinnen und Kunden aus.

Was zuerst eher Krypto-Insider interessierte, wurde aber schnell auch in Deutschland ein Thema: Kundinnen und Kunden der Neobank Nuri, vormals Bitwala, hatten keinen Zugriff mehr auf ihre Bitcoins. Auch verschiedene Krypto-Börsen haben Bitcoin-Auszahlungen gestoppt. Viele Anlegerinnen und Anleger haben panisch verkauft. Experten schließen einen Krypto-Winter nicht aus: Das ist eine Phase, in der die Kurse heftig sinken und sich auf mindestens Jahressicht nicht erholen.