17. Juni 2022
Abverkauf am Krypto-Markt: Darum brechen Bitcoin & Co schon wieder ein

Abverkauf am Krypto-Markt: Darum brechen Bitcoin & Co schon wieder ein

Der Bitcoin fällt zeitweise unter 20.000 US-Dollar. Und ist damit so „billig“ wie seit Ende 2020 nicht. Die Notenbanken müssen die Zinsen erhöhen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Doch das ist nicht der einzige Grund. Und war die Inflation nicht gerade noch ein Argument FÜR Bitcoin und Co?

Bei sommerlichen 30 Grad zieht an den Kapitalmärkten ein Krypto-Winter auf. Das bedeutet, dass die Kurse von Krypto-Währungen einbrechen und sich auf Sicht eines Jahres ungefähr nicht wieder erholen. Seit Jahresbeginn hat die älteste Krypto-Währung mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Ethereum, die zweitgrößte Krypto-Devise, verliert sogar rund 70 Prozent.

Dabei ist es doch erst gut ein Jahr her,  da war noch eitel Sonnenschein statt Eiszeit am Krypto-Markt war: Die Krypto-Börse Coinbase war im April 2021 an die Börse gegangen. Die Euphorie darüber hatte den Bitcoin zum Coinbase-IPO auf ein Niveau von fast 60.000 US-Dollar getragen. Coinbase selbst war – zumindest für einen Tag – wertvoller als die größte Börse der Welt, die New York Stock Exchange. Die gibt es wohlgemerkt seit 1792. Die Begeisterung für Kryptos war weltweit enorm. Im Herbst näherte sich der Kurs der Krypto-Devise der Marke von 70.000 US-Dollar.

Jetzt, gut ein Jahr später, ist der Bitcoin nur noch ein Drittel Wert, sank zwischen zeitlich auf unter 20.000 US-Dollar. Ethereum kostet noch etwas mehr als 1.000 US-Dollar. Und Coinbase entlässt fast ein Fünftel seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind 1.000 Jobs. Schon im ersten Quartal war der Umsatz bei Coinbase um ein Viertel eingebrochen, netto hatte das Unternehmen 430 Millionen US-Dollar Verlust erwirtschaftet.

Schon seit Jahresende 2021 darf man das Marktumfeld für Kryptos als ruppig bezeichnen. Die Ankündigung der US-Notenbank FED, die Zinsen zu erhöhen und das auch allmählich zu tun, belastete die Kryptos. Nicht nur die: Aktuell brechen auch Aktien, Anleihen, Edelmetalle ein. Doch die Notenbank musste endlich reagieren, um der stetig steigenden Inflation Einhalt zu gebieten. Was bis dato noch nicht gelingt. Deshalb werden weitere Zinserhöhungen folgen müssen. Inzwischen zieht auch die Europäische Zentralbank nach und plant eine erste Zinserhöhung in der Eurozone für Juli. Die nicht die einzige bleiben wird, so viel ließen auch die europäischen Währungshüter schon durchblicken.

Hoffnung auf Inflationshöhepunkt war Trugschluss

„Offenbar stellt sich die Hoffnung auf einen baldigen Höhepunkt der Inflation als die gleiche Art von Trugschluss heraus wie schon zuvor die Hoffnung auf eine lediglich vorübergehende Inflation“, erklärt Jochen Stanzl von CMC Markets. Die langfristigen Zinsen sind längst gestiegen, vor allem in Südeuropa. Dass diese Länder ihre Schulden nicht mehr zahlen können, ist eine der großen Sorgen, die mit all den Schwierigkeiten einhergehen: Die Angst vor einer neuen Euro-Schuldenkrise geht um.

Warb die Krypto-Branche nicht mit dem Inflationsschutz?

Doch warb die Krypto-Branche nicht damit, dass Kryptos ein Inflationsschutz seien? Viele Kryptos sind noch gar nicht lang genug auf dem Markt, um schon während einer auch nur annähernd nennenswerten Inflation gehandelt worden zu sein. Der Bitcoin als älteste Krypto-Währung galt aber gerade als Absicherung gegen Inflation. Kann das sein?

Nach Einschätzung von Marktexpertinnen und -experten kann es langfristig keine Inflation etwa beim Bitcoin geben, weil er nicht beliebig herstellbar ist – anders als Fiat-Währungen wie Euro und Dollar, die immer weiter gedruckt werden können. „Es gibt am Ende des Mining-Prozesses knapp 21 Millionen Bitcoin und keinen einzigen mehr“, sagt ein Experte. Die Frage sei, ob Menschen den Kryptos generell einen Wert beimessen oder ob dieser irgendwann dauerhaft 70, 80 oder 90 Prozent seines Wertes verlieren wird.

Celsius bringt das Fass zum Überlaufen die Panik

„Schon die Inflation, der Krieg und Stablecoin-Hacks waren eine toxische Konstellation“, sagt ein Experte. Doch damit nicht genug: Zu Wochenbeginn setzte der Krypto-Anbieter Celsius Network in den USA alle Rückzahlungen von Bitcoin an seine Kundinnen und Kunden aus. Experten berichten von einem regelrechten Bank Run. Das hat zuerst einmal nur echte Krypto-Kenner und –Insider interessiert. Krypto-Verleih ist schließlich nicht jedermanns Sache. Doch schnell wurde es auch in Deutschland ein Thema – unfreiwillig für viele Anlegerinnen und Anleger, ja vielleicht sogar unterschätzt:

Denn Kundinnen und Kunden der Neobank Nuri, die früher als Bitwala firmierte, hatten plötzlich keinen Zugriff mehr auf ihre Bitcoins. Sie konnten sie sich nicht auszahlen lassen. Was viele vielleicht nicht wussten: Nuri ist Partner von Celsius. Nuri bietet in Deutschland ein so genanntes Bitcoin–Ertragskonto an: Anlegern drei Prozent Zinsen, wenn sie ihre Bitcoins über Nuri verleihen. An Celsius. Celsius verleiht die Kryptos wiederum weiter. Und bietet Kredite an, die mit Kryptos besichert werden können. Doch nun wollen die Kundinnen und Kunden von Celsius ihre Bitcoins zurück.

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Panik macht sich breit. „Celsius hat eine Kettenreaktion ausgelöst.“. Auch verschiedene andere Markt-Teilnehmer, etwa Krypto-Börsen, haben Bitcoin-Auszahlungen gestoppt. Einige prüfen die Auszahlungsanfrage mehrere Tage lang. Bei Märkten wie Binance war der Auszahlungsstopp allerdings nur vorübergehend gewesen.

Aber auch bei ETPs, die physisch mit den jeweiligen Kryptos unterlegt sind, können weitere Abverkäufe drohen.

„Viele Investorinnen und Investoren, vor allem Privatanlegerinnen und -anleger, werden sich nun überlegen, wo sie ihre Kryptos kaufen, verwahren und wem sie sie leihen“, sind Experten sicher. Das Interesse an regulierten Partnern wie Banken dürfte massiv steigen. „Der Regulierung spielen die Ereignisse jetzt in die Karten.“

„Bei Lendings (das sind Verleihungen von Krypto-Währungen – Anm. der Red.), die Zinsen von 10,15 oder gar 20 Prozent versprechen, sollten die Alarmglocken läuten“, sagt ein Markt-Kenner. Erst jetzt werde wohl vielen erst bewusst, worin sie investiert haben.

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Die Technologie steht außer Frage

Grundsätzlich sehen die Experten die Technologie und ihre Weiterentwicklung nicht gefährdet: „Coins ohne Mehrwert werden verschwinden, Krypto-Währungen wie Ether etc jedoch nicht.“ Begründung: Wer sich mit der Technologie beschäftige und sie verstehe, erkennt auch ihren Nutzen und ihre bahnbrechenden Möglichkeiten. Das Fazit am Markt: „Auf lange Sicht haben wir das letzte Allzeithoch noch nicht gesehen.“

Aktuell ist allerdings die Technologie wenig im Fokus. Der Bitcoin Fear & Greed Index steht bei 7 – der Wert bedeutet extreme Angst. In der Vergangenheit waren solche Stimmungs-Indikatoren meist ein Zeichen, dass der Markt einen Boden gefunden hat, wenn der Index so extrem stand. Wie etwa zu Beginn der Corona-Krise im März 2020. Ob das auch diesmal der Fall sein wird, kann niemand vorhersagen. Ein Krypto-Winter ist lang…

Disclaimer: Die Autorin ist in Krypto-Währungen investiert.