Markus Weis (State Street): "In 20 Jahren könnten autonomes Fahren und humanoide Roboter Welt-ETFs prägen"
Markus Weis (Leiter SPDR ETFs Deutschland und Österreich) zeigt, wie fulminant sich die Branchen in Welt-ETFs gewandelt haben und wandeln werden.
Der globale Aktienmarkt war einst geprägt durch Finanz- und Energieunternehmen. Heute dominieren die großen Tech-Konzerne. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Diese Veränderung zeigt den seit vielen Jahren bestehenden Fortschritt im Technologiebereich auf. Grundsätzlich ist die Menschheit schon durch unzählige dieser Entwicklungsschübe gegangen, ob das die Industrialisierung und die Eisenbahn vor zwei Jahrhunderten war oder das Automobil und die Medizin im vergangenen Jahrhundert. Nun erleben wir als einflussnehmenden Megatrend die Technologie und Digitalisierung. In 20 Jahren könnten es vielleicht autonomes Fahren oder humanoide Roboter sein.
Ich sehe zum einen, dass sich Entwicklungsdynamiken verändern und der aktuelle technologische Schub in einigen Jahren, so normal , und der Wettbewerb so groß sein kann, dass Margen und Gewinne stagnieren. Da keiner genau weiß, wann dies sein wird, ist es gut die Basis seines Vermögens oder seine Altersvorsorge auf ein möglichst breites Anlagekonzept zu setzen. Solche Strategien, aber auch Indexkonzepte, wie beispielsweise der MSCI ACWI IMI liefern eine konstante Anpassung an Marktgegebenheiten und Investitionen in entsprechenden Unternehmen. Dies ist das Besondere am indexorientierten Investieren: Anleger brauchen bei breiten Welt-Indizes keine Entscheidung zu treffen, sondern sind immer nach Marktkapitalisierung investiert.
Wie bereits erwähnt gab es in Welt-ETFs immer wieder Branchenveränderungen. Können Sie die großen Umwälzungen ab der Finanzmarktkrise nachzeichnen?
Gerne. Vor der globalen Finanzkrise waren Finanzwerte (mit 22 % des MSCI ACWI IMI Index) und Energie (11 %) die größten Sektoren am Aktienmarkt. Die Bedeutung beider ist jedoch in den letzten zehn Jahren relativ und sukzessive geschrumpft. Finanz- und Energiewerte machen nun 15 Prozent beziehungsweise weniger als fünf Prozent des Index aus. In der Zwischenzeit war der Aufstieg von Technologieunternehmen in den USA und darüber hinaus einer der wichtigsten Performancetreiber für globale Aktien und spiegelt sich im aktuellen Sektor-Mix wider.
Während Microsoft, Apple und in geringerem Maße NVIDIA bereits 2007 Champions in ihren jeweiligen Bereichen waren, ist der Anteil dieser drei Unternehmen im Index von 1,3 Prozent vor der globalen Finanzkrise auf 10,4 Prozent Ende 2023 gestiegen. Die zunehmende Konzentration ist ein weiterer bemerkenswerter Trend, wobei die heutigen Top-10-Aktien circa 18,4 Prozent der Marktkapitalisierung des Index ausmachen, verglichen mit nur 7,3 Prozent Ende 2007. Noch wichtiger ist, dass die größten Unternehmen stark auf Technologie oder technologiebezogene Sektoren ausgerichtet sind. Das hohe Gewicht spiegelt die wirtschaftliche Dynamik und den technologischen Fortschritt unserer Zeit wider und zeigt die konstante Anpassung eines Marktkapitalisierten Index an neue Gegebenheiten auf.
Liegt der Reiz an Welt-ETFs gerade auch in dieser Anpassung an solche Transformationsprozesse?
Die Attraktivität von globalen ETFs, aber auch von anderen ETFs oder Indexfonds, liegt zweifellos in ihrer Fähigkeit, sich dynamisch, aber regelbasiert, an die Veränderungen und Transformationen der globalen Wirtschaftslandschaft anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit ist besonders wertvoll in Zeiten großer Umbrüche, wie wir sie seit der globalen Finanzkrise erlebt haben, aber auch im laufenden Jahrzehnt mit der globalen Pandemie und der aktuellen Transformation durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Insofern können Anlegerinnen und Anleger nicht nur einen ETF beziehungsweise Index auswählen, sondern auch an tiefgreifenden strukturellen Veränderungen der Weltwirtschaft partizipieren oderihr Portfolio darauf ausrichten. Gerade sehr breite Indexansätze wie zum Beispiel der MSCI ACWI IMI bieten dabei eine ausreichende globale Abdeckung, um an sektoralen, regionalen oder strukturellen Trends zu partizipieren und gleichzeitig ein hohes Maß an Diversifikationspotenzial.
Gegenwärtig monieren viele Anleger das relativ hohe Gewicht weniger US-Tech-Konzerne. Nicht zuletzt wegen der „Glorreichen Sieben“, konnte der US-Anteil weiter ansteigen. Ist Europa weiterhin im Rückzug und schadet die starke US-Ausrichtung?
Die Innovationskraft der in den USA ansässigen Unternehmen hat es ihnen ermöglicht, den globalen Aktienmarkt weiter zu dominieren und ihren Anteil im Index von 43 Prozentvor der globalen Finanzkrise auf heute 62 Prozent zu erhöhen. Unterdessen haben Europa, Großbritannien und Japan an Boden verloren, was auf ein schleppendes Wachstum und eine geringere Innnovationskraft in diesen Volkswirtschaften zurückzuführen ist.
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Der globale Aktienmarkt ist stark auf die USA ausgerichtet. Betrachtet man jedoch die regionale Umsatzverteilung der Unternehmen innerhalb des MSCI ACWI IMI Index, so ist die Konzentration weniger ausgeprägt: 44 Prozent des Umsatzes werden in den USA und jeweils 17 Prozent in Asien und in Europa erzielt. Unter diesem Gesichtspunkt sind globale Aktien also nach wie vor relativ gut diversifiziert und in der Lage, von einer potenziellen Ausweitung der Marktperformance zu profitieren.
Auch Welt-ETFs litten immer wieder unter globalen Krisen, wie der Finanzmarktkrise. Wie fällt die langfristige Bilanz im Vergleich zu anderen Anlageklassen aus?
Der Aktienmarkt, der einst von Finanz- und Energieunternehmen dominiert wurde, wich Technologieaktien, so dass Anleger von Wachstum und Innovation in diesem Segment profitieren konnten. Die Richtung dieser Entwicklung war ungewiss , und der Weg in die Zukunft ist sicherlich nicht in Stein gemeißelt. Daher suchen langfristig orientierte Anleger nach einem diversifizierten, umfassenden Aktienengagement, das es ihnen ermöglicht, von den Vorteilen zukünftiger Veränderungen in der Weltwirtschaft zu profitieren.
Seit Ende 2007 waren die Aktienmärkte mit mehreren Schocks konfrontiert, darunter die globale Finanzkrise, COVID-19 und ein Inflationsschub, gefolgt von einer aggressiven geldpolitischen Straffung. Langfristig schnitt der MSCI ACWI IMI Index jedoch sowohl gegenüber Anleihen als auch Rohstoffe bei weitem besser ab, und erzielte von Anfang 2003 bis Ende 2023 eine jährliche Wertentwicklung von 8,9 Prozent. Globale Aktien konnten also nicht nur in einem günstigem Umfeld florieren, sondern sich auch recht schnell von Markttiefs erholen. In den letzten anderthalb Jahren boten Aktien insofern einen relativ besseren Schutz als Anleihen, da die „Inflationsstarrheit“ – und nicht eine Wachstumsverlangsamung – zur Hauptbedrohung wurde.
Sie haben vor wenigen Wochen eine ausschüttende Variante zu Ihrem MSCI-ACWI-IMI-ETF herausgebracht. Inwiefern macht der Zusatz „IMI“ den ETF noch marktbreiter als Produkte, die dieses Kürzel nicht enthalten?
Wir haben durch den Gesamtmarkt-Ansatz (IMI) im Index und auch im ETF einen 15 Prozent Anteil an kleinen Unternehmen, sogenannten „Small Caps“. Das macht den Index und ETF nicht nur breiter in der Diversifikation, sondern vor allem auch robuster für Phasen in denen Aktien kleinerer Unternehmen besser laufen. In der langfristigen historischen Betrachtung war es immer ratsam auch die kleineren Unternehmen mit im Portfolio zu haben, da diese langfristig besser abschneiden als die großen. Dies kann zusätzliches Performance-Potential bieten und wie schon Jack Bogle zu sagen pflegte, es ist sicherer den gesamten Markt zu kaufen, anstatt die Nadel im Heuhaufen zu suchen, und nur in Teile des Aktienmarktes zuinvestieren.
Ist der globale Aktienmarkt derzeit teuer?
Da sich die Aktienmärkte seit Ende Oktober 2023 erholt haben, sind auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse gestiegen, aktuell auf 17,6, was über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Dieses Niveau ist zwar erhöht, aber nicht unbedingt extrem – und kann gerechtfertigt sein, solange sich das Szenario einer sanften Landung weiter entfaltet, und die Weltwirtschaft ihren Expansionspfad nicht verlässt.
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Bisher haben Aktien in diesem Jahr solide Gewinne erzielt: Der S&P 500 Index übertraf im ersten Quartal die Erwartungen an den Gewinn pro Aktie (EPS) um acht Prozent, der Stoxx 600 Index um 8,7 Prozent und der Nikkei 225 um ein weniger aufregendes Ergebnis, aber immer noch positive zwei Prozent. Daneben waren die starken Ergebnisse der „Glorreichen 7“ Ursprung für das weiterhin optimistische Szenario. Aber auch mittelfristig sind die Perspektiven gut. So gehen Analysten für die Zukunft von einem Gewinn-Wachstum von zehn bis 13 Prozent in den nächsten drei Jahren aus. Diese Werte können durch eine Kombination aus globaler Erholung, geldpolitischer Lockerung in der zweiten Jahreshälfte und langfristigen Trends – insbesondere KI – durchaus erreicht und gegebenenfalls übertroffen werden.
Wie sehen Sie aktuell die Vorzeichen für die Weltwirtschaft und damit auch für Welt-ETFs?
Gegenwärtig sind die Vorzeichen für die Weltwirtschaft gemischt, obwohl es einige positive Indikatoren gibt, die auf eine Fortsetzung der stabilen Erholung und des Wachstums hindeuten. Wie bereits erwähnt, haben die globalen Aktienmärkte nach einer Erholungsphase seit Ende Oktober 2023 weltweit zugelegt. Ein anhaltendes Wirtschaftswachstum, eine stabile Weltwirtschaft und positive Entwicklungen in Schlüsselbereichen wie der künstlichen Intelligenz (KI) können zu einer weiterhin positiven Entwicklung beitragen.
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Allerdings bleibt die geopolitische Lage ein weiterer wichtiger Faktor, der berücksichtigt werden muss und die Weltwirtschaft beeinflusst. Geopolitische Spannungen und Unsicherheiten können zu erhöhter Volatilität führen, was wiederum die Nachfrage nach diversifizierten Anlageinstrumenten wie global diversifizierten ETFs erhöhen könnte. Diese bieten eine breite Streuung über verschiedene Regionen und Sektoren und können so Risiken besser abfedern. Gerade für strategische und langfristige Anlagen, zum Beispiel zur Altersvorsorge oder zum langfristigen Sparen, bietet der aktuelle Zeitpunkt daher weiterhin gute Chancen.