Markus Weis (State Street): "Im Moment sieht alles rosig aus"
Markus Weis (Head of SPDR ETFs Germany & Austria) erklärt im exklusiven extraETF-Interview, warum es ein Rendit-Premium beim SPDR MSCI ACWI IMI gibt, was ein gutes Fondsmanagement ausmacht und wo die Liebe für Europas Wirtschaft bleibt.
Markus Weis (Head of SPDR ETFs Germany & Austria) erklärt das Rendite-Premium beim SPDR MSCI ACWI IMI und wo die Liebe für Europas Wirtschaft bleibt.
State Street Global Advisors will keine ETFs anbieten, die Indizes synthetisch abbilden und so den Nutzen für Anlegerinnen und Anleger erhöhen. Im SPDR MSCI ACWI IMI (WKN: A1JJTD) greifen Sie auf eine physisch optimierte Abbildungsmethode zurück, die 9.000 Werte des Mutter-Index mit etwa 1.900 Titel abdeckt. Wie viel Ersparnis bedeutet das unter dem Strich für den Fondsanbieter und somit auch für Anlegerinnen und Anleger?
Hierbei handelt es sich um eine gängige, für Anleger mehrwertstiftende, Maßnahme. Mittels der Sampling-Methode sind wir trotz einer geringeren Anzahl an Titeln im Produkt komplett physisch im Markt investiert und bilden die Indexperformance nahezu eins zu eins ab. Das macht vor allem dann Sinn, wenn es sich wie beim MSCI ACWI IMI um Indizes mit sehr vielen Mitgliedern handelt, die zum Großteil aus kleineren Aktien bestehen, da diese sogenannten „Small Caps“ deutlich teuer im Handel sind. Da wir nur einen Bruchteil der Aktien erwerben sparen wir für Anleger erhebliche Handelskosten und bilden dennoch die exakte Wertentwicklung des Index ab. Die höhere Liquidität der im ETF befindlichen Aktien wirkt sich zusätzlich positiv auf den Handels-Spread des ETFs aus. Die Ersparnis lässt sich nicht auf einen konkreten Betrag beziffern …
…allerdings werden Anlegerinnen und Anleger aktuell mit einer Tracking-Differenz von +0,33 Prozent verwöhnt. So gesehen gibt es also ein Rendite-Premium…
…genau. Die Tracking-Differenz ist hierfür die entscheidende Kenngröße. Denn die Tracking-Differenz entsteht durch das Sampling, Steuervorteile des in Irland aufgelegten ETFs und durch die Handelskosten. Auf diese Weise ergibt sich ein Performance-Unterschied zum Index. An der Tracking-Differenz, also am Performance-Unterschied des ETF im Vergleich zum Index, lässt sich somit auch die Qualität des Managements ablesen. Etwa 0,1 Prozent sind ein sehr guter Wert. Ist die Tracking-Differenz positiv hat auch das Portfolio-Management einen hervorragenden Job gemacht und einen Zusatzertrag für Anlegende herausgeholt. Auf Sicht der vergangenen drei Jahre waren es für den SPDR MSCI ACWI IMI 0,33 Prozent. Was bei einer Anlagesumme von 50.000 Euro etwa 170 Euro entspricht.
Nachteilig bei diesen vordergründig marktbreiten Indizes ist allerdings die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Im MSCI ACWI IMI stammen 62 Prozent der enthalten Werte aus Nordamerika, beim MSCI World sind es knapp 71 Prozent. Warum gibt es keine gleichgewichteten Produkte auf diese Indizes, um tatsächlich breit gestreut investieren zu können?
Seit mehr als 50 Jahren kennen wir mittlerweile den Ansatz des passiven Investierens. Der ETF hat gerade seinen 30ten Geburtstag gefeiert. In dieser Zeit hat sich der marktkapitalisierte Ansatz schlicht und ergreifend durchgesetzt. Egal, ob beim Risiko-Rendite-Verhältnis, bei der Wertentwicklung oder in Sachen Fairness.
Was meinen Sie genau mit dem Fairness-Aspekt?
Die größten Unternehmen erhalten das höchste Gewicht. Das ist einfach sinnvoll, da sich diese Titel potenziell positiv weiterentwickeln werden. Die kleineren Werte können wachsen und bekommen folglich einen größeren Anteil. Ein marktkapitalisierter Index folgt gleichzeitig auch dem Gedanken des passiven Investierens. Investorinnen und Investoren erwarten, dass sie mit ihren Produkten die Marktrendite erzielen. Mit Blick auf den MSCI ACWI IMI sowie den MSCI World dominieren faktisch die USA. Alles andere entspräche einer Abweichung von der Marktrendite. Und wer diesen hohen US-Anteil in der Vergangenheit gescheut hat, hat nachweislich eine schlechtere Wertentwicklung erzielt.
Wer allerdings Ende der 80er Jahre auf den MSCI World gesetzt hatte, hatte zu etwa 40 Prozent Aktien aus Japan im Portfolio und musste starke Verluste nach dem Platzen der Spekulationsblase hinnehmen…
Wir müssen für diese Betrachtung zwei Dinge unterscheiden: Wer passiv investiert, möchte die Marktrendite vereinnahmen. Diese setzte sich damals aus einem hohen Japan-Anteil und derzeit aus einem hohen US-Anteil zusammen. Sobald die Gewichtung verschoben wird, beispielsweise zu Gunsten eines gleichgewichteten Ansatzes, treffen wir eine aktive Investment-Entscheidung, die dann nichts mehr mit passivem Investieren zu tun hat. Zudem: Natürlich kam es nach dem Platzen der japanischen Spekulationsblase zu hohen Verlusten. Allerdings hatten Anlegerinnen und Anleger zuvor auch stark von der Aufwärtsbewegung des Marktes profitiert.
Fazit: Wer mit dem derzeit hohen US-Anteil im Fahrstuhl nach oben fährt, fährt mit ihm auch wieder in den Keller?
So ist es. Um es zu verhindern, bedarf es des perfekten Timings. Abgesehen davon, dass es sich bei der Timing-Frage erneut um eine aktive Entscheidung handelt, ist es auf lange Sicht noch niemandem gelungen, die perfekten Ein- und Ausstiegszeitpunkte zu erwischen. So gesehen kann man natürlich die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, jetzt den US-Anteil zu reduzieren. Vielleicht haben Anlegende damit sogar kurzfristig Erfolg; vielleicht aber auch nicht. Die langfristige Betrachtung zeigt, dass eher zweiteres der Fall ist und sich selbst Profis schwertun, das richtige Timing zu erwischen.
Zum Jahreswechsel sagten Sie, die USA sind perspektivisch der interessantere Markt. Auch wenn bisher nur etwa zwei Monate ins Land gegangen sind: Bleiben Sie dabei?
Aktuell zeigen sich die USA sehr robust. Die Arbeitslosenquote ist historisch niedrig, weitere Arbeitsplätze werden geschaffen und das, obwohl die Notenbank die Zinsen massiv angehoben hat. Daher sind die USA, insbesondere als größte Volkswirtschaft, nicht wegzudenken im Portfolio. Dennoch können wir in den Mittelzuflüssen der ETFs sehen, dass Schwellenländer wieder interessant sind. Sie bieten momentan großes Aufholpotenzial. Vor allem China, das mit der Lockerung seiner Corona-Restriktionen eine hohe Dynamik aufweist. Während Europa, die USA und Japan Wachstumsraten von etwa ein Prozent für 2023 verzeichnen, sind es für Schwellenländer – allen voran China und Indien – fünf bis sechs Prozent.
Europa scheint häufig vergessen zu werden. Dabei haben sich der Euro Stoxx 50 und Stoxx Europe 600 gegenüber dem S&P 500 deutlich besser entwickelt. In Deutschland steigen derzeit Geschäftsklimaindex und Gechäftserwartungen. Gleichzeitig warten die Unternehmen mit einer Rekord-Dividenden-Saison auf. Wo bleibt die Liebe für Team Europa?
Auch hier müssen wir uns das Bild differenzierter betrachten. Europa und insbesondere Deutschland profitieren vom milden Winter. Bei kälteren Temperaturen wäre durch die Privathaushalte mehr Energie verbraucht worden, die dann im Industrie-Sektor gefehlt hätte. Produktionsausfälle wären womöglich die Folge gewesen. So ist es glücklicherweise nicht gekommen und hieraus bezieht der europäische Markt seine Dynamik. Aber es geht ja beim Investieren nicht darum, Europa den USA vorzuziehen, sondern darum, die Märkte in voller Breite abzubilden. Daher gehören auch beide Regionen in ein ausgewogenes Portfolio.
Dennoch sind US-Aktien vergleichsweise teuer, während Europa noch Aufholpotenzial bietet.
Der S&P 500 liegt beim Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) bei 3,8 und mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 18,6 und damit auf seinem historischen Durchschnitt. Europa hingegen liegt gemessen am MSCI Europe bei einem KBV von 1,9 und einem KGV von 12,7. Da ist Europa bewertungsseitig schon deutlich attraktiver. Doch allein auf die Bewertungsniveaus zu schauen, greift zu kurz. Das haben beispielsweise Value-Investoren in der jüngeren Vergangenheit zu spüren bekommen.
Die EU-Komission rechnet in ihrer jüngsten Betrachtung damit, dass Deutschland mit einem Wachstum von 0,2 Prozent in 2023 einer Rezession entgeht. Auch die Eurozone werde mit 0,9 Prozent ein höheres Wachstum verzeichnen können. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Sehr ähnlich. Deutschland wir eine echte Rezession – also drei Quartal Schrumpfung – vermeiden können und ein sehr kleines Wachstum aufweisen. Das Wachstum der Eurozone prognostizieren wir mit 0,3 Prozent. Im Moment sieht alles rosig aus. Die Inflation ist unter Kontrolle, die Unternehmensgewinne warten teils mit Überraschungen auf und deshalb haben wir auch die Erholung am Aktienmarkt im Januar erlebt. Dennoch ist ein gewisses Maß an Vorsicht angebracht. Momentan preist beispielsweise der US-amerikanische Markt nur noch einen weiteren Zinsschritt ein. Doch bis zum Zielwert von zwei Prozent Inflation – aktuell liegen die USA bei 6,2 Prozent im Januar – ist noch ein weiter Weg.