Lukas Ahnert (DWS): Über Granolas-Aktien als Alternative zu den Glorreichen Sieben
Die Glorreichen Sieben kennst du sicher. Sind die Granolas-Aktien die europäische Antwort? Lukas Ahnert, Xtrackers Senior Product Specialist – Index Strategy & Analytics, gibt Antworten.
Die großen US-amerikanischen Unternehmen sind den meisten Anlegern anders als die Granolas-Aktien ein Begriff. Wie prägend sind die „Glorreichen Sieben“ in Bezug auf das Gewicht und auf die Renditen des US-amerikanischen Aktienmarkts in der jüngeren Vergangenheit?
Die großen US-Tech-Konzerne, die als „Magnificent Seven“ oder die „Glorreichen Sieben“ bezeichnet werden, haben 2024 bisher rund 54 Prozent zur Wertentwicklung des S&P 500 beigetragen. Das bedeutet, die übrigen 493 Aktien hatten eine geringere Auswirkung auf die Index-Performance. Aktuell (30.07.2024) beträgt das Gewicht der Aktien von Nvidia, Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta und Tesla mehr als 30 Prozent im S&P 500. In der Geschichte des US-Aktienmarkts gab es immer wieder Phasen mit dominanten Branchen, wie den Öl-Majors oder den Banken. Aber diese Größenordnung ist auch auf langfristige Sicht ungewöhnlich.
Ist die mittlerweile erreichte Konzentration dieser Tech-Giganten eine Gefahr für Anleger?
Anleger sollten sich bewusst sein, dass die Medaille zwei Seiten hat. Das Gewicht der genannten Aktien ist so hoch, weil sie in den vergangenen Jahren eine sehr hohe Wertentwicklung aufgewiesen haben. Wer bereits in einen Index-Tracker investiert war, hat also von der Konzentration der Tech-Konzerne ohne Zweifel profitiert. US-Aktienindizes wie der S&P 500 oder der Nasdaq 100 haben im Juli etwas verloren, sind aber immer noch deutlich im Plus. Die Unternehmen, die hinter den „Glorreichen Sieben“ stehen, waren – mit Ausnahme von Tesla – bisher hoch profitabel. Anleger müssen sich entscheiden, ob sie auf eine Fortsetzung des Trends setzen und das Risiko eines möglichen stärkeren Kursverlusts akzeptieren, oder umschichten.
Blicken wir Richtung Europa. Haben wir hier auch eine solche „glorreiche“ Aktiengruppe? Und wenn, ja: Wie setzt sich diese zusammen?
In Europa hat sich das Akronym „Granolas“ etabliert, damit sind folgende elf Aktien gemeint: Die Healthcare-Unternehmen AstraZeneca, GSK, Novo Nordisk, Novartis, Roche und Sanofi, die Tech-Konzerne ASML und SAP, der Nahrungsmittelmulti Nestlé und die Luxus-Marken L’Oréal und LVMH. An der Aufzählung ist schon abzulesen, dass die großen europäischen Titel viel stärker über Branchen gestreut sind als die US-Tech-Unternehmen.
Sind die „Granolas“-Aktien auch ähnlich Rendite-prägend und Index-bestimmend wie die „Glorreichen Sieben“ in den USA?
Die „Granolas“-Aktien haben durchaus einen wichtigen Einfluss, sie haben 2024 rund 28 Prozent zur Wertentwicklung des MSCI Europe beigetragen. Aber damit sind sie längst nicht so dominant wie die US-Tech-Konzerne für die US-Aktienindizes. Auch das Indexgewicht ist geringer. Die „Granolas“-Aktien kommen aktuell auf rund 20 Prozent im MSCI Europe.
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Sind die „Granolas“ die europäische Antwort auf die „Glorreichen Sieben“?
Die Wertentwicklung der einzelnen „Granolas“-Aktien war in den vergangenen Jahren deutlich geringer als bei den US-Tech-Aktien. Daher wäre ein solcher Vergleich nicht sinnvoll. Auch thematisch sind die Titel sehr unterschiedlich einzuordnen – die „Glorreichen Sieben“ sind wesentlich stärker mit dem Megatrend KI verbunden als ihre europäischen Pendants.
Können Anleger auf eine europäische Wachstums-Story wie in den USA hoffen?
Die „Granolas“-Aktien haben einen Schwerpunkt im Gesundheitsmarkt, bei Luxus-Artikeln, bei IT und Nahrungsmitteln. Das sind alles langfristige Wachstumsbranchen. Das zeigen auch die Zahlen dieser Unternehmen. Diese Themen standen und stehen immer wieder im Fokus der Investoren. Langfristig bieten sie Potenzial. Doch dass diese Trends kurzfristig in einem Ausmaß wie KI vom Markt eingepreist werden, ist eher unwahrscheinlich.
Lassen Sie uns die „Glorreichen Sieben“ und die „Granolas“-Aktien“ vergleichen. Wie sind dann hier die Kräfteverhältnisse bezogen auf die Marktkapitalisierung?
Der Vergleich fällt sehr deutlich pro US-Aktienmarkt aus. Die teuerste europäische Aktie Novo Nordisk hat einen Börsenwert von rund 500 Milliarden Euro und ist damit deutlich geringer bewertet als Tesla, die „kleinste“ Aktie der „Glorreichen Sieben“. Apple ist mit aktuell mehr als drei Billionen Euro um ein Vielfaches höher bewertet. Ein anderer Vergleich zeigt eindrucksvoll, wie weit die US-Aktien in der Bewertung den europäischen Titeln davongelaufen sind: Apple, Microsoft und Nvidia zum Beispiel sind jeweils alleine mit einem höheren Börsenwert ausgestattet als jeder europäische Aktienmarkt mit allen Aktien zusammen. Anders ausgedrückt: Der gesamte britische, schweizerische oder französische Aktienmarkt hat jeweils eine geringere Bewertung als jede der genannten Aktien.
Und wie sieht es in Sachen Bewertung aus?
Beide Gruppen, sowohl die „Granolas“ als auch die „Glorreichen Sieben“, sind höher bewertet als die jeweiligen regionalen Indizes wie der MSCI USA oder MSCI Europe – das sollte keine Überraschung sein. Auf den ersten Blick erscheinen die „Granolas“ mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 22 günstiger als die „Glorreichen Sieben“ mit einem KGV von 38. Allerdings muss man berücksichtigen, dass europäische Aktien im Vergleich zu US-Aktien zu deutlichen Abschlägen gehandelt werden.
Die Frage, inwieweit diese regionale Einordnung noch relevant ist, wird zunehmend diskutiert. Schließlich handelt es sich bei beiden Gruppen um globale Akteure, die entsprechend bewertet werden sollten. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Bewertung ist die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen. Ähnlich wie bei Wachstumsaktien kann es sinnvoll sein, das KGV auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten zwölf Monate zu berücksichtigen anstelle der aktuellen Gewinne. Das erlaubt eine präzisere Einordnung im Vergleich zum Index. Dies ist relevant, da die Wachstumsraten der Unternehmen sich stark von üblichen Indizes unterscheiden. Mit einem Jahr Vorausblick sind die „Glorreichen Sieben“ beispielweise nur 40 Prozent statt 50 Prozent teurer als der US-Markt. Durch dieses starke Gewinnwachstum haben in der Vergangenheit viele Investoren über die hohen Bewertungen hinweggesehen.
Wie stark korrelieren die beiden Aktiengruppen miteinander?
Aufgrund der stark unterschiedlichen Branchengewichtungen korrelieren die „Granolas“- und die „Glorreichen Sieben“-Aktien nur wenig miteinander. In den vergangenen Jahren haben sich die „Granolas“ sogar als eine der besseren Absicherungen erwiesen, wenn es Sorgen um den US-Tech-Bereich gab. Dies liegt auch an dem Qualitäts-Fokus dieser Titel, der sich durch ausgereifte Geschäftsmodelle, hohe Margenstabilität und geringe Zinssensitivität auszeichnet.
Wenn nun Anleger auf die „Granolas“-Aktien setzen möchten, welche ETFs beziehungsweise Indizes sind dann besonders interessant?
Die „Granolas“ erstrecken sich über verschiedene Sektoren, was es schwieriger macht, sie mit typischen sektoralen Allokationen abzudecken. Gleichzeitig sind sie nicht eindeutig thematisch genug, um sie in ein solches Konzept zu integrieren. Aus dieser Perspektive kann ein breiter Europa-Index wie der Stoxx Europe 600 oder der MSCI Europe ein guter Ausgangspunkt sein. Diese Indizes können zusätzlich dazu beitragen, das Gewicht von Europa im Gesamtportfolio zu steuern, insbesondere angesichts eines weiter steigenden US-Gewichts.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der „Granolas“ ist, dass sie als weniger „idiosynkratische“ Erfolgsgeschichte einzuordnen sind. Ihr Erfolg basiert auch auf Eigenschaften wie globaler Präsenz und Reichweite und solider Qualität – Eigenschaften, die Investoren auch in anderen europäischen ETFs finden können.