18. Juni 2022

Wir lieben Steuern: „Das ist etwas, wo viele Leute sehr viel Geld liegen lassen“

Das Thema Steuern ist komplex und – geben wir es zu – oftmals auch ziemlich öde. Helen Dieckhöfer und Sarah Klinkhammer beweisen mit ihrer Plattform „Wir lieben Steuern“ jedoch das Gegenteil. Im Interview erläutern die beiden Steuer-Profis, was 2022 steuerlich wichtig wird und wie Anleger mit ein paar smarten Tricks sehr viel Geld sparen können.

Helen, Sarah – ihr habt in letzter Zeit sehr viele Videos auf Instagram und Youtube zum Thema Grundsteuerreform gemacht. Diese Reform wird in diesem Jahr sehr viele Menschen betreffen. Was hat es damit konkret auf sich?

Helen: Die Finanzbehörden fordern von Eigentümern von Grundstücken 2022, Informationen zu ihrem Grund- besitz abzugeben. Die Daten dienen dazu, sämtlichen Grundbesitz in Deutschland neu zu bewerten. Ab 2025 erheben die Behörden dann die Grundsteuer aufgrund der neu ermittelten Bemessungsgrundlage. Die Höhe der Grundsteuer wird also künftig anhand des Wertes berechnet, der in diesem Jahr neu festgestellt und dann an die Finanzämter übermittelt werden muss.

Muss jeder Grundstückseigentümer diese Erklärung in diesem Jahr abgeben, unabhängig davon, wie das Grundstück genutzt wird?

Sarah: Die Erklärung muss für jede Wohnung, für jedes Haus und auch für jedes unbebaute Grundstück abgegeben werden – und zwar unabhängig da- von, ob man selbst in dem Haus oder der Wohnung wohnt oder nicht. Leider ist es allerdings nicht bundesweit einheitlich, welche Daten bei der Bewertungserklärung angegeben werden müssen.

Was passiert denn, wenn ich als Grundstückseigentümer die neue Bewertungserklärung nicht abgeben würde? Drohen mir dann Strafen?

Sarah: Das ist eine Frage, die uns oft gestellt wird. Diese Möglichkeit scheinen auf jeden Fall ein paar Leute in Erwägung zu ziehen. Aber es ist leider so, dass das Ganze ziemlich teuer werden kann. Zunächst wird es wahrscheinlich nur einen netten Erinnerungsbrief vom Finanzamt geben. Und wenn der nicht ernst genommen wird, dann wird es wahrscheinlich sehr schnell zu Schätzungen kommen.

Schätzungen sind meistens nachteilig für den Steuerpflichtigen. Und es kann irgendwann auch zu Zwangsgeldern kommen. Außerdem gibt es auch noch Verspätungszuschläge, die bei einer zu späten Abgabe fest- gesetzt werden. Also das Finanzamt hat da schon Mittel und Wege, um da- für zu sorgen, dass die Erklärung abgegeben wird.

Brauche ich eigentlich einen Gutachter, der das Grundstück professionell bewertet?

Helen: Man braucht nicht zwingend einen Profi an der Seite. Aber wenn man sich selbst nicht sicher ist, dann gibt es für genau diesen Zweck Leute wie uns. Dann fragt man halt seinen Steuerberater nach Unterstützung bei der Bewertungserklärung. Das heißt auch nicht, dass man sich dann dauerhaft einen Steuerberater ans Bein binden muss, der dann auch noch die Einkommensteuererklärung macht. Der kann auch nur bei dieser einen Sache helfen und fertig.

Bis wann muss man die Bewertungserklärung denn abgegeben haben?

Helen: Die Abgabefrist läuft nach derzeitigem Stand bis zum 31. Oktober 2022. Die elektronisch abzugebenden Feststellungserklärungen können voraussichtlich ab 1. Juli 2022 online eingereicht werden.

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Lasst uns mal zu Steuerthemen im Bereich der Geldanlage übergehen. Da wird es ja in puncto Sparerpauschbetrag eventuell einige Änderungen geben …

Sarah: Ja, die neue Bundesregierung hat sich zumindest darauf verständigt, den Sparerpauschbetrag ab 2023 auf 1.000 Euro pro Person anheben zu wollen. Das ist zwar nicht die Welt, aber man muss es ja auch so sehen: Um 801 Euro Kapitalerträge zu erhalten – das ist ja der gegenwärtige Stand des Sparerfreibetrags – muss man ja schon ein bisschen was im Depot haben. Das ist für Börsenanfänger ja schon mal ganz gut für den Start.

Apropos Einsteiger – was passiert denn eigentlich, wenn ich vergesse, den Freistellungsauftrag einzureichen? Hab ich dann Pech?

Sarah: Dann führt die Bank zunächst einmal die Steuer ab, aber man kann sie sich natürlich über die Steuererklärung zurückholen.

Man kann seinen Freistellungsauftrag ja auch über mehrere Institute verteilen, also den Freibetrag splitten. Aber was passiert eigentlich, wenn ich bei jeder Bank die volle Höhe einreiche?

Helen: Das Einreichen an sich hat erst mal noch keine Konsequenzen. Das Problem entsteht erst, wenn die Kapitalerträge fließen, der Freistellungsauftrag von den Banken berücksichtigt wird und man dann über den Freibetrag kommt. Das Finanzamt bekommt mit ziemlicher Sicherheit davon Wind. Denn die Banken sind verpflichtet, diese Daten ans Finanzamt zu melden. Und wenn die Finanzbeamten das mitbekommen, finden die das nicht unbedingt so witzig, weil das im Prinzip nichts anderes ist als Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung.

Sind die Strafen für so etwas sehr drakonisch?

Sarah: Wie hoch die Strafen aus- fallen können, hängt davon ab, wie kooperativ man ist und wie viel Steuern man hinterzogen hat. Aber ja, die Strafen für Steuerhinterziehung sind nicht grade milde und reichen von Geldstrafen bis hin zu Freiheits- strafen. Deswegen würde ich einfach immer tunlichst darauf achten, Freistellungsaufträge niemals über 801 Euro über alle Banken zu verteilen. Wenn ich mir nicht mehr sicher bin, für wie viel Euro ich den Freistellungsauftrag bei den Banken eingereicht habe, kann ich einfach im Onlinebanking nachschauen oder bei der Bank nachfragen. Und wenn ich gemerkt habe, hier ist mir ein Fehler unterlaufen, dann am besten einfach proaktiv auf das Finanzamt zugehen. Das hilft in der Regel …

In unserer Community ploppt immer wieder die Frage nach den Verlustvorträgen auf. Gewinne aus Aktien und ETFs werden ja auf den Sparerpauschbetrag angerechnet. Aber wie verhält es sich mit Verlusten, zum Beispiel aus Zertifikaten?

Sarah: In dem „Kapitaleinkünftetopf“ zur Verlustverrechnung gibt es noch mal mehrere einzelne Töpfe. Nämlich einen für Verluste aus Aktienveräußerungen. Und dann aber auch eben einen Verlusttopf für andere Investments wie Zertifikate. Und die jeweiligen Verluste dürfen dann auch nicht mit den anderen Kapitalerträgen verrechnet werden, sondern nur mit gleichartigen Gewinnen. Aber letztes Jahr im Sommer hat der Bundesfinanz- hof geurteilt, dass die Verlustverrechnung von Aktienveräußerungen verfassungswidrig sei. Weil es nämlich keinen sachlichen Grund dafür gebe, dass man die nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnen darf. Das wurde dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt zur Prüfung. Es ist übrigens nicht so unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bundesfinanzhof in der Auffassung folgt. Und wenn es das tut, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich insgesamt bei der Verlustverrechnung, also auch bei der für Zertifikate, nochmals Änderungen ergeben.

Eine weitere Frage, die oft gestellt wird, betrifft die Quellensteuern. Könnt ihr da Licht ins Dunkel bringen?

Helen: Quellensteuern fallen in der Regel an, wenn Erträge wie Dividenden gezahlt werden von Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Land haben, also zum Beispiel in den USA…

… welchen Sinn hat das?

Helen: Sehr gute Frage, man könnte ja auch sagen, „die Amerikaner wissen doch, dass ich Deutscher bin und in Deutschland lebe. Warum behalten die überhaupt Steuern ein? Die stehen denen ja gar nicht zu.“ Aber jetzt kann ja nicht jede Bank bei jedem Investor bei jeder Aktientransaktion schauen, in welchem Land der lebt. Und damit verhindert wird, dass dann gar nichts besteuert wird, besteuern in dem Fall beide Länder. Also die USA besteuern mit Quellensteuer, und hier wird ja noch mal Kapitalertragssteuer gezahlt. Aber damit eben keine Doppelbesteuerung zustande kommt, gibt es zumindest zwischen den großen Industriestaaten sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen. Zum Beispiel auch zwischen Deutschland und Amerika. Und die regeln halt immer, welches Land in welchem Teil das Besteuerungsrecht hat. Bei Immobilien ist es zum Beispiel meistens so, dass das Land das Besteuerungsrecht hat, in dem die Immobilie liegt. Und bei Kapitalerträgen ist es so, dass beide Länder das Besteuerungsrecht haben. Aber dafür dann das eine Land die Steuer vom anderen Land anrechnen muss. Damit der Steuerpflichtige eben nicht doppelt Steuern zahlen muss.

Und wie wird das gehandhabt?

Helen: In dem einen Land wird die Quellensteuer einbehalten und in Deutschland wird diese auf die deutsche Steuer angerechnet. Bedingung dafür ist, dass die Quellensteuer vom Wesen her der deutschen Kapitalertragsteuer bzw. der Abgeltungsteuer gleicht. Die zweite Voraussetzung ist, dass maximal 25 Prozent angerechnet werden können.

Warum?

Helen: Ganz einfach, weil der deutsche Steuersatz 25 Prozent beträgt. Ich kann ja nicht mehr anrechnen, als ich hier an Steuern zahle. Trotzdem ist es aber in den meisten Fällen so, dass nur 15 Prozent Steuern angerechnet werden. Das bedeutet, ich zahle zum Beispiel 30 Prozent in den USA und davon werden nur 15 Prozent in Deutschland angerechnet. Damit unterliege ich de facto einer Doppelbesteuerung. Und deswegen gibt es dann die sogenannte „nicht anrechenbare ausländische Quellensteuer“, die man dann auch auf der Steuerbescheinigung findet. Die kann man sich vom ausländischen Staat erstatten lassen, theoretisch zumindest, denn praktisch ist das leider manchmal kompliziert. Denn dann muss man beim ausländischen Staat einen Antrag auf Erstattung der nicht anrechenbaren ausländischen Quellensteuer stellen.

Ist das sehr kompliziert?

Sarah: Das Problem ist meistens, dass diese Anträge in der jeweiligen Landessprache gehalten sind. Im Englischen ist für viele vielleicht weniger das Problem, aber bei anderen Sprachen sieht das schon anders aus. Außerdem lassen sich viele Staaten häufig sehr viel Zeit mit der Bearbeitung. Es gibt durchaus Fälle, wo die Antragsteller mehrere Jahre auf die Erstattungen der Steuer gewartet haben. Und deswegen lohnt sich das für kleinere Beträge oft nicht, diesen Antrag überhaupt zu stellen.

Hättet ihr noch einen ganz simplen Steuerspartrick für uns?

Sarah: Eine total simple, aber lohnenswerte Sache ist ein Junior-Depot, also ein Depot für die Kinder. Das ist et- was, wo viele Leute sehr viel Geld liegen lassen. Und da kann man ja dann ins- gesamt grob aufgerundet 11.000 Euro steuerfrei Kapitalerträge für die Kinder einsacken. Und was viele nicht wissen: Man kann – damit da jetzt nicht immer die Steuer vorab einbehalten wird – eine sogenannte Nichtveranlagungsbescheinigung beim Finanzamt beantragen.

Die befreit einen dann für drei Jahre von der Kapitalertragsteuer. Die reicht man bei der Bank ein und nach drei Jahren stelle ich den Antrag dann einfach noch mal. Wichtig ist aber, dass man diese Bescheinigung wieder ans Finanzamt zurückgeben muss, wenn sich die Einkommenssituation des Kindes so ändert, dass man die Freibeträge sprengt.

Kann bei größeren Vermögen ein frühzeitiger Vermögensübertrag auf das Kind sinnvoll sein?

Helen: Es macht auf jeden Fall wenig Sinn, einen Betrag, der über 400.000 Euro liegt, auf einen Schlag zum 18. Geburtstag zu übertragen. Denn der Freibetrag für Schenkungen liegt bei 400.000 Euro. Das Besondere ist: Dieser Freibetrag füllt sich alle zehn Jahre wieder auf.

Sarah: Und deswegen kann es sehr sinnvoll und ratsam sein, Gelder, die man ohnehin an die Kinder übertragen und schenken möchte, über die ersten 18 Lebensjahre zu verteilen. Und wenn man das in Form von Wertpapieren machen will, kann man eben auch gleich ein eigenes Depot für die Kinder nutzen und so die einkommensteuerlichen Freibeträge mitnehmen.

Fazit

Mit „Wir lieben Steuern“ leisten Sarah und Helen einen wichtigen Beitrag zum Aufbau von Finanz- und Steuerwissen in Deutschland. Mit ihren Videos und Posts erreichen sie mehrere zehntausend Menschen, die auf der Suche nach seriösen und gleichzeitig verständlichen Informationen rund um den Themenkomplex Steuern sind.