„Die Ruhe vor dem Sturm“ – Droht ein erneuter Black Monday?
1987 stürzte der Black Monday die Finanzwelt in eine tiefe Krise – vorausgegangen waren hohe Inflation, Zinserhöhungen der FED und ein schwacher Dollar. Steht uns ein ähnliches Szenario erneut bevor?
Das aktuelle Börsenjahr holpert durch die Monate und die Anleger mit ihm. Die Folgen der Corona-Pandemie, der andauernde Krieg Russlands in der Ukraine und die schwindelerregende Inflation trüben schon seit Beginn des Jahres die Aussichten für 2022.
Die drastische Schieflage der Schweizer Großbank Credit Suisse, die Pläne der Steuersenkung für Reiche der ehemaligen britischen Premierministerin und der einsetzende Vertrauensverlust in US-Staatsanleihen feuerten die Unsicherheit unter Investoren mittlerweile noch an. Entspannung am Aktienmarkt? Fehlanzeige! Einige Experten sehen die Börsen bereits in einen erneuten Black Monday schlittern.
Ein unheilvoller Tag für die Börse
Als die Ruhe vor dem Sturm beschreibt Tim Morton, ein damals junger Börsenmakler, der heute seinen Ruhestand genießt, den Freitagnachmittag vor dem 19. Oktober 1987. „Ich erinnere mich an den Tag. Es war 14:30 Uhr an einem sonnigen 16. Oktober 1987. Die Börsen sollten um 16:00 Uhr schließen, und ich freute mich auf das Wochenende. Es waren zwei hektische Wochen gewesen. Die Weltmärkte hatten in einem bis dahin positiven Jahr einen kräftigen Schlag erlitten. Das Telefon klingelte; ein Ehepaar war an der Rezeption und wollte mit einem Berater über den Aufbau eines Portfolios mit Blue-Chip-Aktien sprechen. Ich dachte mir, was für eine tolle Art, eine schwierige Woche zu beenden. Der angehende Investor, der kürzlich in den Ruhestand getreten war, wollte von mir wissen, welche bekannten US-Werte er kaufen sollte. Wir sprachen über Coca-Cola, General Motors und eine Reihe anderer ausgezeichneter Unternehmen. Wir kamen gut miteinander aus, und er erklärte sich bereit, mich am Montag anzurufen. Ich ahnte nicht, dass dies die Ruhe vor dem Sturm war“, schreibt Morton in einem Gastbeitrag im Anlegerblatt Barron’s.
Der darauffolgende Montag sollte als „Black Monday“ in die Geschichte der Börse eingehen. Morton erinnert sich: „Am Montagmorgen wurden die Börsen eröffnet, und die Lage an den Aktienmärkten war weiterhin sehr angespannt. Bei Börsenschluss hatte der S&P 500 an einem einzigen Tag, dem 19. Oktober 1987, 20,5 % verloren. Es war in der Tat ein Schwarzer Montag. Es gab keinen Anruf von meinem zukünftigen Investor.“ Der Dow Jones schloss an diesem unheilvollen Montag mit 22,6 Prozent im Minus, nahezu ein Viertel des Kapitals der 30 größten US-amerikanischen Unternehmen war mit einmal dahin. Über 500 Punkte hatte der Dow Jones damals verloren, auf heutige Kurse umgerechnet wären das 7.000 Punkte. Die Folgen bekamen auch die Börsen in Europa, Asien und Ozeanien zu spüren. Bis heute wird der Black Monday als Vergleich herangezogen, wann immer es auf dem Parkett kriselt.
Schlechte Nachrichten – und ein Ende scheint nicht in Sicht
Dass es derzeit kriselt, ist unbestritten. Doch im Gegensatz zum unerwarteten Einbruch vor über 30 Jahren, dem ein fünfjähriger Bullenmarkt vorausging, befinden wir uns jetzt bereits seit einigen Monaten in einem Bärenmarkt, also einem Marktumfeld, in dem die Kurse sinken, anstatt zu steigen. Einen abrupten Wechsel von Bulle zu Bär wie 1987 wird es also nicht geben. Dennoch sorgen immer wieder neue Hiobsbotschaften für bebende Aktienkurse und Verunsicherung bei den Investoren. Die Situation der Credit Suisse – Milliardenverluste, Stellenabbau, Skandale – erinnert an die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers, die Ende 2008 die weltweite Finanzkrise ins Rollen brachte.
Das britische Pfund brach zwischenzeitlich in Folge der Ankündigung der Steuersenkung für Reiche um bis zu 5 Prozent ein, der Euro ist auf einem 20-Jahres-Tief, die Aktien in vielen Branchen sind aktuell im Minus. Die Liquidität der US-Staatsanleihen sinkt, weshalb Anleger sie nicht mehr als den zuverlässigen Hafen sehen, um ihr Kapital in Sicherheit zu bringen. Zusammenfassend kann man sagen: Investorinnen und Investoren haben es derzeit wirklich nicht leicht, optimistisch in die Zukunft zu blicken.
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Optimistisch bleiben – auch wenn es schwer fällt
Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht. Lloyd Blankfein, ehemaliger CEO von Goldman Sachs, sagte kürzlich in einem Interview mit dem Wall Street Journal: „Die schlechten Nachrichten stapeln sich so sehr, dass die Leute die Tatsache unterschätzen, dass es mehrere plausible gute Nachrichten gibt, die den Markt positiv beeinflussen könnten… Märkte sind nicht nur die aktuelle Wirtschaft, sie schauen nach vorne.“
Diese guten Nachrichten könnten Blankfein zufolge zum Beispiel ein Waffenstillstand in der Ukraine oder das Ende der Abriegelung Chinas sein. Momentan bleibt Anlegern kaum eine andere Wahl, als zu versuchen, hoffnungsvoll ins nächste Börsenjahr zu schauen.