24. April 2023
Sind die gestiegenen Sparzinsen Gift für die Aktienkultur?

Sind Anleihen langfristig eine Alternative zu Aktien?

Nur weil die Anleihen-Renditen jetzt höher sind als die Dividenden-Renditen von Aktien, sind sie für langfristig orientierte Anleger noch lange nicht die bessere Alternative.

Das Handelsblatt titelte kürzlich: „Sind Firmenbonds jetzt die besseren Aktien?“ und nannte einige Argumente, die für diese Annahme sprechen. Tatsächlich scheint die Ära der Negativ- und Nullzinsen vorerst vorbei zu sein. Die durchschnittliche Rendite von auf Euro lautenden Investment-Grade-Unternehmensanleihen liegt derzeit bei 4,1 Prozent. 

Die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer beträgt 4,6 Jahre für den betrachteten Anleihen-Referenzindex. So lange dauert es also, bis das eingesetzte Kapital wieder an den Investor zurückgeflossen ist. Die Inflationsrate ist zwar zuletzt gesunken, lag aber im März immer noch bei 7,4 Prozent. Es erscheint daher äußerst unwahrscheinlich, dass Anleger bei der Rückzahlung am Ende der Laufzeit ihr eingesetztes Kapital inflationsbereinigt zurückerhalten. Zumal bei weiter steigenden Zinsen weitere Kursverluste drohen.

Aktien schlagen Anleihen

Auch dieser Vergleich erscheint willkürlich, wie das Beispiel Alphabet zeigt. Der Mutterkonzern von Google hat noch nie eine Dividende ausgeschüttet und trotzdem konnten Anleger in der Vergangenheit gute Renditen erzielen. Denn neben der Ausschüttung in Form von Dividenden können Unternehmen mit ihren Gewinnen auch Aktien zurückkaufen oder in ihr Wachstum investieren. Diese Maßnahmen schlagen sich in Kurssteigerungen nieder, die bei Anleihen nicht in gleicher Weise möglich sind. Das Chance-Risiko-Verhältnis von Aktien ist asymmetrisch, da Aktien theoretisch unendlich steigen können.

Die vermeintlich hohe Bewertung der Aktienmärkte relativiert sich zudem bei einem Blick auf die Free Cashflow-Rendite. Der Free Cashflow ist der Betrag, der den Unternehmen tatsächlich frei zur Verfügung steht. Dieser Wert wird ins Verhältnis zum aktuellen Unternehmenswert gesetzt. Damit eignet sich diese Kennzahl deutlich besser zum Vergleich mit der Anleiherendite als die Dividendenrendite. Für Alphabet liegt die erwartete Free Cashflow-Rendite im Jahr 2023 bei 5,5 Prozent. Im Gegensatz zu Anleihen steigt der erwirtschaftete Free Cashflow bei sehr guten Unternehmen kontinuierlich an. Die Aktie wird daher im Zeitablauf relativ immer günstiger, mit dem erwarteten Free Cashflow für 2025 ergibt sich für Alphabet eine Free Cashflow-Rendite von 8,3 Prozent. Im Vergleich zur Anleihe erscheint die Bewertung damit wieder ziemlich attraktiv.

Es kommt auf die Mischung an

Bei der Entscheidung für Anleihen oder Aktien spielt der Anlagezeitraum eine zentrale Rolle. Kurzfristig können Kursverluste bei Aktien deutlich höher ausfallen als bei Anleihen. Bei einer wirklich langfristigen Anlage von über 20 Jahren in breite Indizes wie durch den Vanguard FTSE All-World UCITS ETF (WKN: A1JX52) ist in der historischen Betrachtung kein Verlustrisiko mehr zu beobachten.

Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt hier bei 15,8. Mit dem Kehrwert erhalten wir eine Rendite von 6,3 Prozent. Diese liegt wiederum deutlich über der Rendite von Anleihen. Den im Index höher gewichteten Unternehmen gelingt es im Zeitablauf recht gut, steigende Kosten an die Kunden weiterzugeben. Zudem profitieren ETF-Besitzer mit ausreichend Geduld von Produktivitätssteigerungen, Produktinnovationen oder technologischem Wandel. Anleihegläubiger bleiben hier außen vor.

Tipp: Hier kannst du alles Wesentliche zu Anleihen-ETFs nachlesen.

Je nach persönlicher Risikoneigung des Anlegers kann es aber durchaus sinnvoll sein, auch Anleihen in einem Portfolio zu kaufen. Zinspapiere schwanken in der Regel deutlich weniger und können daher stabilisierend wirken. Nur als Alternative zu Aktien funktionieren sie sicher nicht.