13. November 2023
Geldanlage: Spannende ETFs für den Jahresstart 2024

Travis Spence und Ivan Durdevic (J.P. Morgan AM) erklären, was aktive ETFs so spannend macht

ETFs sind immer eine passive Anlage. Weit gefehlt. Es gibt auch aktive Ableger. Im Interview erklären Travis Spence und Ivan Durdevic von J.P. Morgan Asset Management, was die Vorzüge solcher Produkte sind.

Aktive ETFs sind immer mehr im Kommen. Travis Spence, Leiter ETF Distribution EMEA und Ivan Durdevic, Leiter ETF Distribution für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei J.P. Morgan Asset Management, klären dazu auf.

Herr Spence, wie sieht derzeit ganz allgemein Ihre ETF-Strategie für den deutschen Markt aus?

Spence: Der deutsche ETF-Markt ist einer der größten in Europa mit spannenden Wachstumsraten in allen Anlegersegmenten. Eine besonders große Wachstumsdynamik erwarten wir bei den Privatanlegern, von denen immer mehr ETFs für ihre Kapitalmarktanlagen und Sparpläne nutzen. Während passive ETFs bei den verschiedenen Anlegergruppen bereits fest verankert sind, stoßen aktive ETFs in den Kernsektoren von Aktien und Anleihen zunehmend auf Interesse bei Asset Allokatoren und Investoren. Als größter Emittent aktiver ETFs in Europa begleiten wir diese Entwicklung von passiven zu aktiven ETFs.

Durdevic: Unsere Strategie in ganz Europa und natürlich auch in Deutschland ist weiterhin, unsere bewährten und erfolgreichen aktiv verwalteten Strategien im ETF-Mantel anzubieten. Fokusbereiche sind dabei aktive Aktien, Anleihen und nachhaltige Kernstrategien, sowohl klassifiziert als Artikel 8 als auch als Artikel 9 nach SFDR. 

Können Sie auf Ihre bedeutendsten aktiven ETF-Produkte näher eingehen und vorher kurz darlegen, um was es bei dieser Produktgattung geht?

Spence: Wir haben heute mehr als 20 aktive Aktien- und Anleihen-ETFs im Angebot. Angefangen haben wir für gut fünf Jahren mit unseren Research Enhanced Index – kurz  REI – ETFs. Diese gibt es inzwischen für 8 Kernregionen, also globale Aktien, USA, Europa, Euroland, Schwellenländer, Asien ohne Japan, Japan und China A-Aktien. Sie zielen darauf ab, positive Zusatzerträge (Alpha) bei geringer Abweichung gegenüber ihren Benchmarks zu liefern. Für diese REI-Strategie nutzen wir einen bewährten aktiven Investmentprozess, der bereits seit 1986 erprobt ist und konsistentes Alpha liefert. Seit Auflegung dieser REI-Strategie im ETF-Mantel werden in den Portfolios zudem auch ESG-Faktoren berücksichtigt.

Travis Spence ist Leiter ETF Distribution EMEA
Travis Spence ist Leiter ETF Distribution EMEA J.P. Morgan Asset Management

Dank der  konstanten Outperformance gegenüber den Benchmarks und der Klassifizierung nach Artikel 8 haben zahlreiche Anlegerinnen und Anleger in Europa mit diesen ETFs ihre rein passiven ETF-Investments aktiviert. So konnte sowohl der US REI ETF (Ticker: JREU) als auch der globale REI ETF (Ticker: JREG) seit Jahresbeginn jeweils mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar an Nettozuflüssen erzielen. JREU ist mit 3,9 Milliarden US-Dollar mittlerweile der größte aktive UCITS-ETF und hat seine S&P 500-Benchmark bis September seit Auflegung im Oktober 2018 um ein Prozent jährlich übertroffen.

Zunehmend rücken aber auch aktive Anleihen ETFs in den Fokus und auch wir bieten inzwischen zahlreiche aktive Kern-Anleihen-ETFs an. So gibt es einerseits das Segment der „Ultra Short Fixed Income“ ETFs mit extrem kurzer Duration (Ticker: JEST). Daneben haben wir aktive Anleihen Research Enhanced Index ETFs für Unternehmensanleihen (JREB) aufgelegt. Ganz aktuell haben wir den JPM Active Global Aggregate Bond UCITS ETF (JAGG) aufgelegt – den ersten aktiven globalen Anleihen-ETF mit dem Bloomberg Global Aggregate Total Return Index als Benchmark und Artikel 8-Klassifizierung. JAGG bietet JPMAMs führende globale Aggregate Bond Strategie im ETF-Mantel an und deckt als Kernallokation ein breites Spektrum an Anleihenmärkten ab. Dazu zählen Staats- und Unternehmensanleihen, staatsnahe Emittenten, Schwellenländer Bonds sowie verbriefte Anleihen in 25 lokalen Währungsmärkten. Die Größe und Komplexität des Global Aggregate-Universums eignet sich besonders gut für ein aktives Management.

Durdevic: Im August 2023 haben wir die Reihe der Research-Enhanced-Index-Equity-(REI)-ETFs um zwei aktive nachhaltige ETF ergänzt, die die Benchmark-Anforderungen der EU im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllen. Die beiden ETF für globale und US-Aktien sind gemäß der EU-SFDR-Verordnung als Artikel 9 eingestuft – sowohl auf Benchmark- als auch auf Portfolioebene. Kunden suchen zunehmend nach Lösungen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Diese beiden aktiven ETFs wurde so konzipiert, dass sie ein doppeltes Ergebnis ermöglichen: Dank des REI-Investmentprozesses lässt sich ein individuelles Universum nachhaltiger Unternehmen übertreffen und gleichzeitig ein Dekarbonisierungsziel im Einklang mit dem Pariser Abkommen erreichen. Um die Kriterien des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, werden sowohl das gesamte Benchmark-Universum als auch beide neuen aktiven ETFs eine um 50 Prozent niedrigere Treibhausgasintensität aufweisen als das ursprüngliche Investmentuniversum. Auch sollten bei Benchmarks und ETFs die CO2-Emissionen im Jahresvergleich durchschnittlich um sieben Prozent gesenkt werden. Dabei wird der bewährte aktive REI-Investmentprozess genutzt, um die Unternehmen auszuwählen, die im Laufe der Zeit eine Outperformance erzielen werden.

In welchem Segment haben aktive ETFS die Nase vorn gegenüber klassischen, passiven ETFs?

Durdevic: Aktive ETFs bieten im Vergleich zu ihren passiven Pendants die Möglichkeit, eine langfristige Outperformance gegenüber dem Basisindex zu erzielen und gleichzeitig das Risiko im Laufe der Marktzyklen zu managen. Grundsätzlich haben aktive ETFs die gleichen strukturellen Vorteile wie passive ETFs, nämlich tägliche Transparenz, Handelbarkeit und Liquidität zu geringen Kosten. Bei der Erstellung eines ganzheitlichen Portfolios gilt es, verschiedene Lösungen in Betracht zu ziehen, die zu der jeweiligen Risikobereitschaft passen, die Möglichkeit bieten, durch konjunkturellen Gegenwind zu navigieren, aber auch im Vergleich zum breiteren Markt eine Zusatzrendite bieten können.

Ivan Durdevic ist Leiter ETF Distribution für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei J.P. Morgan Asset Management
Ivan Durdevic ist Leiter ETF Distribution für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei J.P. Morgan Asset Management

Wir sehen gerade, dass aktive Aktien-ETFs für Kernallokationen, die ein konsistentes Alpha mit einem relativ ähnlichen Tracking Error oder einer ähnlichen Volatilität wie passive ETFs bieten, als Ergänzung oder sogar Alternative zunehmend in Betracht gezogen werden. So hat sich das Volumen unserer Research Enhanced Index ETFs-Reihe im letzten Jahr auf über 8,8 Milliarden US-Dollar verdoppelt, während der breite Markt für passive Aktien-UCITS-ETFs etwas langsamer gewachsen ist und um 18 Prozent zulegte. 

Spence: Was die aktiven Anleihen-ETFs im Vergleich zu passiven ETFs besonders attraktiv macht, ist dass sie die Risiken besser managen können, als passive Anleihenindizes. Denn bei diesen ist die Gewichtung auf die am stärksten verschuldeten Emittenten am höchsten, die aber nicht notwendigerweise die attraktivsten Schuldner sind. Auch kann die Rendite durch die Benchmark-Duration erheblich beeinflusst werden.

Welche ETF-Trends sehen Sie im kommenden Jahr in Ihrem Haus, aber auch in der gesamten Branche auf Anleger zukommen?

Spence: Weltweit beobachten wir drei Haupttreiber für die ETF-Branche: Erstens ist dies die weiter anhaltende Kundenakzeptanz der Vorteile des ETF-Mantels, also die vollständige Transparenz, die Möglichkeit des Intraday-Handels, die Preisfindung, die geringeren Kosten für Anleger und in einigen Märkten auch Steuervorteile. Der zweite Trend ist das weiterhin starke Wachstum aktiver ETFs – 2023 war sicherlich ein Jahr des Durchbruchs die aktiven ETFs. Und der dritte große Trend sind die festverzinslichen Strategien im ETF-Mantel. Für Europa würden wir als vierten Treiber auch nachhaltige Strategien ergänzen

Wir sind überzeugt, dass die Zukunft der ETFs aktiv ist und beabsichtigen, die „aktive ETF-Revolution“ weiterhin anzuführen und mitzugestalten. Das bedeutet, dass wir „das Beste unserer aktiven Managementkompetenz“ im ETF-Mantel anbieten, um für unsere Kundinnen und Kunden Mehrwert in Form von besseren Anlageergebnissen zu bieten.

Durdevic: Dass die Kundenakzeptanz von ETFs weiter zunimmt, zeigt sich auch in den Absatzzahlen. Im Durchschnitt verdoppelt sich der ETF-Markt alle fünf Jahre. Wir gehen davon aus, dass der europäische UCITS ETF-Markt bis Ende 2028 von 1,5 Billionen US-Dollar auf 3,0 Billionen US-Dollar wachsen wird. Während in den USA der ETF-Markt ganz klar durch die Privatanleger wächst, ist es in Europa bislang eher professionelle und institutionelle Investoren. Selbst ohne die Steuervorteile, die ETFs in den USA bieten, ist in Europa in den nächsten fünf Jahren ein deutliches Wachstum zu erwarten. Dabei betrachten wir die aktiven ETFs als einen der wichtigsten Wachstumstreiber der ETF-Branche für die Zukunft und 2023 als entscheidenden Moment in der Geschichte der ETFs.

Bisher wurden im Jahr 2023 über 25 Prozent der Nettozuflüsse in den USA in aktive ETFs investiert und rund sechs Prozent der Nettozuflüsse in Europa. In den vergangenen fünf Jahren sind aktive ETFs sowohl in den USA als auch in Europa um über 40 Prozent CAGR gewachsen, doppelt so schnell wie der passive ETF-Markt. Diese Zahlen belegen, dass aktive ETFs an Bedeutung gewinnen.

Tipp: Du willst mehr über aktives und passives Investieren erfahren? Die Unterschiede zwischen Fonds und ETFs

„Bonds are back“ – die Anleihenrenditen haben den höchsten Stand seit einer Generation erreicht. Bisher machen Anleihen ETFs erst ein Viertel des europäischen ETFs-Volumens aus, konnten aber sowohl im Jahr 2022 als auch im laufenden Jahr 2023 mehr als 40 Prozent der Nettozuflüsse vereinnahmen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt. Die meisten Anleger investieren heute aktiv in festverzinsliche Wertpapiere, und weltweit machen Anleihen-ETFs etwa ein Prozent der gesamten ausstehenden Anleihen aus.  Wir sehen daher einen zunehmenden Trend bei Anlegern, die auf aktive Anleihen-ETFs zugreifen möchten. 

Das Thema Nachhaltigkeit bleibt auch bei den ETFs weiterhin im Fokus. In den letzten drei Jahren sind in nachhaltige ETFs, die als Artikel 8 oder Artikel 9 SFDR eingestuft sind, etwa 41 Prozent der Nettozuflüsse investiert worden. Dieses Segment macht nun über 20 Prozent des ETF-Vermögens aus. Nachhaltigkeitspräferenzen entwickeln sich weiter und ETFs sind für Anleger eine wirksame Möglichkeit, ihre gewünschten Ergebnisse zu erreichen.

Ein Trend bei Anlegern dürften Anleihen sein. Manche Experten schätzen das Chance-Risiko-Verhältnis bei Anleihen sogar als attraktiver als bei Aktien ein. Wie stehen Sie dazu?

Spence: Wir stimmen darin überein, dass es aufgrund der Natur der Anleihenmärkte gute Argumente für ein aktives Management von Anleihen gibt: Anleihenindizes gewichten naturgemäß die am höchsten verschuldeten, aber vielleicht nicht die erfolgreichsten oder attraktivsten Emittenten, die Zinssätze werden stark von den Zentralbanken beeinflusst, Sie sind in ihrer Politik noch nie so aktiv gewesen und der Handel mit Anleihen findet hauptsächlich außerbörslich statt, wo es oft schwierig ist, Anleihen zu attraktiven Konditionen zu beschaffen. Aktive Anleihen-ETFs bewältigen die Herausforderungen bei vollständiger Transparenz, werden täglich zu tatsächlichen Marktkursen gehandelt und bieten Diversifizierung. Da sie wie eine Aktie gehandelt werden können, ist es möglich, das Engagement am Markt schnell zu erhöhen oder zu verringern während das zugrunde liegende Risiko aktive gemanagt wird.