Oliver Noelting: "Frugalisten führen ein glückliches Leben ohne viel Geld auszugeben"
Wer bescheiden ist und viel spart, hat später einen Batzen Geld. Das zeigt sich gerade in der älteren Generation. Es gibt aber auch eine sehr junge Bewegung, die systematisch diesem Grundsatz folgt und die Ersparnisse aller Regel in kostengünstige ETFs anlegt. Die Verfechter der Idee nennen sich Frugalisten. Wir haben mit wohl Deutschlands berühmtesten Frugalisten, Oliver Noelting, gesprochen.
Herr Noelting, Sie sind bekennender Frugalist. Was sind eigentlich Frugalisten?
Frugalisten sind Menschen, die ein möglichst erfülltes und glückliches Leben führen, ohne dabei viel Geld ausgeben zu müssen. Ihnen ist ein Leben zu langweilig, in dem man immer nur arbeiten geht und das Verdiente für passiven Konsum wieder ausgibt. Frugalisten leben lieber aktiv und selbstbestimmt und geben ihr Geld möglichst clever und effizient aus. Dadurch müssen sie am Ende weniger arbeiten gehen und haben mehr Zeit und Energie für ihre Hobbys, Freunde und Familie, Sport oder eigene Projekte. Viele Frugalisten – ich eingeschlossen – sparen einen so großen Teil ihres Einkommens, dass sie schon mit 30 oder 40 finanziell ausgesorgt haben.
Sie wollen mit 40 in Rente gehen. Macht Ihnen Ihre Arbeit keinen Spaß?
Meine Arbeit als Softwareentwickler macht mir sogar großen Spaß. Noch besser wird sie aber, wenn ich nicht mehr auf das Gehalt aus einem Job angewiesen bin. Dann kann ich mir aussuchen, wie lange und an welchen Projekten ich arbeite. Und falls mir mein Job mal gar keinen Spaß mehr machen sollte, kann ich jederzeit aussteigen und etwas ganz anderes machen – egal ob es Geld bringt oder nicht. Es geht mir also gar nicht darum, „in Rente zu gehen“ und nie wieder zu arbeiten, sondern finanziell unabhängig von einem Erwerbseinkommen zu sein. So habe ich die Wahlfreiheit, wofür ich meine Zeit und Lebensenergie verwende.
Bei einer derart geringen Konsumquote müssen Sie doch ständig jeden Euro dreimal umdrehen. Ist es nicht stressig und auch oft entbehrungsreich als Frugalist, permanent Sparpotentialen aufspüren zu müssen und sich in Verzicht zu üben?
Es ist ein häufiges Vorurteil, dass Frugalisten knausrig seien oder nie in den Urlaub fahren würden. Aber das ist Quatsch. 2018 war ich insgesamt fünf Wochen im Urlaub und habe vier verschiedene Länder besucht. Ich gehe auch gerne mal ins Kino oder mit Freunden in eine Bar. Frugalisten geben ihr Geld einfach bewusst und optimiert aus – für das was wirklich für ein gutes Leben wichtig ist. Oft sind das Dinge, die wenig kosten oder gar nicht für Geld zu kaufen sind: Gute Beziehungen zu Freunden und Familie, eine erfüllende Tätigkeit, Anerkennung, Dankbarkeit, genügend Schlaf, Lachen, Gesundheit, Sport, Zeit in der freien Natur. Ansonsten optimieren Frugalisten vor allem ihre Fixkosten und Gewohnheiten. Nur so viel Wohnraum mieten wie man wirklich braucht. Möglichst nah an der Arbeit wohnen, so dass man mit dem Fahrrad fahren kann. Dinge gebraucht kaufen und ungenutztes wieder verkaufen. Unnötige Versicherungen und Verträge kündigen. Nicht in jeder Mittagspause ins Restaurant gehen, sondern selbst kochen und mitnehmen. Kaputte Dinge reparieren, kreativ sein, Selbermachen.
Klar, das ist manchmal unbequemer als auf der Couch zu sitzen und Fernsehen zu gucken. Aber ich glaube, dass das Leben so spannender und erfüllter ist.Mit dieser Lebenseinstellung und den richtigen Gewohnheiten geht das Sparen eigentlich ganz von alleine und macht sogar Spaß, ohne dass man penibel auf jeden Euro achten muss.
Viele Leser finden Ihre Idee im Ansatz sicher gut, halten es aber für sich für zu extrem. Was können Sie solchen Sympathisanten der Idee raten?
Bei der Frugalisten-Philosophie geht es vor allem darum, das Beste aus sich selbst und seinem Leben zu machen. Bewusster durch den Alltag zu gehen, die Konsumgesellschaft kritisch zu hinterfragen und mehr persönliche Freiheit und Wahlmöglichkeiten zu gewinnen. Ich denke das dürfte für jeden sinnvoll und erstrebenswert sein. Mein eigenes Leben, über das ich auf meinem Blog berichte, ist meine persönliche Umsetzung dieser Philosophie, die nicht jeder genauso nachmachen muss. Aber ich würde jedem empfehlen, sich einmal mit den dahinterliegenden Grundprinzipien zu beschäftigen. Dann kann man schauen, wie man diese für sich selbst umsetzt, um sein eigenes Leben zu verbessern.
Wie legen Sie Ihre Ersparnisse dann an?
Als überzeugter Passiv-Anleger investiere ich vor allem langfristig und breit gestreut in ETFs. Mein aktuelles Portfolio enthält sechs ETFs, von denen drei den weltweiten Aktienmarkt abbilden. Dazu kommt noch ein ETF auf einen Reit-Index, ein Rohstoff- und ein Anleihen-ETF. Einen kleinen Teil meines Vermögens halte ich außerdem noch in Tagesgeld. Insgesamt habe ich bisher rund 100.000 Euro angespart.
Und abschließend noch: Bis zum 40. Geburtstag ist es noch einige Jahre hin. Gibt es schon Pläne für den darauf folgenden Ruhestand?
Nein, konkrete Pläne habe ich bisher nicht. Wer weiß, wie mein Leben in zehn Jahren aussehen wird. Vermutlich werde ich dann auch eine Familie haben. Ansonsten glaube ich, dass ich gar nicht so viel anders machen werde als heute. Ich hoffe, dass ich immer noch mein Lieblingshobby – Skateboarding – ausüben kann und Artikel für meinen Blog (https://frugalisten.de) schreibe. Bestimmt werde ich auch noch das eine oder andere programmieren, aber vermutlich nicht mehr in einem Angestelltenjob. Ich habe dann einfach mehr Zeit um Neues zu entdecken, ein stressfreies Leben ohne finanzielle Zwänge. Grundsätzlich versuche ich heute schon mein Leben zu genießen und meine Träume zu verwirklichen. Beispielsweise arbeite ich seit vergangenem Jahr nur noch in Teilzeit als Angestellter. Nebenbei programmiere ich noch selbstständig und habe dadurch bereits mehr freie Zeiteinteilung.
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