Ab 40 nicht mehr arbeiten - funktioniert Frugalismus wirklich?
Mit 40 den Job schmeißen und dann das Leben genießen – ganz kurz gefasst zielen Frugalisten darauf ab. Doch eignet sich das Konzept für alle? Gibt es Nachteile und Risiken? Was sollten angehende Fans der Idee bedenken? Wir beleuchten das Thema Frugalismus etwas genauer.
Frugalismus leitet sich vom lateinischen Wort „frugalis“ ab, was übersetzt „sparsam“ oder „wirtschaftlich“ bedeutet. Die Idee basiert auf der sogenannten FIRE-Bewegung, deren Ursprung bereits in den 1990er Jahren liegt, die allerdings erst mit der Finanzkrise 2008 mehr und mehr an Bedeutung gewann. Das Akronym FIRE steht für Financial Independence, Retire Early (finanzielle Unabhängigkeit, vorzeitiger Ruhestand).
Die Autorin Vicki Robin und der Finanzanalyst Joe Dominguez legten mit ihrem 1992 erschienenen Buch „Your Money or Your Life“ den Grundstein für die FIRE-Idee. Der Schriftsteller Jacob Lund Fisker ging 2010 mit seinem Buch „Early Retirement Extreme“ noch einen Schritt weiter. 2011 startete der Kanadier Peter Adeney schließlich seinen Blog „Mr. Money Mustache“. Immer mehr Anhänger folgten der FIRE-Bewegung, um möglichst früh in den wohlverdienten Ruhestand gehen zu können. In Deutschland etablierte sich der Begriff Frugalismus. Die Strömung wird seither immer populärer.
Warum frugal leben?
Doch worum geht es beim frugalen Leben genau? Kurz gesagt versuchen Frugalisten in den ersten Jahren ihres Berufslebens so viel von ihrem Gehalt zur Seite zu legen, wie möglich. So wollen sie ihr Ziel erreichen, möglichst früh nicht mehr arbeiten müssen. Dazu investieren Frugalisten möglichst viel von dem, was sie zurücklegen, um das Kapital zu steigern. ETFs sind dabei meistens das Anlageprodukt ihrer Wahl. Um von ihrem Nettoeinkommen einen Großteil – oftmals zwischen 70 bis 90 Prozent – zu sparen, verzichten sie auf in ihren Augen unnötigen Konsum und Luxus.
Margarethe Honisch schreibt in ihrer Business Insider-Kolumne: „Was Frugalisten später wollen, ist Zeit zu haben. Was sie jetzt dafür tun, ist ihre Zeit einzutauschen, um Geld zu sparen. Anstatt komfortabel das Taxi zu nehmen, wenn die Bahn ausfällt, läuft oder wartet man eben. Anstatt etwas Kaputtes gegen etwas Neues auszutauschen oder vom Fachmann reparieren zu lassen, macht man sich die Mühe, stundenlang YouTube-Videos zu schauen und danach einen ganzen Tag lang die Waschmaschine auseinanderzunehmen, um Geld zu sparen.“
Unbestritten leben Frugalisten dadurch nachhaltiger – ein positiver Effekt für unsere Umwelt. Dieses Verhalten könnten wir sicher als sinnvolles Vorbild für unser eigenes Verhalten nehmen, um auch nachfolgenden Generationen eine lebenswerte und möglichst intakte Welt zu hinterlassen. Aber dann sollte sich daraus auch der Antrieb entwickeln, frugal zu leben. Und nicht daraus, dass man im Alter von 40 Jahren endlich seinen Job hinschmeißen kann.
Kritik am Frugalismus
Neben den positiven Aspekten, die ein sparsames Leben mit sich bringt, gibt es auch Schattenseiten. Da wäre zunächst einmal das Risiko sich zu verkalkulieren. Mal angenommen, ich nehme mir mit Anfang 20 vor, mit Anfang 40 nicht mehr arbeiten zu wollen. Dann muss ich in meine Rechnung nicht nur die Inflation einfließen lassen, sondern auch sich verändernde Lebensumstände. Möchte ich vielleicht mit Anfang 30 eine Familie gründen, geht meine Kalkulation als Single nicht mehr auf. Denn ich brauche dann viel mehr meines Nettoeinkommens, kann weniger zurücklegen und investieren. So ging es auch Oliver Noelting, Gründer des deutschen Frugalismus-Blogs frugalisten.de: „Auch den Einkommensverlust durch die Familiengründung hatte ich vor sechs Jahren noch nicht auf dem Schirm“, schreibt er in seinem Post über die Halbzeit seines Planes im Alter von 40 Jahren in Rente zu gehen. Manchmal kommt eben das Leben dazwischen.
Selbst wenn es mir gelingt, meinen ambitionierten Plan umzusetzen und mit Anfang 40 meine Kündigung einzureichen: Was mache ich mit meiner gewonnenen Zeit? Droht nicht Langweile, wenn ich keine Aufgabe mehr habe? Auch darf ich nicht vergessen, dass mein Anspruch auf die gesetzliche Rente sinkt, je früher ich aus dem Berufsleben scheide. All das sollte man bedenken, wenn man sich entscheidet, den frugalen Lebensweg einzuschlagen.
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Nicht für jeden machbar
Außerdem stellt sich die Frage, ob denn wirklich alle frugal leben können. Kritiker sagen: Wirft man einen Blick in Blogs und Foren zeichnet sich ein klares Bild. Frugalisten haben häufig mindestens ein durchschnittliches Nettoeinkommen – eher mehr – viele haben bereits in früher Jugend Geld sparen können oder haben etwas geerbt. Doch was ist mit denjenigen, die diese Möglichkeit nicht hatten oder eben mit einem Einkommen unter dem Durchschnitt durchs Leben manövrieren müssen?
Mr. Money Mustache erzählt in einem seiner aktuellen Posts von seinem Freud Dave, der zwar ein relativ geringes Einkommen habe, dafür aber acht Appartements, die er vermietet. Gerade habe er einen Teil seines Hauses luxuriös ausgebaut, um es auf Airbnb anzubieten. Das alles ist toll, aber die Appartements und die Airbnb-Unterkunft hat nun einmal nicht jeder.
Fazit
Grundsätzlich steckt im Frugalismus sehr viel Positives. Angehende Frugalisten sollten ihren Plan sehr genau durchdenken und auch Eventualitäten einkalkulieren. Für jeden eignet sich das Konzept sicherlich nicht, aber wer darin aufgeht, tut nicht nur der Umwelt, sondern hoffentlich auch sich selbst etwas Gutes.