17. Juli 2023
Rüstungsaktien sind gefragt; ETF-Emittenten bringen Portfolios an den Markt.

Hector McNeil (HANetf): "Unser Rüstungs-ETF investiert in Unternehmen, die NATO-Mitglieder beliefern"

Krieg in Europa. Im Gespräch erläutert Hector McNeil, Gründer und Co-CEO von HANetf, was es mit dem neuen Rüstungs-ETF auf sich hat.

Sie haben einen Rüstungs-ETF aufgelegt. Wie passt das zum aktuellen Nachhaltigkeitstrend in der ETF-Branche?

Wir bei HANetf glauben fest an Nachhaltigkeit und ESG. Aber so sehr wir auch nachhaltige Investmentansätze unterstützen und diese anbieten: Das schließt alles andere nicht aus. Die Welt sieht sich einem gefährlichen geopolitischen Umfeld gegenüber – sei es der Krieg in der Ukraine oder das wachsende Risiko eines Konflikts im Südchinesischen Meer. Die Aufgabe von Investoren besteht darin, globale Trends zu erkennen. Die zunehmenden geopolitische Risiken sind einer davon.

Es stellt sich immer mehr die Frage, ob Unternehmen aus dem Verteidigungssektor als ESG-konform angesehen werden können oder nicht. Angesichts der Aggression Russlands gegen die Ukraine überdenken viele Anleger den automatischen Ausschluss von Waffenherstellern durch ESG-Ansätze. Unternehmen, deren Waffen und Ausrüstung der Ukraine helfen, sich selbst zu verteidigen, sind nicht unbedingt unethisch. Das gilt auch für solche, die Polen, Finnland und den baltischen Staaten sowie anderen Ländern den Ausbau ihrer Verteidigungskapazitäten ermöglichen.

Können Sie Anleger verstehen, die moralische Bedenken bei Ihrem neuen Rüstungs-ETF haben?

Man kann verschiedene Positionen gegenüber dem Krieg und damit auch gegenüber Investitionen in Unternehmen haben, die Waffensysteme herstellen und verkaufen. An einem Ende des Spektrums stehen diejenigen mit einer rein pazifistischen Einstellung, für die jeder Krieg immer ungerecht ist. Sie möchten wahrscheinlich kein Engagement in Unternehmen des Verteidigungssektors und damit auch nicht in unserem ETF. Am anderen Ende des Spektrums stehen jene, denen die Moral völlig gleichgültig ist und die gerne in entsprechende Firmen investieren.

Hector McNeil, Gründer und Co-CEO von HANetf
Hector McNeil, Gründer und Co-CEO von HANetf

Wir haben versucht, unseren ETF so zu konzipieren, dass er Anleger zwischen diesen beiden Positionen anspricht, indem wir uns auf NATO-Mitglieder und verbündete Länder konzentrieren.

Fragen des Kriegs und der Verteidigung sind kompliziert. Wir alle verabscheuen zwar den Krieg und die Zerstörung, die er mit sich bringt. Er ist aber eine Realität in der Welt und manchmal muss ein Land sich und seine Bürger verteidigen – oder es zumindest im Bedarfsfall tun können. Ein Krieg zur Landesverteidigung gegen eine Aggression von außen, wie ihn die Ukrainer derzeit führen, wird – so tragisch er ist – weithin als moralisch gerecht angesehen.

Unser ETF investiert daher in Unternehmen, die NATO-Mitglieder beliefern. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Es basiert auf den Grundsätzen der Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie. Dies sind alles Prinzipien, für die es sich nach Ansicht vieler zu kämpfen lohnt.

Wir respektieren, wenn jemand aus ethischen Gründen nicht in diesen ETF investieren möchte. Wir denken aber nicht, dass dies die vorherrschende Meinung unter europäischen Anlegern ist.

Welche Unternehmen und Branchen enthält Ihr Rüstungs-ETF?

Grundsätzlich besteht das Portfolio aus Industrie- und Cybersicherheitsunternehmen. Wir haben einige der großen Namen wie Raytheon, BAE Systems, Leonidas und Thales, daneben auch Aerovironment, den Hersteller der Switchblade-Drohnen. Im Bereich Cybersicherheit sind Unternehmen wie Crowdstrike zu nennen, das sich auf den Schutz von Endgeräten, die Analyse von Cyber-Bedrohungen und die Reaktion auf Cyberangriffe spezialisiert hat. Ein weiteres Beispiel ist Cloudflare, das Web-Infrastruktur- und Website-Sicherheitsdienste einschließlich DDoS-Abwehr anbietet.

Cybersicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil Ihres Rüstungs-ETF. Wieso ist dieser Bereich so umfangreich vertreten?

Einfach ausgedrückt: Sie ist die Zukunft der Verteidigung und entscheidend für die nationale Sicherheit. Seit dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2014 hat Russland immer wieder Cyberangriffe auf das Land verübt. Diese betrafen Regierungsbehörden und kritische Infrastrukturen wie Eisenbahnen und Geldautomaten und haben sogar die Strahlungsmessgeräte in Tschernobyl lahmgelegt. Seit der umfassenden Invasion im Jahr 2022 haben staatlich unterstützte Akteure 128 Regierungsorganisationen in 42 Ländern angegriffen, die die Ukraine unterstützen.

Viele Cyberangriffe werden von Nationalstaaten wie Russland, China, Nordkorea und Iran aus politischen Motiven unterstützt. Dies erhöht das Risiko erheblich, da sie über ausgereifte Fähigkeiten verfügen und hartnäckig versuchen, andere Länder zu beeinträchtigen.

Die Intensität und Zerstörungskraft der Angriffe nimmt derweil zu. So wurde beispielsweise der von russischen Hackern ausgelöste NotPetya-Angriff als der zerstörerischste und kostspieligste Cyberangriff der Geschichte bezeichnet: Er verursachte Schaden in Höhe von mehr als 10 Milliarden US-Dollar.

Die Vereinigten Staaten sind aufgrund ihres hohen Automatisierungsgrads und ihrer Vernetzung potenziell besonders anfällig für Cyberangriffe. Die Abhängigkeit von internetfähigen Geräten hat unbeabsichtigt die größte Angriffsfläche der Welt geschaffen. Mit der Zunahme geopolitischer Spannungen steigt auch das Risiko groß angelegter Angriffe. Es handelt sich also um eine entscheidende Komponente der Verteidigung, die nicht immer entsprechend gewürdigt wird.

Entscheidend ist: Die Methodik des ETFs stellt sicher, dass die einbezogenen Cyberunternehmen Verträge mit NATO- oder NATO+-Mitgliedern haben. Dadurch unterscheidet sich unser Engagement von den anderen Cybersicherheits-ETFs auf dem Markt. Wir streben die Aufnahme von Unternehmen an, die im Bereich der nationalen Sicherheit tätig sind – und nicht von Marktteilnehmern, die sich ausschließlich auf den privaten Sektor konzentrieren.

Was sollten interessierte Anleger außerdem unbedingt über Ihren neuen Rüstungs-ETF wissen?

Wie bereits erwähnt, basiert der NATO-ETF auf einem Index, dessen Unternehmen ihren Sitz in NATO- oder NATO+-Mitgliedsstaaten haben müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass sie dem breiteren NATO-Bündnis angehören und somit verantwortungsvolle geopolitische Akteure sind.

Der andere Aspekt der Konzentration auf die NATO ist die erwartete Erhöhung der Verteidigungsausgaben innerhalb des Bündnisses. Angesichts der jüngsten geopolitischen Entwicklungen wird erwartet, dass die Militärausgaben ihrer Mitglieder erheblich steigen werden. Nach dem Ende des Kalten Krieges brachen die Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder ein – die sogenannte Friedensdividende. Durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine hat sich das massiv geändert. Allein im Jahr 2022 gaben die mittel- und westeuropäischen Länder zusammen 345 Milliarden US-Dollar für das Militär aus – das höchste Niveau seit dem Ende des Kalten Krieges.

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Dennoch werden weiter steigende Militärausgaben erwartet. Die meisten europäischen NATO-Mitglieder liegen noch immer unter dem Ausgabenziel des Bündnisses von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – eine Situation, die angesichts der aktuellen geopolitischen Lage als unhaltbar gilt. Polen ist ein Beispiel für diese neue Haltung. Das Land hat sich verpflichtet, vier Prozent seines BIP für die Verteidigung auszugeben. Damit unternimmt es den ehrgeizigen Versuch, die größte Landarmee Europas aufzubauen.

Neben der Aufstockung des Militärpersonals steigt auch die Nachfrage nach modernen Waffen. Das in den USA hergestellte Lenkraketenwerfersystem HIMARS, das bei der Verteidigung der Ukraine gegen Russland eine zentrale Rolle spielte, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Ukraine ist derzeit mit 20 bis 40 HIMARS ausgerüstet – Polen ist dabei, 500 dieser Systeme zu beschaffen.

Dazu kommt die wachsende geopolitische Herausforderung durch China. Die Spannungen werden wahrscheinlich längere Zeit anhalten, da das Land die von den USA dominierte Weltordnung herausfordert. Hier besteht das Potenzial für einen neuen Kalten Krieg zwischen der derzeitigen Supermacht USA und der potenziellen künftigen Supermacht China. Viele verweisen in diesem Zusammenhang auf die Arbeit des antiken griechischen Historikers Thukydides. Dieser zeigte anhand des Krieges zwischen Sparta und Athen die Spannungen auf, die entstehen, wenn sich eine dominante Macht durch einen aufstrebenden Konkurrenten herausgefordert fühlt. Dies wird oft als Thukydides-Falle bezeichnet.

Der ETF ist mit 40 Titeln gut diversifiziert. Entscheidend ist aber, dass die Obergrenze für die Gewichtung einzelner Aktien bei 5 Prozent liegt. Dadurch können wir das Risiko einer Einzelaktienkonzentration vermeiden. Die fünf größten Titel des ETFs machen 22 Prozent des Portfolios aus, die zehn größten 42 Prozent.