Jens Rabe: Wer auf bessere Zeiten an der Börse wartet, verpasst Chancen
Jens Rabe, Gründer und Geschäftsführer der Rabe Unternehmensgruppe und Buchautor, verrät uns im Interview, warum junge Leute nicht zu traditionellen Sparformen zurückkehren werden und wieso Angst vor Verlusten an der Börse ein schlechter Ratgeber ist.
Die Börse hat in den letzten 2-3 Jahren einen Boom erlebt, vor allem bei jungen Leuten. Glauben Sie, dass das durch die Ereignisse in diesem Jahr nun wieder spürbar nachlässt und Menschen wieder zu traditionelleren Sparformen zurückkehren?
Junge Leute werden niemals wieder zu traditionelleren Sparformen zurückkehren. Das ist sehr unwahrscheinlich. Zwar ist es schön, dass man jetzt wieder auch mal Zinsen bekommt und der ein oder andere wird sich sicherlich auch mal wieder anschauen, was ein Bausparvertrag ist. Aber junge Leute sind mittlerweile finanziell sehr gut ausgebildet: Sie wissen viel, sie informieren sich viel, gerade auch in sozialen Medien. Und deswegen werden junge Leute natürlich auch sehr schnell merken, dass zwei Prozent Zinsen zwar besser sind als null, aber dass damit ihr Kapital nicht wächst.
Und da junge Leute schon sehr genau wissen, dass sie für ihr Alter vorsorgen müssen, werden sie weiterhin bei neueren Anlagen bleiben – egal ob das Aktien oder Kryptowährungen sind. Diese Entwicklung ist mittlerweile auch schon bei sehr jungen Menschen zu beobachten und dieser Trend wird sich meiner Meinung nach auch nicht mehr umkehren.
Aktien oder Anleihen – wer Weihnachtsgeld und Inflationsbonus bekommen hat und anlegen möchte, ist 2023 womit besser bedient?
Das Jahr 2022 war für die Kombination Aktien und Anleihen das schlechteste Jahr seit über 100 Jahren. Anleihen waren ohnehin in den letzten Jahren keine Alternative für Anleger, weil es keine Zinsen gab. Wer sich mit Portfolios beschäftigt, der wird sehr schnell feststellen, dass eine Kombination aus Aktien und Anleihen, zum Beispiel in einem Verhältnis von 60 oder 70 Prozent Aktien und 30 oder 40 Prozent Anleihen, langfristig betrachtet für den gleichen Ertrag wie ein reines Aktienportfolio sorgt, aber für deutlich weniger Schwankungen – und das ist, was Anleger wollen.
Viele Menschen sind aber erst gar nicht informiert über Anleihen. Wer sich jedoch für dieses Thema interessiert, sollte wissen, dass sie zu einer Anlageklasse gehören, die momentan definitiv zu gering beachtet wird. Wir reden hier allerdings über die Anleihen in den Vereinigten Staaten – nicht in Europa.
Welche Produkte halten Sie für Einmalzahlungen derzeit besonders geeignet?
Im Grunde hängt das immer davon ab, welchen Zeithorizont man hat. Also wenn ich sage, “Ich habe eine Summe X zur Verfügung und möchte in drei Jahren an mein Geld”, dann ist momentan noch kein Produkt geeignet. Wenn ich aber sage, “Ich habe 30 Jahre Zeit”, dann würde ich ganz klar sagen, dass Aktien das richtige Produkt sind.
Bevor sich Anleger also für ein Produkt entscheiden, sollten sie sich immer über die Ziele im Klaren sein: Wie lange kann ich mein Geld binden und wie lange will ich es binden? Generell sollten Anleger jedoch wissen, dass es kein Produkt gibt, bei dem man sagen kann, dass es für eine Einmalzahlung das Beste ist. Das hängt immer individuell ab.
Welchen Markt empfinden Sie global gesehen 2023 als am chancenreichsten?
Wir erachten die Emerging Markets als die chancenreichsten, denn da ist die ganze Palette von Brasilien über Indien bis nach China. Das, glauben wir, wird 2023 am aussichtsreichsten sein. Die Chancen stehen einfach gut, weil wir nach dem Höhepunkt der Inflation und nach dem wahrscheinlichen Ende der Zinserhöhung in den USA einen schwächeren Dollar sehen werden.
Das kommt insbesondere den Emerging Markets zugute. Und natürlich auch die Wiedereröffnung Chinas, die demnächst ansteht und die jetzt schon in den Preisen so langsam reinkommt, dürfte die Emerging Markets sehr aussichtsreich machen. Man sollte aber auch Europa nicht vergessen: Europa hat zehn Jahre lang underperformed gegenüber den USA – und das ist die große Chance: Weil Europa keine Technologie hat, ist Europa auch spottbillig. Demzufolge sind die Aktien in Europa auch sehr günstig und durchaus chancenreich.
Finger weg von Kryptowährungen oder die Lage als Einstiegschance nutzen?
“Finger weg!” werden wir nicht sagen. Aber nach dem ersten Anstieg aus dem Tief, der beim Bitcoin bei 15.000 lag, wird es wahrscheinlich weitere Rücksetzer geben. Grundsätzlich glauben wir, dass es nach dem Zusammenbruch von FTX viel mehr Regulierung geben wird – und die Regulierung stellt die Chance dar, dass dieser Markt überhaupt überlebt.
Wir glauben, dass Krypto eine ganz große Sache in den nächsten Jahren sein wird, aber sich eben anders als in den letzten Jahren entwickeln wird. Das heißt, schnell reich werden, irgendeinen Coin kaufen und damit sein Geld in einem Jahr verzehnfachen – das wird es nicht mehr geben. Aber es wird Anwendungsbeispiele geben, die spannend sind: Web 3.0, Metaverse – also alles, was auf der Blockchain und Krypto aufbaut – wird super spannend werden.
Tipp: Hier findest du eine übersichtliche Liste aller 50 Kryptowährungen, über die du dich jetzt auf unseren Krypto-Profilseiten informieren kannst. |
Was raten Sie Anlegerinnen und Anlegern, die aufgrund der aktuellen Situation verunsichert sind und sich womöglich nicht an die Börse trauen?
Wenn man verunsichert ist und sich nicht traut, liegt das daran, dass man kein Wissen hat. Wer hier aber auf bessere Zeiten an der Börse wartet, verpasst die besten Einstiegschancen. Darum sollte man bestenfalls einfach etwas darüber lernen. Heutzutage gibt es so viele gute Möglichkeiten, sich mit dem Thema Investments auseinanderzusetzen. Das geht bereits bei vielen kostenfreien Möglichkeiten im Internet los.
Zudem gibt es mittlerweile viele tolle Bücher zu dem Thema, um an dieser Stelle auch die drei von mir zu nennen: “BÖRSE IST EIN BUSINESS”, “Optionsgewinne mit System” und “Optionsstrategien für die Praxis”. Zusätzlich empfehle ich auch immer, sich einen Coach zu nehmen. In jedem Fall sollte man handeln, um die eigene Unsicherheit zu überwinden – denn diese ist immer mit Unwissenheit gekoppelt. Anders gesagt: Wenn man kein Wissen hat, wird man auf Dauer immer unsicher bleiben.