29. Juli 2013
drjochenfelsenheimer

Alpha generiert man in Märkten mit hohen Risikoprämien

Niedrige Zinsen, hohe Kurs- und Bonitätsrisiken bei Staatsanleihen. Wie man sich als Investor in diesem Umfeld positionieren kann, besprach das EXtra-Magazin mit Dr. Jochen Felsenheimer, Geschäftsführer der XAIA Investment GmbH. Der Investmentspezialist hat sich u. a. auf das Aufspüren von Bewertungsdifferenzen am Rentenmarkt spezialisiert.

Investoren erwirtschaften mit Anleihen von Schuldnern hoher Bonität derzeit nahezu keine Zinsen. Anleihen aus den Peripheriestaaten rentieren hoch, gelten aber als äußerst riskant. Wie können Investoren diesem Dilemma entgehen?

 
Dr.Jochen Felsenheimer  

Ich gehe davon aus, dass sich das aktuelle Niedrigzinsumfeld als persistent herausstellen wird, weshalb Investoren weiterhin mit sehr niedrigen (relativ) risikofreien Renditen leben müssen. Die Causa Zypern hat andererseits gezeigt, dass die europäische Schuldenkrise weiterhin eine immense Belastung für die Peripherieländer darstellt. Auch das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Somit halte ich beide Investments für wenig attraktiv. Entweder Investoren begnügen sich mit langfristig niedrigen Renditen à la Japan oder sie sind bereit, Ausfallrisiken in Kauf zu nehmen.

Die gute Nachricht hierbei ist, dass das vielbeschworene Platzen der „Renten- Bubble“ in einem japanischen Szenario noch in weiter Ferne liegt – man also mit den Anleihen von hochqualitativen Schuldnern wenig verdient, aber damit eben auch ein geringes Verlustpotenzial verbunden ist.

In Ihren Credit Basis Fonds nutzen Sie Marktungleichgewichte. Wie funktioniert das und warum entwickeln sich die Fonds so konstant nach oben?

Die einzige Einnahmequelle dieser Fonds stellt die sogenannte „negative Basis“ dar, also die Spread-Differenz zwischen Anleihen und Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps; CDS) auf denselben Emittenten. Hierbei wird spezifisch die Situation ausgenutzt, dass die Risikoaufschläge bei Anleihen weit über denjenigen von CDS liegen. Die Fonds kaufen Anleihen und sichern mit Hilfe von Derivaten alle Risiken der Investition ab. Dazu gehört neben Zins *- und Währungsrisiken natürlich auch das Ausfallrisiko. Der Ertrag aus der Anleihe liegt in spezifischen Situationen über den Kosten für die Absicherung.

Mit dieser Strategie lassen sich Renditen erzielen, die sehr konstant generiert werden – und somit auch ein sehr limitiertes Verlustpotenzial aufweisen. Ein sehr breit diversifiziertes Basis-Portfolio verdient nichts anderes als die oben genannte Spreaddifferenz, was sich eben in einer niedrigen Volatilität widerspiegelt.

Welche Investments bevorzugen Sie derzeit im Rahmen Ihrer Fondsstrategie?

Sie finden diese Verwerfungen in vielen Segmenten, nur sind diese natürlich mit dem absoluten Spread-Niveau des jeweiligen Emittenten gekoppelt. Die oben beschriebenen Preisverwerfungen sind dort besonders groß, wo ein gewisser Verkaufsdruck herrscht. Aktuell also in den europäischen Peripherieländern und in den globalen HY-Märkten. Da bei Positionen in negativer Basis das Ausfallrisiko eliminiert wird, darf man sich von Emittenten-Ratings hier nicht abschrecken lassen.

Kreditausfallversicherungen sind seit der Finanzkrise nicht mehr salonfähig. Warum nutzen Sie diese Instrumente und welchen Mehrwert verschaffen sie Ihnen?

Auch wenn der Regulator oftmals Gegenteiliges postuliert, war niemals ein Instrument als solches ursächlich für die Lehman-Pleite und alle darauffolgenden Krisensituationen. Es ist vielmehr die Strategie, die hinter dem Einsatz von Derivaten steht. Aber es sind natürlich bestimmte Techniken beim Einsatz von Derivaten erforderlich, um potenzielle Risiken zu vermeiden. Im Falle von CDS betrifft dies u. a. die Stellung von Sicherheiten, um Kontrahentenrisiken zu eliminieren.

Würden Sie als Anleihen-Experte beim Aufbau eines klassischen Anleiheportfolios eher die Anleihen direkt erwerben oder eignen sich dafür auch Renten-ETFs?

Wenn man sich die Performance vieler aktiv gemanagter Renten-Fonds im Vergleich zu der von ETFs betrachtet, wird man feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, ein passives Produkt bzw. den zugrundeliegenden Markt zu schlagen. Es ist offensichtlich, dass die Möglichkeit, Alpha zu generieren, in solchen Märkten am größten ist, in denen auch hohe Risikoprämien vorhanden sind. Folglich darf durchaus als Faustregel gelten, dass ETFs einen Vorteil bieten, wenn es um den Aufbau qualitativ hochwertiger Anleihenportfolien geht, bei HY-Investments hingegen ist das „Anleihen-Picking“ der entscheidende Erfolgsfaktor.

Neben dieser Problematik besorgt mich allerdings etwas anderes, wenn es um den aktuellen Run auf HY-ETFs geht; nämlich die Tatsache, dass hierbei ziemlich undifferenziert Kreditrisiko auch in qualitativ sehr fragwürdigen Namen aufgebaut wird, nur deshalb, weil sie Bestandteil eines zugrundeliegenden Index und damit des ETFs sind. Das bedingt eine enorme Fehlallokation von Kapital, was letztlich die Stabilität des Marktsegments unterminiert.

Europäische unternehmensanleihen, Wandelanleihen oder Pfandbriefe waren im vergangenen Jahr eine lukrative Alternative zu Staatsanleihen. Wie beurteilen Sie die Lage in diesem Jahr?

Die aktuelle Niedrigzinspolitik zwingt Investoren in höher rentierliche Alternativen. Somit ist die tolle Entwicklung in vielen Segmenten vor allem der exzessiven Bereitstellung von Liquidität zu verdanken und weniger der realwirtschaftlichen Entwicklung. Genau das darf man als immenses systemisches Risiko begreifen, da sich die Finanzmärkte in vielen Segmenten von der realwirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt haben.

Diese Entkopplung kann mittelfristig noch anhalten, aber sie wird nicht persistent sein. Genau dann kommt es zu einer abrupten Re-Kopplung zwischen den Finanzmärkten und der Realwirtschaft, die wir gemeinhin als Krise bezeichnen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich die Situation an den Märkten im zweiten Halbjahr als schwieriger erweisen wird – schon allein deshalb, da wir in vielen Segmenten bereits auf relativ zur ökonomischen Lage niedrigen Spread-Niveaus angekommen sind.

In den vergangenen Monaten wurden auch verstärkt Staats- und unternehmensanleihen aus den Emerging Markets nachgefragt. Was spricht für diese Anlagen und welche speziellen Risiken gehen Investoren damit ein?

In diesem Zusammenhang verweise ich immer auf das Akerlof’sche Informationsproblem. Das besteht darin, dass der Emittent immer bessere Informationen besitzt als der Gläubiger. Diese aus Sicht des Investors unschöne Situation ist besonders gravierend in den Emerging Markets. Sie haben zusätzlich zu Marktrisiken eben auch andere, bspw. legale Risiken (siehe Argentinien), welche einen enormen Einfluss auf die Profitabilität der Investition haben. Vor diesem Hintergrund würde ich bei Investitionen in EM auch immer einen aktiven Ansatz bevorzugen.

Welche Länder laufen nach der Zypernkrise nun noch Gefahr, die nächsten auf der Abschussliste zu sein?

Die Märkte haben auf die Entwicklungen in Zypern relativ stark reagiert. Es ist nun klar, dass nach der Restrukturierung griechischer Anleihen in 2012 auch die Rettungsaktion in Zypern eine Beteiligung von privaten Investoren beinhaltet. Und das, obwohl die europäische Politik bei der Rettung Griechenlands von einem einmaligen Vorgang gesprochen hat. Die logische Konsequenz dieses Handels sind nachhaltige Übertragungseffekte, die letztlich zu weitaus höheren Kosten führen, als es die Einsparungen in Zypern durch die Beteiligung der privaten Einlagen rechtfertigen würden.

Als sofortige Reaktion auf das Zypern- Paket kamen slowenische Anleihen unter Druck. Der 5-Jahres-Credit-Default-Swap hat sich um mehr als 100 bp ausgeweitet, was sich nun in einer impliziten Ausfallwahrscheinlichkeit von über 20 Prozent über die nächsten fünf Jahre widerspiegelt. Da die bisherigen Rettungsmaßnahmen das ursprüngliche Problem in Europa – die enge Vernetzung des Bankensystems mit den Staaten – sogar noch verschärft haben, muss man davon ausgehen, dass Zypern nicht das letzte Mitgliedsland der Eurozone ist, welches ein Rettungspaket in Anspruch nehmen muss.

Welche Diversifikation im Rentenbereich empfehlen Sie daher Investoren hinsichtlich der Anlageregion?

Ich denke, dass neben den klassischen Allokationskriterien, bspw. nach Regionen, andere Kriterien bei der Allokation in der Zukunft sehr viel bedeutsamer werden. Ein schönes Beispiel hierfür stellt Griechenland dar. Während Anleihen nach griechischem Recht im letzten Jahr zwangsumgetauscht wurden und Investoren knapp 80 Prozent des Nominals verloren haben, notieren diejenigen griechischen Anleihen, die nach internationalem Recht begeben wurden, aktuell bei über 90 Prozent des Nominals.

Es handelt sich in beiden Situationen um denselben Emittenten, jedoch um ein anderes Format. In Zukunft wird neben der Frage, in was man investiert, eine ebenso wichtige Rolle spielen, in welchem Format man investiert ist. Die Analyse hierzu ist sehr aufwendig und kann deshalb nur schwerlich von Privatinvestoren umgesetzt werden. Eine breite Diversifikation nach Regionen, Sektoren und Segmenten allein kann folglich eine trügerische Sicherheit vermitteln.