"Zypern ist keine Eurokrise"
Die Zypern-Krise ist wieder einmal Wasser auf die Mühlen derer, die der Meinung sind, dass der Euro nicht funktionieren kann. Kaum hatte sich die Situation in der Währungsunion in den vergangenen Monaten etwas beruhigt und sogar den unbefriedigenden Ausgang der Italienwahl überstanden, poppten mit Zypern wieder alle Sorgen und Ängste auf. Zeitweise sah es sogar schlimmer aus denn je. Es wurde ein Sturm auf die Banken nach Bargeld befürchtet, ein Bank-Run. Auch deutsche Sparer waren verunsichert. Bundeskanzlerin Merkel wiederholte ihre Garantie für die Einlagen der Sparer, die sie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite gegeben hatte.
Ist das wirklich eine neue Eurokrise? Um meine Antwort vorweg zu nehmen: Nein, bei Weitem nicht. Das liegt nicht nur daran, dass Zypern so klein ist. Die Krise ist eine ganz andere und hat im Kern nichts mit dem Euro zu tun. Die Menschen reagieren nur deshalb so nervös, weil die Eurokrise noch nicht vorbei ist und jedes kleine Feuer auch an einer anderen Stelle eine Brandgefahr mit sich bringen könnte.
Natürlich hat die Zypernkrise auch einige Ähnlichkeiten mit den Problemen, die vorher in anderen südeuropäischen Peripheriestaaten aufgetaucht waren. Das ist bei einem so kleinen Land in einer großen Gemeinschaft nicht weiter verwunderlich. Die Mittelmeerinsel hatte durch hohes Wachstum nach dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion 2007 Ungleichgewichte aufgebaut: Die Wettbewerbsfähigkeit verschlechterte sich. Die Leistungsbilanz fiel ins Defizit. Die öffentlichen Haushalte gerieten in Unordnung. Die Immobilienmärkte boomten. Die Häuserpreise hatten sich von 2006 bis 2008 um 50 Prozent erhöht. Dann brachen sie zusammen. Gleichzeitig fiel die Wirtschaft in eine Rezession. Die Arbeitslosigkeit stieg. Sie lag zuletzt bei 14,7 Prozent.
Diese Gemeinsamkeiten mit der Eurokrise sind aber nur ein Teil des Problems, und zwar der kleinere. Die Unterschiede sind wichtiger.
Erstens: Anders als in Griechenland, Portugal oder Spanien war es nicht der Geldmangel, der die Zypernkrise auslöste. Zyperns Problem war im Gegenteil, dass es zu viel Geld hatte. Über Jahre legten Steuerflüchtlinge aus Russland, der Ukraine aber auch aus Griechenland Milliarden über Milliarden in Zyperns Banken an. Investmentbanker aus Deutschland, die hier ihren Job verloren hatten, zogen mit ihren Abfindungen nach Zypern, weil sie dort keine Steuern zahlen mussten. Es war dieser Geldzustrom, der die kleine Volkswirtschaft überforderte und verletzlich machte. Die Bilanzsumme der zypriotischen Banken betrug zeitweise 800 Prozent der Wirtschaftsleistung der Insel. Zypern ist daher eher mit Island zu vergleichen, das auch an zu expansiven Banken scheiterte, als mit Griechenland.
Zweitens: Zypern hat, anders als Griechenland oder andere Krisenländer, keine Schwierigkeiten mit dem festen Wechselkurs durch den Euro. Im Gegenteil, es profitierte von der Gemeinschaftswährung. Es konnte ausländischen Anlegern Zugang zu einer großen, starken und internationalen Währung gewähren. Eine Abwertung seiner Währung und ein Ausscheiden aus dem Euro wäre für Zypern daher keine Lösung. Dann hätte es noch größere Schwierigkeiten, die Auslandsgelder zurückzuzahlen.
Drittens: Zypern wird von seinen Partnern, anders als Griechenland, nicht vor allem wegen schlechter Haushaltsführung und/oder Wirtschaftspolitik kritisiert. Der Hauptgrund des Ärgers liegt in seinem Geschäftsmodell, mit dem es sich auf Kosten anderer bereichert. Es toleriert beispielsweise Geldwäsche, zahlt höhere Zinsen als andere, lockt Investoren mit niedrigeren Einkommensteuersätzen, bzw.null Steuer auf Kapitalerträge und wirbt um Unternehmen mit geringeren Körperschaftsteuersätzen.
Nikosia ist nicht bekannt als besonders gutes und innovatives Finanzzentrum. Es ist vielmehr eine Steueroase vergleichbar mit den mittelamerikanischen Staaten. Die Zyprioten sollten sich nicht wundern, dass die anderen Euroländer auf die Abschaffung dieser Privilegien drängen, die zu ihren Lasten gehen. Das war überfällig, auch ohne Euro.
Viertens: Natürlich wird Zypern jetzt auch eine schwierige Zeit der Veränderung durchstehen müssen. Es wird durch die Krise aber bei Weitem nicht so stark betroffen wie die anderen südeuropäischen Staaten. Das Parlament hat den ersten Entwurf des Rettungsplans nicht abgelehnt, weil es glaubte, damit die Bevölkerung zu überfordern. Es war für die Abgeordneten vielmehr, wie es hieß, eine „Frage der Ehre“. Verletzter Stolz spielt bei den Politikern der Insel eine größere Rolle als wirtschaftliche Not und Armut. Wirtschaftlich gesehen hat Zypern eine gut ausgebildete, Englisch sprechende Bevölkerung. Es ist – neben dem Tourismus – gut in Schifffahrts- und industrienahen Dienstleistungen (Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Berater). Es hat Gasfelder vor der Küste, die – hoffentlich – einmal ausgebeutet werden können.
Fünftens: Aus allen diesen Gründen haben die internationalen Finanzmärkte auch relativ gelassen auf die Krise reagiert. Der Euro hat auf den Devisenmärkten gegenüber dem Dollar gerade mal von 1,30 auf 1,29 Dollar nachgegeben. Die Aktien-Rallye auf den Märkten wurde nicht gestoppt. Sie verlief nur etwas gemäßigter und mit größeren Schwankungen. Als der große Anleiheninvestor Pimco dieser Tage bekannt gab, dass er sich wegen der Krise aus europäischen Investments zurückziehen wollte, meinte er damit wohl eher eine Realisierung aufgelaufener Gewinne als eine grundsätzliche Abkehr von europäischen Investments.
Für den Anleger
Die Zypernkrise ist nichts, was Sie zu einer grundlegenden Neuorientierung bewegen sollte. Sie gehört eher zum allgemeinen Grundrauschen hinter dem Aktienaufschwung. Als sich die Finanzminister am vergangenen Wochenende auf ein Abkommen mit den Zyprioten einigten, stiegen die Kurse etwas an. Ich rechne aber damit, dass das nur vorübergehend sein wird. Wenn sich die Parteien jetzt in die Detailverhandlungen über das „Memorandum of Understanding“ begeben, könnten ungelöste Streitpunkte auftauchen, die die Märkte wieder zurückwerfen.
© 27. März 2013 /Martin Hüfner